Posthumer Verkaufsschlager:Das Prinzip Bruno

Nach seinem Abschuss lebt der Braunbär weiter - als Cash Cow der Marketingstrategen.

Paul-Anton Krüger

Es war der 26. Juni, also genau vor 14 Tagen, als Brunos letztes Stündlein schlug - allerdings nur im biologischen Sinne. Um 4.50 Uhr früh beförderten "jagdkundige Personen" den offiziell JJ1 geheißenen Braunbären mit zwei gezielten Schüssen zwischen die Rippen von einer bayerischen Alm in die ewigen Jagdgründe.

bruno plüsch, dpa

Braunbär JJ1 alias "Bruno" als Plüschbär. Der Spielzeughersteller Schildkröt fertigt ihn in einer limitierten Auflage von 999 Stück. 2,50 Euro vom Preise gehen an WWF.

(Foto: Foto: dpa)

Wie man sich sein dortiges Fortleben vorzustellen hat, veranschaulichte ein Handy-Klingelton-Fabrikant postwendend mit einem farbigen Logo fürs Mobiltelefon-Display: Mit hängenden Armen und ratlos resignativem Gesichtsausdruck schwebt der Jungbär an Engelsflügelchen zwischen weißen Schäfchenwolken hinfort, gekrönt von einem güldenen Heiligenschein.

Denn auch auf Erden schloss sich dem Tod des Bären nahtlos sein zweites Leben an. Jene Marketingstrategen, die in der Hatz nach dem vermeintlich possierlichen Raubtier ein schnelles Geschäft gewittert hatten, stellten binnen Stunden auf neue Bären-Devotionalien um, die - bislang - gute Umsätze versprechen.

Der Internet-Flohmarkt Ebay hat Bruno mittlerweile eine eigene Kategorie gewidmet. Geschäftstüchtige Händler verhökern dort Solidaritäts-T-Shirts, Trauerflaggen für Auto-Antennen, Armbanduhren und allerlei anderen Tand.

Doch dass sich der pelzige Sympathieträger gewinnbringend und imagefördernd zugleich vermarkten lässt, hat man auch anderenorts erkannt. So bringt der Süßwarenhersteller Haribo "anlässlich der zurzeit emotional geführten Debatte um den erlegten Braunbären" einen Schaumzucker-Bruno in den Geschmacksrichtungen Schoko und Karamell auf den Markt, der wenig artgerecht zu 150 Stück in durchsichtigen Runddosen aus Plastik gehalten wird.

20 Cent des Verkaufspreises von 7,50 Euro gehen zur Unterstützung von Bärenprojekten in den Alpen an die Naturschutzorganisation WWF - ursprünglich wollte die Goldbären-Firma mit der Aktion die Patenschaft für Brunos Unterbringung in einem Wildgehege finanzieren, wie ihr Sprecher Marco Alfter sagt.

Limitiertes Sammlerobjekt

Auch namhafte Teddy-Hersteller nehmen sich posthum dem marodierenden Artgenossen ihres prominentesten Produktes an. Steiff tackert dem auf 2000 Exemplare limitierten "Charity-Bären" nicht nur die obligate Niete ins Ohr, sondern bindet dem Plüschtier auch noch einen schwarzen Trauerflor um den Hals.

Aufgrund des "überragenden Erfolgs" der 30 Zentimeter großen Variante legt die Firma gar mit einem doppelt so großen Kuschelbären nach. Konkurrent Schildkröt stickt ihrem "Bruno - mein Bärenfreund" die Limitierungsnummer in die Tatze ein, was ihn zum begehrten Sammlerobjekt adeln dürfte.

Die beiden Firmen spenden ebenfalls brav für die Bärenprojekte des WWF, wie schon die Bärenmarke-Molkerei, die einen Jeep sponsorte, mit dem österreichische Bärenanwälte Brunos Fährte nachspürten.

Das Prinzip Bruno

Für Unternehmen liegt es nahe, Profit aus aktuellen Ereignissen zu schlagen - vor allem wenn das eigene Firmensymbol plötzlich medienwirksam durch die Landschaft turnt.

haribo bruno

"Bruno-Braunbär", eine zeitgemäße Schaumgummi-Kreation.

(Foto: Foto: obs/HARIBO GmbH & Co. KG)

"Wenn man auf der maximalen Aufmerksamkeit für ein Phänomen wie Bruno surfen kann, bringt das Leben und Relevanz in die Marke. Und es ist natürlich wesentlich billiger, als das öffentliche Interesse selbst zu schaffen", sagt Karen Heumann aus dem Vorstand der Werbeagentur Jung von Matt. "Richtig gutes Wellenreiten", sei das - "wenn eine durchdachte Strategie dahinter steht".

Das Risiko dabei: Die Aufmerksamkeit bricht weg, und damit auch der Umsatz. "Will man mit einem Produkt oder einer Werbekampagne an aktuelle Ereignisse anknüpfen, braucht man ein stabiles Thema - sonst kann das der Marke sogar schaden", erklärt Karen Heumann.

Honigbatzen auf Schnappauf

Daisy-Memorabilien, nach dem gewaltsamen Tod des Münchner Modemachers Rudolph Moshammer ein Verkaufsschlager, dürften mittlerweile zu staubigen Ladenhütern geworden sein.

Backwaren und Biersorten, mit denen die Wahl von Kardinal Josef Ratzinger zum Papst in bares Geld umgewandelt wurden, kann man schon eher zusprechen, was Werber "strategische Reichweite" nennen - ein Haltbarkeitsdatum für die Erinnerung, das weit genug in der Zukunft liegt.

Im Fall der Ratzinger-Schnitten wird es mit dem Besuch Benedikts im September sogar eine Auffrischung erfahren. Unschlagbare Bestseller werden dieser Logik zufolge zweifelsohne Diana-Souvenirs bleiben.

Den Kultstatus der englischen Prinzessin wird Bruno selbstverständlich nie erreichen, noch aber ist der Braunbär in den Köpfen sehr präsent. Mehr als 65000 mal pro Tag etwa machten Internet- Nutzer in der vergangenen Woche mit Blasrohr und Betäubungspfeilen Jagd auf den Bären - in einem Online-Spiel, von dem mittlerweile die dritte Version erschienen ist.

In der punktet Bruno auf einer Wolke thronend, indem er Bayerns Umweltminister Schnappauf mit klebrigen Honigbatzen bewirft. Und einen Mausklick weiter, im eigens eingerichteten Kondolenz-Blog, prangern tief bewegte User zwar an, dass der tote Bär jetzt kommerziell ausgeweidet wird.

Offenbar vergeblich. Denn es ist unwahrscheinlich, dass Bruno je im Bärenhimmel zur Ruhe findet. Ausgestellt in einem Museum wird der renitente JJ1 über Artgrenzen hinweg zu einem dienstbaren Nutztier mutieren - als Cash Cow. So nennen Betriebswirtschaftler, zumindest bisher, ein etabliertes Produkt, dass stabile Gewinne abwirft und nur mehr gemolken werden muss.

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