Polizeiskandal in Wien:Freunde und Helfer im Korruptionssumpf

Dubiose Spenden, erlassene Strafzettel und im Mittelpunkt der "Verein der Freunde der Wiener Polizei": Der Skandal bei der Wiener Polizei weitet sich aus.

Michael Frank

Wenn einer mit rauchenden Reifen durch Wien stiebt oder mit seiner Protzgeländekarre auf Gehsteigen parkt, lohnt es sich, nach einer ganz bestimmten Plakette auf seiner Windschutzscheibe zu lugen. Vielleicht hat nämlich auf dieser Scheibe gar kein Strafmandat mehr Platz. Und es kann sein, dass die Beamten, die den Raser mit Tempopistole überführt haben, es bei einer strengen Ermahnung ohne alle Straffolgen bewenden lassen.

Liegt dem Führerschein noch zufällig der kleine Mitgliedsausweis des Vereins der Freunde der Wiener Polizei bei, der auch rotweißrot umrandete Scheibenplakette ausgibt, beflügelt das gewöhnlich noch mehr die pädagogische Weisheit der Beamten: Waren nicht Güte und Milde schon immer die besseren Wegweiser auf den Weg der Tugend als Zorn und Strafe?

Schlägt dennoch eine Radarfalle oder sonst ein Organ der öffentlichen Ordnung zu, dafür gibt es Adolf Wala und Adi Krchov, der eine Präsident, der andere Kassierer des Vereins der Freunde der Wiener Polizei. Die fragt man um Rat, was man tun soll. Und Wala und Krchov sagen dann, wer zuständig ist. Dafür ist der Verein ja da: Besonders gute Kontakte zwischen Polizei und Mitmensch zu schaffen, um die Akzeptanz der Behörde zu heben.

Zufällig bleibt dabei auch mal ein Strafmandat unbezahlt. Milliardäre etwa suchen solchen Rat. Und gerade erst hat die Wiener Stadtzeitung Falter enthüllt, dass auch der Chef der Wiener Staatsanwaltschaft und ein Redaktionsleiter der Neuen Kronen Zeitung bei privaten Verkehrsproblemen den Dienstweg nicht kennen. Sie hätten ihre Strafen natürlich bezahlt, versichern alle.

Dubioser Polizei-Freunde-Verein

Das mit dem Staatsanwalt hat es in sich: Er hat sich mit einem privaten Strafmandat in Höhe von 70 Euro noch an den Wiener Polizeigeneral Roland Horngacher gewandt, als seine Behörde bereits gegen den zweithöchsten Polizisten Wiens wegen Geschenkannahme, Amtsmissbrauchs und Verletzung des Amtsgeheimnisses ermittelte.

Horngacher wurde vor wenigen Tagen zu 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, was ihn Polizeiamt und Pension kosten kann, hebt der Oberste Gerichtshof den Spruch nicht auf. Unter anderem soll er persönlich einem Casinobetreiber im Prater unerbetene schwarze Besucher vom Hals geschafft haben. Hatten viele Wiener gehofft, dass mit der Verurteilung Horngachers der Polizeiskandal eine Ende findet, ist das Gegenteil der Fall: Er weitet sich noch aus.

Im Rahmen dieses Prozesses geriet der Polizei-Freunde-Verein ins Blickfeld, im Zwielicht steht er aber schon lange. Anfang der siebziger Jahre als Hilfsverein für notleidende Polizisten oder deren Hinterbliebene gegründet, wurde der Verein, mehr noch sein Zahlmeister Krchov, zum Angelpunkt eines eigenen Netzwerkes in Wiens sozialdemokratisch dominierten Sicherheitsapparat, ohne dass nur "Rote" die Nutznießer gewesen wären.

So haben die Reichen und Schönen und Wichtigen Wiens mit einer Spende oder Mitgliedschaft bestimmte Amtshandlungen zu beschleunigen verstanden. Beispielsweise hat die Skandalbank Bawag, um deren Beinahepleite ebenfalls gerade ein Prozess geführt wird, über Krchov polizeiliche Führungszeugnisse und ähnliche Akten in Windeseile besorgen lassen, um Geschäfte diskreter abwickeln zu können. Polizeibeamte beklagen, sie seien durch den Einfluss des Vereins so unter Druck geraten, dass oftmals Probleme Prominenter zu Problemen für den Polizeiapparat geworden seien.

Der Verein, der im Polizeihauptquartier residiert, hat großartige Investitionen getätigt, hat Feste ausgerichtet, und vieles mehr. Das alles bei einem Vereinsjahresbudget von kaum mehr als 200.000 Euro.

Spenden für eine freie Fahrt

Großsponsor war mal die Nationalbank in Wien, der Präsident Wala selbst einmal vorgestanden hat, oder die Stadt Wien: Deren Spenden summierten sich über die Jahre auf fast zwei Millionen Euro, mit der Begründung, Österreichs Verfassung verbiete es, dass eine Gebietskörperschaft der anderen mit Geld beispringt: Stadt und Land Wien dürfen also "ihrer" Polizei angeblich nicht helfen, weil diese dem Innenministerium, also dem Bund untersteht. So spendet man eben an den Verein, und der spendiert den Beamten dann etwa zwei Dutzend Computerplätze, renoviert ganze Polizeiwachen, oder übergibt eine ganze Autoflotte.

Alles ordentlich abgerechnet, sagen Wala und Krchov. Letzterer bewohnt zum Erstaunen der Wiener ein Penthouse neben dem Burgtheater, das wie der Luxuswagen der Gattin angeblich mit dem Verkauf unter anderem zweier Spielzeuggeschäfte seiner Frau bezahlt wurde. Als Kommissar - und einstiger "heimlicher Polizeipräsident" - hätte er sich das nie verdienen können, murren Kollegen. Die Reisegutscheine, die Krchov stets von der Bawag an "Freunde" weitergereicht hat, erscheinen wie Peanuts dagegen.

Die Wiener Polizei steht seit Jahren in der Gischt sich jagender Skandale, die im Zuge einer grotesken Polizei-"Reform" des früheren christsozialen Innenministers Ernst Strasser aufgeflogen sind. Dem "schwarzen" Strasser war die traditionell "rote" Struktur des Wiener Sicherheitsapparates ein Dorn im Auge, die zu knacken ihm gründlicher gelang als erhofft. Er brachte den jetzt verurteilte Horngacher und den damaligen Chef der Kriminalpolizei, Hofrat Ernst Geiger, als Konkurrenten um das Amt des Polizeipräsidenten gegeneinander auf.

Geiger neidete man besonders den Erfolg bei der Wiederbeschaffung der berühmten Saliera von Cellini aus dem Kunsthistorischen Museum. Daraufhin, so die Verschwörungstheoretiker, hängten Horngacher-Leute Geiger wegen Rotlicht-Beziehungen hin, er wurde wegen Amtsmissbrauchs verurteilt, der Spruch soeben vom Höchstgericht wieder aufgehoben. Dann hat die "Geiger-Partie" gegen die "Horngacher-Partie" zurückgeschlagen, so die Legende.

Erstaunliches Ergebnis: Hinter beiden tun sich Sümpfe auf, deren Gestank vorher niemandem in die Nase gestochen ist.

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