Polizeibericht zum Fall des erschossenen schwarzen Jugendlichen:Trayvon Martins Tod war "letztlich vermeidbar"

Hatte George Zimmerman - wie er selbst behauptet - keine andere Wahl, als in Notwehr zu schießen? Diese Frage beantwortet ein Polizeibericht zum Fall des getöteten Jugendlichen Trayvon Martin aus Florida. Andere Dokumente könnten den Chef einer Nachbarschaftswache entlasten.

Die Umstände seines gewaltsamen Todes haben in den USA eine Debatte über zu liberale Waffengesetze und Rassismus im US-Justizsystem ausgelöst. Jetzt beantwortet ein Polizeibericht zumindest einige der Fragen zum Fall Trayvon Martin, darunter scheinbar die drängendste: Der afroamerikanische Jugendliche hätte nicht sterben müssen, die Tötung des 17-Jährigen aus Florida sei "letztlich vermeidbar" gewesen, heißt es in dem Dokument, das die eingesetzte Sonderstaatsanwältin Angela Corey jetzt zusammen mit anderen Fallunterlagen und Fotos vom Tatort veröffentlicht hat.

George Zimmerman

Dem Autopsiebericht zufolge starb der US-Teenager Trayvon Martin durch einen gezielten Schuss ins Herz. Ein jetzt veröffentlichtes Foto vom Tatort zeigt eine Patronenhülse im Gras.

(Foto: AP)

Martin war am 26. Februar dieses Jahres in einem Wohnviertel der Stadt Sanford auf dem Heimweg von einem Drugstore erschossen worden. George Zimmerman, Chef einer Nachbarschaftswache, war der unbewaffnete Teenager im Kapuzenpulli verdächtig erschienen. Er gibt an, von dem 17-Jährigen bedroht worden zu sein und ihn in Notwehr getötet zu haben.

Den Ermittlern zufolge gibt es jedoch keinen Hinweis darauf, dass der Jugendliche zur Zeit des Vorfalls am Abend des 26. Februar in irgendeine kriminelle Handlung verwickelt war. Wäre der Schütze Zimmerman in seinem Fahrzeug geblieben und hätte auf die Polizei gewartet, wäre der Vorfall zu verhindern gewesen, heißt es weiter.

Blessuren an der Nase und blutende Wunden am Hinterkopf

Andere Stellen in dem 183 Seiten langen Bericht scheinen wiederum die Darstellung Zimmermans zu belegen, wonach er in Notwehr schoss. Ein Polizist, der ihn am Abend vernahm, wird mit der Aussage zitiert, Zimmerman habe aus der Nase und am Hinterkopf geblutet. Zudem sei sein Rücken nass und voller Gras gewesen, als habe er auf dem Boden gelegen. Auf Fotos vom Abend des 26. Februar ist Zimmerman mit kleineren Blessuren an der Nase und blutenden Wunden am Hinterkopf zu sehen.

Unter den jetzt veröffentlichen Dokumenten sind nach Informationen der New York Times auch der Autopsiebericht und die Ergebnisse einer toxikologischen Untersuchung von Trayvon Martin. Demnach starb der Jugendliche durch einen Schuss ins Herz. In seinem Blut und Urin wurden Spuren von Cannabis nachgewiesen. Der 17-Jährige war erst kurz vor dem tödlichen Zwischenfall nach Sanford gezogen, nachdem er wegen Besitzes von Marihuana von seiner Highschool verwiesen worden war.

Auch ein weiteres Detail könnte sich entlastend für Zimmerman auswirken: So geht aus den Unterlagen hervor, dass der Vater von Trayvon Martin bezweifelt, dass ein zum Tatzeitpunkt abgesetzter Notruf von seinem Sohn stammt. Die Mutter des Jugendlichen hatte hingegen ausgesagt, die Stimme in der Aufnahme sei die des 17-Jährigen. Der Vater von Zimmerman behauptet wiederum, sein Sohn sei in der Audiodatei zu hören. Ein eingesetzter FBI-Beamte konnte den Angaben zufolge nicht abschließend klären, wer in der Aufnahme um Hilfe ruft.

Auch konnte dem Bericht zufolge die Identität einer anonymen Anruferin bis heute nicht geklärt werden, die die Polizei auf Zimmermans rassistische Gesinnung hingewiesen hatte - nicht einmal zwei Tage nach dem tödlichen Vorfall. Der 28-Jährige sei aufgrund seiner Ideologie "imstande, eine Konfrontation anzuzetteln, die so weit eskalierte, dass Zimmerman gezwungen war, tödliche Gewalt anzuwenden", zitiert die New York Times aus der Aussage der unbekannten Anruferin.

Der Fall Trayvon Martin hatte in den USA eine Rassismus-Debatte ausgelöst, weil die Polizei Zimmerman nach einer vorübergehenden Festnahme zunächst wieder auf freien Fuß gesetzt hatte. Sie berief sich dabei auf ein Gesetz, das den Bürgern in Florida das Recht gibt, zu schießen, wenn sie sich ernsthaft bedroht fühlen. Nach heftigen Protesten nahm die Justiz Zimmerman schließlich wieder fest.

Die Staatsanwaltschaft erhob am 11. April Anklage wegen Totschlags, die Anklageschrift soll am 29. Mai öffentlich verlesen werden. Der derzeitige Aufenthaltsort von Zimmerman, der Morddrohungen erhalten hat, wird geheim gehalten. Bei einer Verurteilung droht ihm lebenslange Haft.

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