Piercing, Tätowierung - und nun das Ritzen:Der schrille Schrei nach Liebe

Immer mehr junge Frauen bringen sich selbst schwere Verletzungen bei. Für manche ist es Ausdruck seelischer Not, für andere eine Modetorheit - das Schicksal eines Mädchens, das im Kreislauf des Schreckens lebt.

Von Cathrin Kahlweit

Ein paar Minuten schon sagt sie nichts mehr. Starrt auf den Boden, presst die Daumen auf ein kleines Plüsch äffchen, das sie fest umklammert hält, drückt bisweilen mit der Zunge von innen gegen das Piercing im Mund.

Zuckt mit dem linken Fuß, zuckt plötzlich schneller und schneller, beginnt am ganzen Körper zu zittern, reißt die Hände vor den Mund, als erschrecke sie vor etwas, was nur sie sieht, starrt dabei ins Leere. "Frau Wagner, sind Sie noch da?", ruft ihr Arzt, Ulrich Sachsse, "Frau Wagner, kommen Sie zurück!"

Inka Wagner, die natürlich anders heißt, kehrt zurück von jenem Ort in ihrem Kopf, an dem sie sich für ein paar Sekunden aufhielt - mühsam gelingt das nur und dauert ein kleines, unendliches Weilchen. Der Blick richtet sich wieder auf ihren Arzt, die Hände sinken langsam in den Schoß zurück, sie zittert noch ein wenig und sagt dann knapp, sie müsse mal raus. Kurze Pause, durchatmen.

Ulrich Sachsse, Oberarzt an der Fachklinik für Psychiatrie am Landeskrankenhaus Göttingen, ist alarmiert. "Frau Wagner, haben Sie eine Rasierklinge dabei?", fragt er und fügt dann lakonisch hinzu: "Ich möchte in der Toilette kein Blut aufwischen müssen." Eine Rasierklinge hat seine Patientin heute nicht dabei, auch kein Messer, keine Schere, die sie sonst meist benutzt, wenn sie die Oberarme zerritzt, die Unterarme zerschneidet.

In einer anderen Welt

Heute müssen statt einer Klinge die Fingernägel herhalten: Als Inka Wagner in das Büro ihres Psychiaters zurückkehrt, ist der Hals rot und aufgekratzt. Das reicht für den Moment, muss reichen, um jene unerträgliche Spannung abzubauen, die bei jenem unfreiwilligen Trip ins Innere entsteht, den Psychologen eine Dissoziation nennen:

Für kurze Zeit war Inka Wagner zu Besuch in der Vergangenheit und sah Bilder aus früheren, grauenhaften Tagen - nun muss sie einmal mehr den Körper zerkratzen, zerschneiden, Druck loswerden, so wie sie Erinnerungen loswerden will.

Die 29-Jährige schneidet sich bisweilen sehr tief ins eigene Fleisch, und das ist wörtlich zu nehmen. Als sie mit 14 Jahren damit begann, fügte sie sich anfangs oberflächliche Verletzungen zu. Seitdem bestraft sie ihren schmalen Körper für seine schiere Existenz und schafft sich damit eine Art Befreiung. Über viele Jahre hinweg hat sie ihn kontinuierlich zerstört mit Teppichmessern und mit Scheren, mit Brotmessern und manchmal auch mit einem heißen Bügeleisen.

Sie hat sich selbst den Arm gebrochen, hat Zigaretten auf der Haut ausgedrückt. Manchmal hat sie sich so tief in die Unterarme geschnitten, dass die weißen Sehnen herausschauten, manchmal mit der Schere ganze Muster in den Bauch geschnitzt. Ihre Arme sind Kraterlandschaften voller wulstiger, roter Narben und voller schmaler heller Streifen, wo Messerschnitte verheilt sind.

Fachleute nennen es eine Art von Sucht

Um die Handgelenke trägt sie Mullbinden, darunter sind frische Wunden versteckt. Immerhin: Seitdem sie bei Ulrich Sachsse, einem der führenden deutschen Spezialisten für Fälle wie den ihren, in Behandlung ist, ritzt sie nur noch zwei, drei Mal die Woche, früher tat sie das manchmal mehrmals am Tag.

