Promiblog zu Alec Baldwin:"Der Treibstoff des öffentlichen Lebens in Amerika ist Hass"

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Alec Baldwin will Privatmann werden. (Foto: Süddeustceh.de/dpa)

US-Schauspieler Alec Baldwin will nie wieder öffentlich über sein Privatleben sprechen. In 28.000 Zeichen lamentiert er über inkompetente TV-Manager, aufdringliche Paparazzi und das Internet, das sowieso an allem die Hauptschuld trägt.

Von Oliver Klasen

Alec Baldwin hatte die Hauptrolle in Dutzenden Hollywood-Filmen, er moderierte Fernsehshows, spielte am Broadway und stand sieben Jahre in der sehr erfolgreichen NBC-Sitcom 30 Rock vor der Kamera.

Baldwin ist jetzt 55 Jahre alt, mit seiner Schauspiel-Kollegin Kim Basinger hat er einen jahrelangen Scheidungs- und Sorgerechtsstreit hinter sich. Seit 1979 lebt er nach eigenen Angaben in New York, ungefähr genauso lange steht er in der Öffentlichkeit. Auch seine drei jüngeren Brüder William, Stephen und Daniel Baldwin sind bekannte Schauspieler. Vielleicht ist das ein Werdegang und eine Sozialisierung, die einen Menschen anfällig macht für Kulturpessimismus, für das Hadern mit der modernen Welt als solcher.

Genau das tut Baldwin in einem Aufsatz, der am Montag im New York Magazine erschienen ist. Es ist ein langer, langer Text, fast eine halbe Stunde dauert es, ihn ganz durchzulesen, ein Lamento auf mehr als 5000 Wörtern. Die Schuldigen sind: Die Stadt, die sich verändert hat. Die Medien, die sich verändert haben. Die öffentliche Leben, das sich verändert hat, weil in den Diskussionen, die dort geführt werden, immer schneller und gnadenloser geurteilt wird. Und das Internet, das an all dem die Hauptschuld trägt.

Alec Baldwin reicht es. "Goodbye, public life" - Auf Wiedersehen, öffentliches Leben - so ist sein Aufsatz überschrieben.

Streit um vermeintlich homophobe Äußerungen

Anlass für diesen mit großem Pathos inszenierten Rückzug aus den Medien - für den er, wie er selbstironisch bemerkt, auch wieder die Medien nutzt - ist ein Vorfall im November vergangenen Jahres.

Baldwin soll damals einen Videoreporter der Promi-Nachrichtenwebseite TMZ mit schwulenfeindlichen Ausdrücken beschimpft haben. Dem TMZ-Gründer Harvey Levin zufolge soll dabei auch das Wort "faggot" gefallen sein, was auf Deutsch ungefähr so viel wie "Schwuchtel" bedeutet. Einen anderen Reporter, der über Baldwins Frau herzog, weil diese auf einer Beerdigung twitterte, soll Baldwin "toxic little queen" (in etwa: "giftige, kleine Hexe") genannt haben.

In dem Aufsatz schildert Baldwin seine Sicht der Dinge. Ihm sei gar nicht bewusst gewesen, dass "toxic little queen" als schwulenfeindlich verstanden werden könne. Und der TMZ-Reporter habe seiner Familie bereits mehrfach nachgestellt. Einmal habe ihn Baldwin verfolgt, sei mit ihm in Streit geraten und ja, er habe den Reporter "cocksucking motherfucker" genannt (Auf eine Übersetzung ins Deutsche verzichten wir hier mal).

Ansonsten seien alle Anschuldigungen falsch. Er sei in keinster Weise homophob, allerdings könne er sich an seine genauen Worte nicht mehr erinnern. "Wenn ich eine aufgeregte Auseinandersetzung mit diesen Leuten habe, zücke ich keinen Stift und schreibe mir auf, was ich gesagt habe."

Die Kontroverse um die vermeintlich homophoben Äußerungen bildet zwar den größten, jedoch, wie gesagt, nicht den einzigen Bestandteil des Baldwin-Lamentos. Es geht dort auch um Manager vom TV-Sendern, die "kein einziges Papier auf ihrem Schreibtisch haben" und - frei übersetzt - "einen feuchten Dreck auf Inhalte geben".

Es geht um Paparazzi, um Fotografen und Videofilmer, die sich wie "Raubtiere" verhielten und mit aller Macht versuchten, ein Foto von einem Baby zu bekommen. "Wenn sie es geschafft haben, wird es sofort getwittert." Überhaupt, die "Kultur der neuen Medien", in der jeder eine Kamera besitze und in der "jeder Fehler, den du machst, herausgeschrien wird und für immer nachhallt im digitalen Canyon" dieser modernen Welt.

Besser aufs Land ziehen

Die Art, wie die Medien agierten, habe die Stimmung im ganzen Land vergiftet. "Amerika ist so heruntergekommen wie noch nie. Der Treibstoff des öffentlichen Lebens in Amerika ist Hass. Das Herz, ja alle Arterien dieses Landes, sind jetzt gefüllt mit Hass", schreibt Baldwin.

All das habe ihm gezeigt, dass er genug von dem Leben habe, das er 30 Jahre geführt habe. "Ich will nicht mehr Mr. Showbusiness sein", schreibt Baldwin. Am Ende seines Textes bringt der Schauspieler dann noch einen Gedanken, der geradezu klassisch ist für jemanden, der von Kulturpessimismus erfüllt ist. Er überlegt, ob es nicht besser wäre, aufs Land zu ziehen. "Wahrscheinlich muss ich aus New York wegziehen. Ich kann einfach nicht mehr hier leben", schreibt Baldwin.

Shia LaBeouf, ein Schauspielkollege, über dessen Arroganz Baldwin ziemlich herzieht in seinem Text, hat neulich auf einem Filmdreh eine Tüte über seinem Kopf gestülpt. "Ich bin nicht mehr berühmt" stand darauf.

Eine solche Tüte hat sich Baldwin jetzt auch übergestülpt, nur in virtueller Form. Mal sehen, wie lange er sie auf dem Kopf behält.

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