Prostitution an der deutsch-tschechischen Grenze:Die Frau namens Roza

Eine tschechische Prostituierte soll zahlreiche Freier im Grenzort Cheb mit HIV infiziert haben - ein Fall, der einmal mehr die bizarre und brutale Bordellszene an der deutsch-tschechischen Grenze beleuchtet.

Klaus Brill

Sie nannte sich Roza, und auf dem Foto, das die Lokalzeitung in Cheb (Eger) jetzt von ihr veröffentlichte, sieht man eine attraktive, selbstbewusste Frau mit strengem Gesicht. "Die Momente der Wonne in Rozas Armen könnten teuer zu stehen kommen", lautete die Überschrift des Artikels.

Prostitution an der deutsch-tschechischen Grenze: Prostituierte warten an einer Straße an der deutsch-tschechischen Grenze auf Freier (Archivfoto)

Prostituierte warten an einer Straße an der deutsch-tschechischen Grenze auf Freier (Archivfoto)

(Foto: Foto: dpa)

Die Frau namens Roza war in Cheb und Umgebung als Prostituierte tätig und ist vor drei Monaten im Alter von 39 Jahren an Aids gestorben. Deshalb schlagen die Gesundheitsbehörden der tschechischen Grenzstadt jetzt Alarm. Sie fürchten, dass zahlreiche Kunden Rozas, vor allem Deutsche aus den benachbarten Regionen Bayerns und Sachsens, sich angesteckt haben.

Einmal mehr fällt so ein grelles Licht auf die bizarre Bordellszene an der deutsch-tschechischen Grenze, die den örtlichen Kommunalpolitikern seit Jahren Sorgen bereitet. Gleich nach dem Abbau des Eisernen Vorhangs im November 1989 hatten sich auf der tschechischen Seite zahlreiche Rotlichtlokale etabliert.

Auch auf den Landstraßen tauchten Prostituierte auf, die in gläsernen Kästen ihre Körper feilboten oder mit obszönen Verrenkungen auf dem Trottoir die Autofahrer lockten. Die Kundschaft kam aus dem Westen und kaufte zum Schnäppchenpreis nicht nur Benzin, Klamotten und Gartenzwerge, sondern auch Liebesdienste. Bis hin zu jenem fränkischen Bürgermeister aus Röckingen bei Ansbach, der 2002 bei einer Hure in Eger beraubt und ermordet wurde.

Der Fall Roza gibt dem Geschehen eine neue Dimension. Die junge Frau, die nach tschechischen Medienberichten Rosalina Benakova hieß, stammte aus der Slowakei und ging seit etwa 1995 in Eger auf den Straßenstrich. Sie war aber auch in Nachtklubs in Aš (Asch) und Hranice (Roßbach) anzutreffen und erfreute sich offenbar bei ihrer Klientel großer Beliebtheit. Das Gesundheitsamt in Cheb fürchtet deshalb, es könnten sich bis zu 100 Männer bei ihr mit HIV infiziert haben.

Die Frau namens Roza

Jedenfalls hinterließ die Slowakin eine lange Liste mit Namen und Telefonnummern von Freiern. 20 der Genannten wurden bereits kontaktiert, sechs von ihnen waren mit Aids infiziert, und einer hat bereits seine derzeitige Partnerin angesteckt.

Jaroslava Hrabakova, Seuchenexpertin beim Gesundheitsamt in Eger, erklärte, man habe die Suche nach Roza bereits vor sieben Jahren begonnen, als erstmals ein HIV-Patient einen Hinweis auf sie gegeben habe. Unklar ist bisher, ob und seit wann die Prostituierte selbst von ihrer Infektion wusste. Jedenfalls ließ sie sich offenbar nie untersuchen und gab auch ihre Tätigkeit nicht auf.

Ein solches Verhalten ist nach Auskunft von Kennern keine Seltenheit. Die meisten Prostituierten seien überhaupt nicht krankenversichert und könnten keine normale medizinische Betreuung in Anspruch nehmen, sagt die Sozialarbeiterin Cathrin Schauer, die als Leiterin eines sächsischen Streetwork-Projekts namens Karo unter anderem auch in Eger tätig ist.

Nach Berichten der Prostituierten komme es "sehr, sehr häufig" vor, dass gerade deutsche Sex-Touristen ungeschützten Geschlechtsverkehr verlangten und auch mit Gewalt durchsetzten, sagt Schauer. Außerdem gebe es "sehr viele Perversionen".

Hergelockt, verprügelt, vergewaltigt

Gewalt ist ohnedies ständig präsent in einem Milieu, das von Mafia-Banden mehrerer Nationen durchsetzt und alles andere als harmlos ist. Es geht um Erpressung, Sklaverei und Menschenhandel. Die wenigsten der Prostituierten gehen ihrem Gewerbe freiwillig nach. In den Bordellen finden sich nach Angaben von Fachleuten junge Mädchen aus der Ukraine, Moldawien, Weißrussland, den Philippinen und Brasilien.

Sie werden mit falschen Versprechungen hergelockt, dann vergewaltigt, verprügelt, ihrer Pässe beraubt und so zur Prostitution gezwungen. Immer wieder sprengt die Polizei kriminelle Banden, so vor einem Jahr einen Zuhälterring im Raum Eger, dem Tschechen, Russen, Ukrainer, Moldawier und Israelis angehörten.

Die Kommunalpolitiker sind mehr oder weniger machtlos. Zwar haben sie in Eger und anderen Orten inzwischen Sperrgebiete ausgewiesen. Für eine grundlegende Lösung des Problems fehlt jedoch eine gesetzliche Grundlage, die das Parlament in Prag trotz mehrerer Anläufe seit Jahren nicht auf den Weg bringt.

In Dubí (Eichwald) wollte die Stadtverwaltung in ihrer Not unlängst vor den Bordellen Web-Kameras aufstellen und die Bilder ins Internet übertragen, um so die Sextouristen abzuschrecken. Sie musste das Vorhaben aber aus Gründen des Datenschutzes wieder aufgeben.

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