Das sei doch ein Fortschritt, sagt sie zufrieden, sie will ja auch aufhören, will "ein lebenswertes Leben führen". Aber es ist noch ein weites Stück Weg zurückzulegen, bis sie psychisch so weit ist: "Mein Körper ist mir egal", sagt gerade sie, die doch eine Ausbildung als Krankenschwester hat. "Ich schaue mich nicht an."

Zehntausende junger Mädchen wissen, was das Ritual bedeutet, dem sich Inka Wagner ausgeliefert hat und ohne das sie auch nach acht Jahren psychiatrischer Behandlung nicht leben kann: Fachleute nennen es "selbstverletzendes Verhalten", nennen es eine Art von Sucht, die hilft, schlimme seelische Verletzungen zu ertragen.

Der schrille Schrei nach Liebe

Inka Wagner ist ein schwerer Fall, bei ihr hat sich der Drang zur Selbstverletzung "chronifiziert", ist zu einem Teil ihres Lebens geworden. "Ritzen" nennen es hingegen salopp die Teenager, und aus dem Mund von pubertätsgeplagten Mädchen klingt das fast harmlos, ja zärtlich, als sei Ritzen nichts Schlimmes, denn Kratzer verheilen ja schnell.

Wo Ärzte noch vor zwanzig Jahren in der Regel sexuellen Missbrauch oder schlimme Verwahrlosung hinter dem Ritzen und Schneiden vermutet haben, sind sie heute mit einer Massenbewegung konfrontiert, die oft weniger dramatische Ursachen hat, aber immer seelische Nöte bloßlegt.

Den Griff zum Messer und den Schnitt in Arm oder Bein kann man immer häufiger unter Heranwachsenden beobachten, er ist zur Jugendkrankheit geworden wie Magersucht oder Bulimie. Die Verstümmelung des Körpers ist kein Tabu mehr; Piercings, Tätowierung, Schönheitsoperationen sind bei Teenagern auf traurige Weise populär - nun also auch das Ritzen.

"Dramatische Zunahme von selbstverletzendem Verhalten"

Für die Mehrheit der Deutschen ist die Selbstverletzung des Körpers eine fremde Welt, nie gehört, nie gesehen, ist doch der Wahnsinn, auf was für Ideen junge Leute kommen. Dabei wird überall auf deutschen Schulhöfen, in deutschen Jugendzimmern geritzt; mindestens zwei Prozent aller Mädchen, auch viele Jungen haben es schon ausprobiert, sagen die Fachleute.

Eine "dramatische Zunahme von selbstverletzendem Verhalten" hat die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie registriert. Am Anfang ist es oft ein Gruppenritual, aber wenn einer aus der Gruppe dann merkt, dass das Ritzen Aufmerksamkeit verschafft und Zuwendung, oder vielleicht auf perverse Weise gut tut, dann kann das Experiment in eigener Sache eine schlimme Eigendynamik bekommen.

Erst jüngst, als sich die populäre Schauspielerin Jennifer Nitsch das Leben nahm, öffnete sich kurz der mediale Vorhang für diese merkwürdigen, selbstverordneten Qualen:

In den Nachrufen auf den Münchner Fernsehstar war zu lesen, welche Prominenten sonst noch ritzen - Angelina Jolie bekennt sich dazu, Lady Diana berichtete vor ihrem Tod öffentlich von Essstörungen und Selbstverletzungen, auch Romy Schneider suchte nach eigenen Aussagen Schmerz, um sich selbst zu spüren.

Die eine Freundin ritzt, weil die andere es macht

Bei den Jugendlichen bleibt es meistens beim Probieren: eine kurze Phase des Ritzens als Mutprobe, als Initiation zum Erwachsenwerden, wie es ja auch die Naturvölker tun, wenn sie zur Initia tion Jugendlichen die Haut tätowieren, die Zähne abfeilen.

