Prostitution:"Frauen sollen wissen, was ihre Männer tun"

In Schweden ist käuflicher Sex seit 1999 gesetzlich verboten, doch der Erfolg des Modells bleibt umstritten. Jetzt drohen Freiern auch in Norwegen strenge Strafen.

Gerhard Fischer

Post von der Polizei beendete die Beziehung. Als Lisa Strand (Name geändert) den Brief öffnete und dadurch erfuhr, dass ihr Mann bei einer Prostituierten war, warf sie ihn aus der gemeinsamen Wohnung in Stockholm. Die Polizei sah das gelassen.

"Die Frauen sollen wissen, was ihre Männer tun'', sagte Ewa Carlenfors von der Sonderkommission Prostitution. "Im Gegensatz zu früher schicken wir den Freiern die Vorladung zum Verhör jetzt immer nach Hause.'' Sexkäufer, meinte sie, bräuchten wohl "kein extra Entgegenkommen".

In Schweden ist Prostitution seit dem 1. Januar 1999 gewissermaßen verboten. Die Prostituierten gehen zwar straffrei aus, aber die Freier müssen mit einer Geldstrafe oder bis zu einem halben Jahr Gefängnis rechnen. Das schwedische Modell wird nun auch in Norwegen übernommen.

Nach einer jahrelangen Debatte, die vor allem von Frauen-Organisationen befeuert worden war, legt die rot-grüne Regierung einen entsprechenden Gesetzentwurf vor, über den nach Angaben des Justizministeriums "vor dem Sommer 2008'' abgestimmt werden soll. Seine Annahme gilt als gesichert, da auch die oppositionellen Christdemokraten zustimmen wollen.

Sie alle störten sich wohl auch daran, dass in Oslo und anderen großen Städten die Straßenprostitution zuletzt massiv angestiegen war. In den Medien kamen häufig Berichte über offenbar organisierten Handel mit Frauen. Etwa 80 Prozent der Prostituierten auf dem Straßenstrich sind Ausländerinnen, Menschenhändler bringen sie aus Rumänien, Bulgarien oder Nigeria nach Norwegen.

Umstritten sind bisher die Erfolge des schwedischen Modells. Die sichtbare Straßenprostitution in Stockholm, Malmö und Göteborg ist zwar merklich zurückgegangen, oft sogar verschwunden, aber das Geschäft läuft nun vor allem übers Internet und andere, schwer aufspürbare Wege.

Kritiker sagen: Die Prostitution ist in den Untergrund abgewandert. Zuhälter würden nun zunehmend Wohnungen und Kontakte organisieren und dabei abkassieren. In einem offenen Brief protestierten kürzlich vier aktive oder ehemalige Prostituierte gegen das Gesetz: "Prostitution soll am liebsten nicht sichtbar sein'', schrieben sie in der Zeitung Dagens Nyheter, "aber in dieser Verborgenheit profitieren Zuhälter und Menschenhändler; wir wollen diese loswerden.''

Politiker, Polizei und Frauen-Organisationen können das nicht wirklich widerlegen. Aber das Gesetz von 1999 hat in jedem Fall hohe Symbolkraft, und es findet in Umfragen große Zustimmung bei schwedischen Frauen und Männern.

Abenteuerliche Ausreden

Allerdings ist auch die Beweisführung gegen vermeintlich Erwischte nicht ganz einfach: Zusammen gesehene Freier und Prostituierte geben sich oft als Liebespaar oder alte Bekannte aus, die nur reden wollten.

Dass die beiden etwa gemeinsam zum Geldautomaten gegangen sind und dann ein paar Scheine übergeben wurden, beweist nichts - das Paar muss in flagranti erwischt werden. Nur manchmal, wenn etwa Telefone von mutmaßlichen Zuhältern abgehört werden, ist der Freier so gut wie überführt.

Oder die Ausreden sind allzu hanebüchen: Zuletzt musste ein 43-Jähriger in Stockholm eine Geldstrafe zahlen, weil er 20 Minuten bei einer Prostituierten zugebracht hatte, dies aber vor Gericht wie folgt begründete: "Ich wollte keinen Sex, ich wollte mich nur von einer leicht bekleideten Frau massieren lassen. Als sie überraschenderweise etwas anderes wollte, war ich nicht mehr interessiert und bin gegangen.''

Das, meinte der Richter, sei "nicht sehr glaubwürdig.'' Wer brauche schon 20 Minuten für ein ,,Nein''. Eine Gefängnisstrafe für einen Freier gab es in Schweden bisher nicht, Geldstrafen schon. Ein Mann wurde nach Angaben der Polizei zur Zahlung von 50000 Kronen (etwa 5500 Euro) verurteilt.

Ein geständiger Freier kam in Schweden bisher mit einer geringen Geldstrafe davon und konnte auf Anonymität hoffen. Die Männer wurden von der Polizei meistens angerufen, manchmal wurden die Vorladungen auch an die Arbeitsstelle geschickt, wo er sie selbst öffnen konnte.

Zumindest in Stockholm ist das nun anders. "Sex zu kaufen ist eine Straftat wie jede andere auch'', sagte die Polizei-Sprecherin Ewa Carlenfors, "und bei anderen Verbrechen wird die Post auch nach Hause geschickt''. Wo dann manchmal die Frau sie aufreißt. "Viele Frauen rufen uns an und sind sehr erregt über das, was geschehen ist'', erzählte Carlenfors. "Eine hat sogar gefragt, ob sie beim Verhör dabei sein kann.''

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