Platin-Hochzeit:70 Jahre Pflicht

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Die Queen und Prinz Philip - das Traumpaar der Briten ist in die Jahre gekommen. Jetzt feiern sie, wie man in Großbritannien sagt: Platin-Hochzeit. Zeit, einmal darüber nachzudenken, wie es in ihnen selbst aussieht.

Von Cathrin Kahlweit

Es werde nur ein Dinner im kleinen Kreis geben, hat der Palast verlauten lassen. Die Nation wird das sehr bedauern. Man hat ja sonst nicht so viel zu lachen im Königreich. Immer nur Brexit, hoch und runter; ein Times-Kolumnist hat soeben hochoffiziell festgestellt, der Brexit sei "boring", also langweilig. Da möchte man doch zumindest 70 Jahre Elizabeth und Philip feiern: die Platin-Hochzeit, wie man in Großbritannien sagt. Die steht nämlich an diesem Montag an. Aber die beiden Alt-Stars, 91 und 96 Jahre jung, wollen einfach ihre Ruhe haben.

Am 20. November 1947, kurz nach Kriegsende, hatte die junge und hübsche Elizabeth, von ihrem Liebsten "Lilibet" genannt, ihren gut aussehenden Marine-Offizier geheiratet, und die Briten waren außer sich gewesen vor Freude. So ein schicker Bräutigam, so eine schöne Braut, eine Liebeshochzeit, sie war seit Schulmädchentagen in ihn verknallt, was konnte es Schöneres geben? Dazu diese unfassbar elegante Robe mit der unfassbar langen Schleppe, Eleganz und Jugend und Hoffnung, verkörpert in zwei strahlenden Menschen so kurz nach dem Kriegselend: Es war eine Schau.

Seit sieben Jahrzehnten gemeinsam unterwegs: Queen Elizabeth II. und ihr Gemahl Prinz Philip. (Foto: Matt Dunham/dpa)

Man hätte das jetzt gern wiederbelebt, in Bildern, Filmausschnitten, Feierlichkeiten, Kutschfahrten, Jubel. Aber Lilibet und Philip sind müde. Anstelle einer Party gibt es Briefmarken und ein offizielles Foto. Eine Platinmünze wird zum Freudentag auf den Markt gebracht. Aber was ist eine Platinmünze gegen eine Platinhochzeit?

Sind ihnen zwischen den Lüstern, Lakaien und Lobhudeleien die Worte ausgegangen?

Die People-Magazine haben vorgearbeitet und schon vergangene Woche viele kleine Artikel mit großen Fotostrecken publiziert: Elizabeth und Philip bei der Trauung, mit den Kindern, auf Reisen. Aber es ist nicht dasselbe wie bei der silbernen Hochzeit, der goldenen Hochzeit, als die große Liebe noch zelebriert wurde; und auch die Geschichten werden langsam fahl, nutzen sich ab: Wie schockiert Philip war, dass sein Schwiegervater, George VI., so früh starb und beide, viel früher als erwartet, in das enge Korsett der royalen Existenz gezwängt wurden. Dass er seinen Beruf aufgeben musste und eine Art Lebensendlosbegleiter wurde. Warum er lange darum kämpfte, dass die Kinder seinen Namen tragen dürfen, weil das Männern wichtig ist. Wie er eine Rolle jenseits der Repräsentation suchte, weil ein Mann nun mal eine Männer-Aufgabe braucht. Dass er manchmal ausbrach aus dem Protokoll, auf lange Reisen ging, weil er sich nicht ausgelastet fühlte. Wie er dann zur allgemeinen Erleichterung zurückkam und wieder seine Rolle einnahm. Ein Womanizer, ein Abenteurer, das schon, aber einer mit Pflichtgefühl. Ein guter Typ, ein ganzer Kerl. Bis zum Schluss, bis er sich in diesem Sommer zurückzog. Er hatte genug.

Der Subtext in allen Texten, allen Bildgeschichten: der arme Mann. Mehr noch: Eigentlich und irgendwie kein echter Mann, sondern ein Schatten in Parade-Uniform. Rührend, dass er all das auf sich nahm. Man möchte nicht tauschen. Die meisten Männer hätten nicht so lange mitgespielt. Ein Held, der Haltung gewahrt hat.

Schade, dass es das royale Protokoll nicht erlaubt, den Ehemann einer Königin und Vater oder Großvater des künftigen Königs zu befragen: Wie haben Sie das ausgehalten? Waren Sie frustriert, genervt? Und wie sehen Sie sich selbst? Andererseits: Dieselben Fragen könnte man auch der Queen stellen. Haben Sie Ihr Leben satt, in dem Sie öffentlich nie eine Meinung haben, immer über den Dingen stehen sollen? Nie auf den berühmten Balkon treten dürfen, auf dem all die ikonografischen Familienfotos entstanden sind, und endlich in die Welt rufen, was Ihnen womöglich auf der Zunge liegt: Diana war eine dumme Pute, mein Sohn ist ein verwöhnter Pedant, meine Enkel sind nette, aber harmlose Buben! In Wirklichkeit reden Philip und ich selten miteinander; uns sind zwischen all den Lüstern, Lakaien und Lobhudeleien die Worte ausgegangen! Und ja, er hatte mehrere Affären, aber das habe ich geflissentlich übersehen. Ansonsten finde ich die Serie The Crown witzig, aber lieber schaue ich Ratesendungen. Und der Brexit wird super, das werden die vielen mediokren Demokraten aus unseren mediokren Nachbarländern auch noch begreifen . . .

Wird man alles nie hören. Aus dem Palast: Schweigen. Nur Rolle und Pose. Nicht mal, als der Shitstorm über die Queen hereinbrach, weil sie nach dem Tod ihrer Schwiegertochter zu spät nach London zurückkehrte und die Flaggen vor dem Palast nicht umgehend auf Halbmast gesetzt wurden, durfte sie sich selbst erklären. Immer nur Schlucken, Ducken, karge Statements verschicken. Vielleicht sieht Elizabeth deshalb so streng und kantig aus? Das unterscheidet sie übrigens schon lange von ihrem Mann, der sich zeitlebens die Aura eines charmanten Lebemannes mit notorisch guter Laune bewahrt hat. Der arme Mann? Die arme Frau!

An diesem Montag werden die beiden dinieren, einander zuprosten - und zu Recht finden, dass sie das gut und würdevoll gemacht haben. Egal, wie es in all den Jahren in ihnen aussah. Regierung und Parlament haben angesichts des fortgeschrittenen Alters der beiden Protagonisten respektvoll davon abgesehen, mit einer gloriosen Party für das Paar vom eigenen Elend abzulenken. Sie hoffen, dass die Brexit-Verhandlungen keine Platin-Hochzeit erleben.

© SZ vom 20.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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