Peter Alexander wird 80:Es schnurrdiburtt

Als Klischeeübersollerfüller begann der schnell abgebrochene Schauspielschüler seinen Aufstieg, schlagerte und klammottierte durch achtzig Filme und hundert Platten.

Willi Winkler

Früher war alles schöner, früher war die Heide grün und der Förster traf im Silberwald keine ausgewilderten Bären, sondern die Fischerin vom Bodensee oder die Zwillinge vom Immenhof. Das waren die neuerdings so goldenen Fünfziger, in denen der Bundeskanzler Adenauer die Geistesschlichtheit zur ersten Bürgerpflicht erhob. Die Unterhaltungsindustrie folgte dem Kommando aufs Wort, und das Volk, das eben noch aufstehen und wie ein Sturm losbrechen sollte, das dafür ausgebombt und auf Lebensmittelkarten gesetzt wurde, durfte sich endlich wieder seines Lebens freuen.

Das Volksertüchtigungsprogramm der dreißiger Jahre, Kraft durch Freude, vollendete sich im Aufbaufleiß der fünfziger. Beim Wegräumen der Trümmer, beim Verschlingen tellerüberlappender Schweinebraten und beim Umbringen von Edel-Nutten wie der Rosemarie Nitribitt kamen die "Beine der Dolores" und ihr Troubadour, der Wiener Sängerknabe Peter Alexander, deshalb wie gerufen. Peter Alexander Ferdinand Maximilian Neumayer wurde 1926 in Wien geboren.

Das kritische Bewusstsein denkt beim Wien der Zwischenkriegszeit an Karl Kraus und Doderer, an Freud und vielleicht auch an den merkwürdig verblassten Hofmannsthal, und will nichts wissen von der bewusstseinstötenden Heurigenseligkeit, von Robert-Stolz-Seim und jener todbringenden Gemütlichkeit, von der Horváths "Geschichten aus dem Wiener Wald" erzählen. In diesem kitschtrunkenen Wien fliegen keine schwarzen Würmer in der Luft, sondern da dreht sich ewig das Riesenrad im Prater, während in der Kulisse die Zither aus dem "Dritten Mann" jammert.

Als Klischeeübersollerfüller begann der schnell abgebrochene Schauspielschüler seinen Aufstieg, wurde über die Grenzen Wiens hinaus berühmt und schlagerte und klammottierte durch achtzig Filme und hundert Platten. In besseren Momenten beherrschte er die Illusion, das sei gar nicht er, er spiele nur den Lustikus und ewig jungen Schwiegersohn, den Peter Alexander, dem alle Frauenherzen zuflogen, während er doch Augen nur für sein ewiges Hildchen hatte.

Es schnurrdiburtt

Mit erstaunlicher Leichtigkeit trippelte er auf der aus amerikanischen Musicals geliehenen Showtreppe, parodierte zwischen Hans Moser und Boris Becker alles mit gleicher Nonchalance, spielte selbstverständlich auch Charleys Tante und überzeugte (wie die Theaterkritiker sagen) als Graf Bobby: einschichtig, großäugig, mit Resten vergangener Größe. Das war das gute alte Österreich, ein bisschen debil, aber gnadenlos exportfähig, wenn auch nur bis an die Westgrenze des Altreichs.

Seichtmeister Dieter Bohlen und selbst Dieter Thomas Heck verzwergen vor Peter Alexander, der die Zuschauer zu Beginn der siebziger Jahre massenhaft vor den Fernseher saugte. "Peter Alexander präsentiert Spezialitäten" hieß die ZDF-Sendung, die eine Einschaltquote von 78 Prozent erreichte.

Aber da war die Ölkrise, da herrschte Fahrverbot am Sonntag, wie er selber einschränkte, und genau daher kam sein Erfolg, dass diese Wirklichkeit - Energieverbrauch, Ölkonzerne, Arbeitskämpfe, Inflation, Kalter Krieg oder was sonst in den Zeitungen verhandelt wurde - nicht zu seinen Spezialitäten gehörte und in seiner schönen feinen Welt nichts zu suchen hatte.

Er sah angenehm aus, sang auch so, ein bisschen mager war er vom Krieg her, so hoch aufgeschossen, dass ihn sein Regisseur Franz Antel bei der ersten Rolle gebückt gehen hieß. Das verbindet. Schunkelnd, als säßen alle dreißig Millionen Fernseh-Deutschen mit in der Grinzinger Laube, erzählte er ihnen von der kleinen Kneipe in unserer Straße, in der das Leben noch lebenswert sei. So tautologisch ließ man sich die Welt und das Bedürfnis, von ihr in Ruhe gelassen zu werden, aber schon sehr gern erklären.

Ein Spitzwegerich war Peter Alexander privat erst recht, weshalb er sich auch nie zum Volk in die Wirtschaft gesetzt hätte. Lieber ging er angeln oder sah aus dem Fenster, immer in Gesellschaft seiner Frau, die bei Interviews für ihn antwortete und ihn zur Arbeit antrieb. Zwischen den beiden schnurrdiburtte und schnuckelte und haselte und watschelte und kuschelte es nur so, das reine Idyll, also die Hölle.

Gelegentlich ließ er sich darin vom Springer-Philosophen Peter Bachér besuchen, und gemeinsam sannen sie beim Blick auf die Enten draußen auf der Terrasse über Tod, Vergänglichkeit und die Quotensucht der modernen Welt nach. Ja, früher, als die Menschen noch an den deutschen Schlager und an den lieben Gott glaubten, der ihnen in der kleinen Peter-Alexander-Kneipe im Bierfilzl erschien: "Die Rechnung, die steht auf dem Bierdeckel drauf, doch beim Wirt hat jeder Kredit."

Es war das Grauen, aber wer kann ihm schon bös sein? Heute wird Peter Alexander achtzig Jahre.

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