Polizei:Ein Querulant und ein mörderischer Plan

Als Polizist klagte Thomas Wüppesahl gegen alles und jeden, jetzt steht er wegen Verabredung zu einem Verbrechen vor Gericht.

Von Ralf Wiegand

Thomas Wüppesahl, 49, gilt in der Hamburger Polizei- und Justizszene als notorischer Querulant. Beamte, die über ihn sprechen, wollen nicht, dass ihr Name in der Zeitung steht - aus Angst, Wüppesahl würde sie sofort verklagen.

Polizei: Thomas Wüppesahl.

Thomas Wüppesahl.

(Foto: Foto: dpa)

Der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen, Gründer der Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizisten und einst fähige Wirtschaftskriminalist hat Erfahrung im Prozessieren. In seinen besten Zeiten war er in 25 Verfahren gleichzeitig verwickelt - aber noch nie in so ein großes:

Von diesem Freitag an verhandelt das Hamburger Landgericht gegen Wüppesahl wegen der Verabredung zu einem Verbrechen und eines Verstoßes gegen das Waffengesetz. Er soll vorgehabt haben, einen Geldboten zu töten und ihm den Arm abzuhacken.

Das passt gar nicht in die bisher so anstrengende, aber harmlose Gerichtskarriere des suspendierten Kripo-Beamten. Als ihn die Grünen aus der Bundestagsfraktion warfen, klagte er sich bis vors Bundesverfassungsgericht wenigstens in die Parlamentsausschüsse zurück.

Klauen, klagen, nötigen

Man warf ihm vor, Akten entwendet und Geheimnisse verraten zu haben, den Diebstahl von Socken, Nötigung im Straßenverkehr, solche Sachen. Als die "Kritischen Polizisten", eine Art moralische Selbsthilfeinstanz für den Polizeiapparat, pleite gingen, klagte er gegen die Insolvenz des Vereins.

Wüppesahl sammelte Prozessakten wie andere Leute Briefmarken, und immer glaubte er, im Recht zu sein. In detaillierten Abhandlungen, oft 20 Seiten lang und mehr, kommentierte er Prozesstag um Prozesstag. Computerausdrucke verschickte er in Rundbriefen an alle möglichen Medien, immer sorgfältig formuliert, immer akribisch formatiert.

Er, der kritische Polizist, war der Meinung: "Man will mich ausschalten." Als Mobbing-Experte tingelte er durch Talkshows des Landes, viele große Tageszeitungen porträtierten den schrulligen Prozesshansel.

Das härteste Urteil gegen Thomas Wüppesahl waren sieben Monate auf Bewährung - jetzt drohen ihm Jahre hinter Gittern für diesen, laut Staatsanwaltschaft ernsthaft gefassten Plan: Der Überfall auf einen Geldboten sollte im vorweihnachtlichen Berlin stattfinden, vor einem Einkaufszentrum.

Den Boten wollte Wüppesahl in aller Öffentlichkeit erschießen, der Leiche den Arm mit einem Fleischerbeil abhacken und mit dem Geldkoffer und der erwarteten Beute von ungefähr 400000 Euro in einem gestohlenen Wagen fliehen. Dazu hatte er sich einen Komplizen gesucht. Dieser Mann, ein ehemaliger Polizist, offenbarte sich allerdings früh der Polizei.

Schusswaffe und Hackebeil

Weitere Treffen der beiden wurden abgehört. Als Wüppesahl Ende Oktober 2004 Schusswaffe und Hackebeil bei seinem "Mittäter" abholen wollte, klickten Handschellen.

Eine Räuberpistole vermuteten viele hinter der Geschichte anfangs, denn ein solch primitives Verbrechen trauten nicht mal seine Feinde dem intelligenten Berufsquerulanten zu - sofern er nicht den Verstand verloren haben sollte.

Vor vier Wochen jedoch erhob die Staatsanwaltschaft Anklage auf 63 Seiten; sie meint es ernst. 25 Verhandlungstage hat die Große Strafkammer 22 angesetzt, zwölf Zeugen und einen Sachverständigen bestellt. Dem geplanten Mord lägen Habgier und Heimtücke zugrunde, heißt es.

Thomas Wüppesahl hat sich einen prominenten Anwalt genommen, Uwe Maeffert. Der Säuremörder von Rahlstedt, der Terminator von Wilhelmsburg oder der Shell-Erpresser "Garibaldi" - "große Fälle in der Hansestadt finden wie von selbst zu ihm", schrieb die Zeit über Staranwalt Maeffert. Zu Wüppesahls eigenartiger Prozesskarriere gehört auch, dass er solche Prominenz kennt - und sie ihm hilft. "Ich bin der Anwalt seines Vertrauens", sagt Maeffert.

Mehr sagt er nicht, "verstehen Sie das bitte." Thomas Wüppesahl hat unterdessen wieder eine Pressemitteilung verschickt, zwei Seiten diesmal nur, handschriftlich. Der Prozess gegen ihn ist demnach ein "haltloser Spuk", um ihn "bewusst und gezielt (endlich) aus dem Hamburger Polizeidienst zu entfernen". Absender: Thomas Wüppesahl, z. Zt. Untersuchungsgefängnis Hamburg, Station 62, Zelle 34.

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