Mit großem Erfolg: In der Disziplin "Gesichter und Namen" - einem von zehn Wettbewerben bei der Gedächtnis-Weltmeisterschaft im englischen Oxford - setzte sich der angehende Jurastudent gegen seine memorierenden Mitstreiter durch. Clemens Mayer aus Brannenburg bei Rosenheim ist seit Montagabend Gedächtnis-Weltmeister. Er ist der erste Titelträger, der nicht aus Großbritannien stammt, seit der Wettbewerb 1991 zum ersten Mal ausgetragen wurde.
Seit drei Jahren trainiert Mayer, sich schier endlose Zahlenkolonnen einzuprägen, die Reihenfolge von Spielkarten zu behalten oder fremde Gesichter mit Namen in Verbindung zu bringen. "In so kurzer Zeit so weit zu kommen ist eine erstaunliche Leistung", sagt Gunther Karsten, der nach sieben Titeln in Folge im Juli von Clemens Mayer als deutscher Gedächtnismeister abgelöst wurde.
Seinen Kronprinzen hat Karsten durch seine zahlreichen Fernsehauftritte selbst auf den Plan gerufen: Clemens Mayer wurde über einen Medienbericht auf den Gedächtnissport aufmerksam. Da er schon in der Schule Texte und Zahlen besonders gut behalten konnte, machte er sich daran, seine Merkfähigkeit täglich 30 Minuten bewusst zu stärken.
Die 47 ist mit einer Maus verknüpft
Seit Juli hält Weltmeister Mayer sogar zwei Weltrekorde in diesem Sport: In 15 Minuten ordnete er bei der deutschen Meisterschaft 85 Gesichtern die richtigen Namen zu und merkte sich binnen einer halben Stunde 1040 Ziffern in der richtigen Reihenfolge. Derartige Zahlenungetüme bezwingt der Abiturient mit den gängigen Techniken der Gedächtnisathleten: Clemens Mayer verleiht dem Abstrakten konkrete Bedeutung.
Jede Zahl zwischen 0 und 99 steht für ihn für ein Symbol. Die 47 zum Beispiel hat er mit einer Maus verknüpft, die 99 mit einer Angel. "Sehe ich die Zahl 4799, so sehe ich eine angelnde Maus", erklärt Mayer. Nackte Zahlen puzzelt er sich zu einer eigenen Geschichte zusammen, die ihm leichter im Gedächtnis hängen bleibt. So leicht sogar, dass sich der Vizepräsident des Vereins "Memory XL" bei einem Wettkampf die Reihenfolge von 52 Spielkarten in nur wenig mehr als 30 Sekunden merken konnte.
Aber nicht nur angelnde Mäuse helfen. Beim Gedächtnistraining kommt es darauf an, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Nervosität vor einem Wettkampf, selbst wenn es eine Weltmeisterschaft ist, gehört nicht zum Wesentlichen. "Aufregung schadet nur. Also bin ich nicht aufgeregt", sagt er. So einfach ist das.
Clemens Mayer geht also mit einem ruhigen Puls durchs Leben und seine Wettkämpfe. Auch beim Abitur oder bei seinen Mittelstreckenläufen, die er am Olympiastandort Cottbus trainiert, konzentriert er sich auf eines: das Wesentliche.
(SZ vom 17.8.2005)