Politisch aktive Schönheitskönigin:"Ich hatte alle gegen mich aufgebracht"

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Anastasia Lin im November 2015 am Flughafen von Hong Kong. (Foto: AP)

Anastasia Lin ist amtierende Miss World Canada. Ihre Kritik an China hat sie berühmt gemacht - und einsam.

Von Charlotte Theile

Die Kanadierin Anastasia Lin ist vermutlich die einzige Schönheitskönigin, die man zwingen muss, über Bademoden-Contests, High-Heels und Wohltätigkeits-Events zu sprechen. Die amtierende Miss World Canada hat andere Themen. Politisch verfolgte Minderheiten in China, Folter-Gefängnisse, Organhandel. Lin reist um die Welt, spricht vor Parlamenten, Journalisten und, wie bei diesem Treffen in Genf, vor anderen Menschenrechtsaktivisten.

International bekannt wurde Anastasia Lin erst vor einigen Monaten: Im November und Dezember 2015 fand der Miss World Contest auf der chinesischen Insel Hainan statt. Lin durfte nicht anreisen. Sie sei eine "Persona non grata", befand die Regierung - und machte die damals 25-jährige kanadische Schauspielerin damit zu einer weltweit beachteten Aktivistin.

Schon in den Wochen zuvor hatte Lin gezeigt, dass sie sich von ihrem früheren Heimatland nicht einschüchtern lässt. Als Reaktion auf ihre harsche Kritik wurde ihr Vater, der in China lebt, unter Druck gesetzt - und seine Tochter? Schrieb darüber in der Washington Post.

Öffentlichkeit als Schutz

Sie sagt: "Die Wochen danach waren die einsamsten Wochen in meinem Leben. Ich hatte alle gegen mich aufgebracht. Meine Freunde begannen, sich langsam von mir zu entfernen. Facebook war voller Hassnachrichten. Meine Eltern wünschten sich nichts mehr, als dass ich endlich aufhöre. Dann sagte mir mein Vater, er habe Besuch von chinesischen Sicherheitskräften bekommen." Erst habe sie ans Aufgeben gedacht, doch dann sei ihr klar geworden, dass es "das Schlechteste gewesen wäre, was ich hätte tun können." Ihr Schutz sei jetzt die Öffentlichkeit.

Diese Öffentlichkeit sucht Anastasia Lin auch, um über Falun Gong zu sprechen, eine chinesische Sekte, die seit 1999 verboten ist. Beim Interview in Genf - Lin war angereist, um bei einer Nichtregierungsorganisation zu sprechen, die den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen kritisch beobachtet - verteidigte Lin die Glaubensrichtung als harmlose Yoga-Bewegung. Die Bedenken, es handle sich um eine obskure Sekte, die an Dämonen und das dritte Auge glaubt, wischt sie weg: "Christen glauben, dass Jesus über Wasser gelaufen ist. Juden glauben, dass Moses das Meer geteilt hat. Diese Geschichten sind für westliches Publikum okay, weil sie zu ihrer Kultur gehören. Wenn es um östliche Religionen geht, fehlen diese kulturellen Referenzen."

Lesen Sie mit SZ Plus das Interview mit Anastasia Lin.

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