Prostitution in Deutschland:Willkommen im Rotlichtviertel Europas

Strassenstrich an der Messe Frankfurt

Strassenstrich in Deutschland: Eine Prostituierte verhandelt an der Messe in Frankfurt mit einem potentiellen Freier

(Foto: Boris Roessler/dpa)

Die rot-grüne Legalisierung von Prostitution war gut gemeint, aber schlecht gemacht. Tausende Freier aus aller Welt werden von "Flatrate Sex" in die Großstädte der Bundesrepublik gelockt, die Frauen sind zur Wirtschaftsressource ohne jeden weiteren Wert geworden. Der Staat muss gegen Zwangsprostitution vorgehen - und die Betroffenen endlich wie Opfer behandeln und nicht wie Täterinnen.

Ein Kommentar von Joachim Käppner

Sex sells, Sex verkauft sich gut, das ist eine alte Weisheit der Boulevardmedien - leider aber auch ein ungewolltes Ergebnis rot-grüner Politik. 2002 hatten SPD und Grüne eine weitgehende Legalisierung der Prostitution durchgesetzt. Ziel war es, die Frauen aus den Grauzonen der Kriminalität herauszuholen, ihnen einen besseren Status zu geben und der Zwangsprostitution den Boden zu entziehen. Das war gut gemeint, ebenso wie es der törichte Begriff "Sexarbeiterinnen" im Weltverbesserer-Neusprech ist. Gut gemeint ist aber nicht gleich gut gemacht.

SPD und Union wollen die Reform nun aus guten Gründen reformieren. Heute nämlich betrachten Freier aus aller Welt einige Großstädte der Bundesrepublik als Rotlichtviertel Europas. Ganz legale Großbordelle haben 30.000 Besucher pro Monat, diese werden als "anspruchsvolle Kunden" gelockt von "Flatrate Sex"-Angeboten und anderen Errungenschaften marktwirtschaftlicher Geschäftsprinzipien. Und die Betreiber solcher Etablissements fürchten sich längst mehr vor dem Stadtkämmerer als vor dem Staatsanwalt: Ist ja alles legal, und das Geld fließt.

Die Filmemacherin Tina Soliman hat darüber eine ARD-Dokumentation gedreht und ein gnadenloses Fazit gezogen: "Die gute Absicht, Prostituierte per Gesetz zu stärken, hat sich ins Gegenteil verkehrt. Die Frau wird zur Ressource, außerhalb dieses Tauschgeschäftes verliert sie jeden Wert." Und der Staat verdient mit.

Der Staat muss gegen Zwangsprostitution handeln

Das Schicksal der Frauen ist aber immer noch Nebensache. Wer sie wie rekrutiert und kontrolliert, unter welchen Bedingungen sie "arbeiten" und wie freiwillig, das alles bleibt zu oft im Dunkeln. Kontrollen sind selten geworden; sie wären das Erste, was der Gesetzgeber wieder vorschreiben müsste. Prostitution wird sich per Gesetz wohl nie unterbinden lassen, auch wenn eben das in Frankreich nun versucht werden soll. Die Legalisierung aber ist ebenfalls keine Erfolgsgeschichte.

Der Staat muss wieder handeln, vor allem gegen Zwangsprostitution, die ja nicht wie erhofft verschwunden ist. Wenn die Union Freier bestrafen will, welche zu Frauen gehen, die dazu gezwungen werden, ist das als Zeichen nicht falsch. Faktisch wird der Nachweis, dass der Mann dies gewusst habe, schwer zu erbringen sein.

Zwangsprostitution ist ein schweres Verbrechen. Oft sieht das so aus: Eine junge Frau aus Weißrussland oder Moldawien wird mit Versprechungen in den Westen gelockt und dort gewaltsam zur Prostitution gezwungen. Wo soll sie Hilfe suchen? Bei der Polizei? Der deutsche Staat hat vor allem einen Wunsch: die Frau abzuschieben. Sie läuft Gefahr, sich bald in ihrem Heimatland wiederzufinden und dort die Rache der Gangs fürchten zu müssen.

Ernsthaft lässt sich Zwangsprostitution nur bekämpfen, wenn der Staat diesen Frauen den Ausstieg erleichtert, indem er ihnen Zeugenschutz und ein Bleiberecht anbietet - also die Opfer wie Opfer behandelt und nicht wie Täterinnen. Wenn sich Union und SPD dazu nicht in aller Konsequenz durchringen, wird wieder eine Reform scheitern.

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