Aber da ist mehr, ist auch der Ruf nach Liebe in dieser komplizierten Zeit der Pubertät, wenn der Körper merkwürdige Dinge tut und nichts ist, wie es sein soll.

Die eine Freundin ritzt, weil die andere es macht, manche Schülerinnen haben immer Mullbinden dabei, um ihren Klassenkameradinnen vor dem Unterricht noch schnell die Arme zu verbinden.

Meist wird die Sache nicht chronisch, nur die wenigsten brauchen dieses Gefühl so sehr und so lange wie Inka - das Gefühl, dass ein Schnitt die innere Spannung löst, dass das Blut den inneren Schmutz herauswäscht.

Sachsse, der auf die harten Fälle spezialisiert ist, betrachtet diese Entwicklung mit großer Sorge: "Ein normaler Jugendlicher probiert auch so was mal aus, weil er alles ausprobiert und weil es cool ist, Schmerzen zu ertragen. Aber diejenigen, die Stress schlecht verarbeiten, laufen Gefahr, dabeizubleiben."

Wie scharfe Kanten

Der Befund bei Inka lautet: "posttraumatische Belastungsstörung". Die Auswirkungen: Sie ist 1,80 Meter groß und wiegt 49 Kilo. Die Hüftknochen stoßen wie scharfe Kanten aus der Hose hervor. Trotzdem findet sich Inka Wagner zu dick. Sie ist magersüchtig.

Sie ist abhängig von Valium und anderen Medikamenten, sie hat eine Weile auch Trips eingeworfen, Drogen genommen. Sie hasst sich. Zustände wie jener im Büro von Sachsse, in denen sie in eine Art Trance verfällt und nur mit Mühe in die Gegenwart zurückfindet, sind nicht selten; ein Wort, eine Bewegung "triggern" sie an.

Der schrille Schrei nach Liebe

Dann befindet sie sich plötzlich wieder in einer Wohnung in dem Haus, in dem sie groß geworden ist, sie ist vier, oder sechs, oder zehn. Der Nachbar, der oft auf sie aufpasst, presst sie aufs Bett und vergewaltigt sie. Sie bekommt keine Luft, sie weint, aber sie schreit nicht, sie denkt, das muss so sein."Ich kannte es nicht anders."

Acht Jahre lang geht das so. Die Eltern trinken und sind nie daheim, keiner merkt etwas, keiner fragt etwas. Später, im Konfirmandenunterricht, ist der Pastor sehr nett, sie fasst Vertrauen. Alles Lüge, er missbraucht sie bei einer Konfirmandenfreizeit.

Damals, mit zwölf, hat sie angefangen zu hungern, später zu ritzen. Ihren Körper wollte sie zerstören für all jene Männer, die noch kommen würden. Und ihn gleichzeitig retten: "Selbstverletzung ist oft eine Form der Selbstfürsorge", sagt Sachsse.

"Das hätte ewig weiterbluten können," sagt Inka

Wer sich schneidet, weil er an einem schweren Trauma leidet, der benutzt ein Ventil, um inneren Druck abzulassen. In Phasen der absoluten Hoffnungslosigkeit oder Leere könne Ritzen wirken wie ein "Antidepressivum", so Sachsse, "besser als jedes Medikament".

Körpereigene Opiate werden ausgeschüttet, das Gefühl der Erleichterung tritt nach wenigen Sekunden ein wie bei einem Crack-Trip: Schnitt, Flash, Ruhe. Das bestätigt auch Inka Wagner: "Früher war ich, wenn ich mich geschnitten hatte, blendend drauf, das hätte ewig weiterbluten können. Ich war froh, dass es in meiner Macht steht, mir wehzutun. Das darf jetzt kein anderer mehr." Kein Nachbar, kein Pastor. Kein Vergewaltiger.

Ihr Fall könnte so in jedem Lehrbuch der Psychiatrie stehen: Der Misshandlung folgt die Selbstverletzung. Die Therapie ist weniger eindeutig, denn diese Krankheit ist eine hartnäckige Begleiterin, die sich nur ungern auf Nimmerwiedersehen verabschiedet. Ulrich Sachsse ist schon froh, dass die große Mehrheit seiner Patientinnen selbstständig, ohne Selbstgefährdung leben kann und nicht mehr - oder zumindest kaum noch - ritzt.

Er versucht es mit einer Traumatherapie, bei der sich die Patientinnen - 267 Frauen stehen derzeit auf seiner Warte liste - einer "ziemlichen Viecherei aussetzen"; sie lernen, in Begleitung eines Therapeuten die Szenen, die sie peinigen, noch einmal zu durchleben, um sie besser aufzuarbeiten, mit ihnen umgehen zu lernen.

Um das zu ertragen, müssen sie sich zuvor einen "inneren Ort" suchen, an den sie sich in ihrer größten Verzweiflung retten können. Inka stellt sich, wenn es ihr ganz schlecht geht, eine dunkle, warme Höhle vor, in der Kerzen brennen. Der Eingang wird von großen, starken Teddybären bewacht. Auch einen "inneren Helfer" muss sie sich erfinden, der sie ständig begleitet.

Liebe? Das Wort würde Susanne nie benutzen

Inka hat sich einen Engel ausgesucht. "Zu ihm kann ich mich flüchten, er beschützt mich." An ihre Tür im Krankenhaus hat sie eine kleine Postkarte gehängt, auf der ihr Wahlspruch steht: "Kinder, die man liebt, werden Erwachsene, die lieben."

Liebe? Das Wort würde die 18-jährige Susanne Rieger nie benutzen. Viel zu viel Pathos, zu viel Emotion. Das junge Mädchen ist in vielem das Gegenteil von Inka Wagner: kindlich, wortkarg, ratlos. Abweisend, sehnsüchtig. Susanne ist keine einfache Patientin. Sie spricht so leise, dass man ganz nah heranrücken muss, um sie zu verstehen.

Sie nimmt keinen Augenkontakt auf, schaut immer auf den Boden. Sie trägt eine schwarze, unvorteilhafte Brille, schwarze Kleider und reißt, während sie flüstert, unentwegt an der Nagelhaut ihrer schwarz lackierten Fingernägel. Eigentlich will sie Regisseurin werden - aber wie soll das gehen, wenn sie doch mit niemandem spricht?

Dieses Häuflein Elend mit kühler Fassade sucht derzeit Hilfe auf der Station für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Tübingen. Als sie mit 15 zu ritzen begann, war sie ein typischer Durchschnittsteenager - unglücklich mit ihrem Körper, ein wenig zu pummelig, einsam, unverstanden.

Der schrille Schrei nach Liebe

Ihr Vater sei hassenswert, sagt sie, ihre Mutter habe meistens weggeschaut, wenn es ihr schlecht ging. Angefangen hat alles mit kleinen Experimenten der Selbstbestrafung: "Als meine Freundin mal sauer auf mich war, habe ich mir einen heißen Draht auf die Haut gedrückt."

Danach schlug sie sich selbst mit einem Stock. Dann kam das Messer, "so eines, mit dem man Kartons schneidet." Ihre Freundin hat das auch gemacht, "ich wollte wissen, wie sich das anfühlt". Anfangs ritzte sie selten, dann täglich, anfangs so, dass das Blut schnell gerann, später so tief, dass die Wunden unübersehbar wurden.

"Meine Eltern haben es zwar gesehen, aber ziemlich lange nicht geblickt." Als sie begann, sich die Handgelenke an den Pulsadern aufzuschneiden, habe ihre Mutter gesagt: "Besprich das mit deiner Therapeutin."

Zu diesem Zeitpunkt hatte Susanne auch eine Essstörung, aß und erbrach, aß und erbrach. Sie entwickelte eine massive Sozialphobie, ging nicht mehr unter Leute, nicht mehr in die Schule. Seit einem Jahr ist sie nun in Tübingen bei Gunther Klosinksi in Therapie, der die Kinder-und Jugendpsychiatrie an der Universitätsklinik leitet.

Klosinski, der wie sein Kollege Sachsse in Göttingen Spezialist für selbstverletzendes Verhalten ist, sieht in seiner Patientin in mancher Hinsicht einen typischen Fall: typisch, weil die einsame junge Frau Aufmerksamkeit erregen will, und das funktioniert makabererweise ja gut, wenn sie sich verletzt, wenn ihr Blut fließt - auch wenn die Zuwendung derzeit vor allem von Therapeuten und Krankenschwestern kommt.

Aufhören wäre schön

Typisch auch, weil die Entwicklung der Krankheitsgeschichte eine klassische moderne Pubertätsgeschichte dokumentiert: "Viele Jugendliche zeigen ihre Wunden und laufen als lebender Vorwurf an die Gesellschaft herum", so der Psychiater. Susanne findet derweil, Ritzen und Schneiden sei zwar ein Problem, denn sie würde gern aufhören, würde gern mal wieder mit einem kurzärmeligen T-Shirt Einkaufen gehen.

Aber das würde bedeuteten, den Schutzraum Krankheit, den Schutzraum Klinik aufzugeben: "Schneiden ist nicht merkwürdig. Ich bin doch selbst so merkwürdig." Ob sie sich ändern will? Offener werden? Rausgehen? Nein, das will sie nicht. "Weil ich dann ein anderer Mensch wäre."

Aufhören wäre schön. Dennoch wird Ritzen auf der Station geduldet: Schließlich ist es keine Willensentscheidung, einfach mal Schluss zu machen; die Sucht nach dem Schnitt und dem Blut braucht einen Entzug, wie jede andere Abhängigkeit auch.

Der schrille Schrei nach Liebe

Viele Therapeuten versuchen es mit Ersatzstoffen, die den Körper nicht zerstören, halten Chilischoten zum Draufbeißen bereit oder Tabasco zum Trinken, Ammoniak zum Riechen oder Coolpacks, mit denen die Haut vereist wird.

In Tübingen versucht man es langfristig mit einer Art Verhaltenstherapie: Die innere Spannung soll mit anderen Mitteln abgeführt werden als mit der Selbstverletzung, mit Boxen, mit Malen, mit Musik, wesentlich aber sei, so Klosinski, die "Selbstadoption". "Die Patienten müssen lernen, ihren Körper, ihr Ich anzunehmen."

Susanne Rieger ist damit eigentlich schon recht weit - wenn auch nur auf dem Papier. Die 18-jährige schreibt derzeit an einem Roman, 800 Seiten sind schon fertig. Die vier Hauptpersonen, sagt sie, seien die vier Teile ihres Ich:

"Das kleine Kind in mir ist doch an allem schuld"

Da gibt es eine Anführerin, ein ängstliches kleines Kind, ein freches Mädchen und eine Frau mit übersinnlichen Fähigkeiten. Die Zusammenarbeit der vier ist ihr wichtig , denn der Plan ist, so steht es auf der ersten Seite, "die Leere" zu füllen. So will sich Susanne selbst therapieren.

Auch Inka Wagner füllt zur Zeit eine leere Stelle in ihrem Inneren - jenen Ort im Gedächtnis, an dem bei anderen Menschen die Erinnerung an eine glückliche Kindheit wohnt. Sachsse hat ihr aufgetragen, Erfahrungen nachzuholen, die sie nie hatte: Märchen lesen, Kinderlieder singen.

"Das geht noch nicht sehr gut", sagt sie ein wenig schuldbewusst, denn sie möchte alles richtig machen, bitte, bitte schnell wieder normal werden. "Das ist sehr schwer für mich, weil: Das kleine Kind in mir ist doch an allem schuld. Ich denke immer, wenn ich anders gewesen wäre, wäre das alles nicht passiert."

Ulrich Sachsse findet, Inka Wagner sei sehr stabil, aber fertig sei sie mit der ganzen Sache noch lange nicht: "Behandeln kann man bei selbstverletzendem Verhalten nie das Symptom, nie das Ritzen an sich. Das hört erst auf, wenn die Ursache verarbeitet ist."

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