Pennsylvania:Scharmützel vor dem Prozess gegen Bill Cosby

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Der US-Schauspieler muss sich wegen sexueller Belästigung vor einem Gericht in Pennsylvania verantworten. (Foto: dpa)
  • Am 5. Juni beginnt der Prozess gegen Bill Cosby wegen sexueller Nötigung.
  • Insgesamt 57 Frauen beschuldigten Cosby öffentlich, dass er ihnen Drogen verabreicht und sie sexuell belästigt oder gar missbraucht habe.
  • Die Frau, deren Fall nun verhandelt wird, hatte Cosby bereits vor mehr als zehn Jahren angezeigt.

Von Jürgen Schmieder, Norristown

Wer den Anwalt Brian McMonagle in den vergangenen Wochen beobachtet hat, wie er seinen Mandanten vorsichtig vom Auto ins Gerichtsgebäude geführt, wie er bei seinen Argumentationen aus Theaterstücken wie "A Man for All Seasons" von Robert Bolt zitiert und wie er seine Fragen und Forderungen mit gewaltigen Gesten unterstützt hat: Wer all das gesehen hat, der weiß, dass es bei diesem Prozess nicht nur darum geht, ob der Schauspieler Bill Cosby im Januar 2004 der Uni-Angestellten Andrea Constand Drogen verabreicht und sie danach sexuell belästigt hat. Er weiß auch: Dieser Prozess beginnt nicht an diesem Montag, er wird bereits seit knapp zwei Jahren geführt.

Als gesellschaftliche Debatte begann der Fall im Oktober 2014, als der Komiker Hannibal Buress während einer Vorstellung in Philadelphia sagte: "Du vergewaltigst Frauen, Bill Cosby, also mach' dich mal ein bisschen locker." Die Aussage verbreitete sich erst auf sozialen Netzwerken und entwickelte dort wie so oft eine Eigendynamik: Es wurde diskutiert, ob diese Gerüchte, die in Hollywood seit Jahrzehnten als eine Art Aufnahmeritual für Neuankömmlinge (wer sie kennt, darf sich als Einwohner fühlen) existieren, vielleicht doch wahr sein könnten.

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Mehr als 60 Frauen beschuldigen ihn, beim ersten Prozess können sich die Geschworenen nicht einigen, beim zweiten wird er wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt. Nun ist Cosby wieder frei - aufgrund eines Verfahrensfehlers. Eine Chronologie.

Ist Bill Cosby vielleicht doch nicht dieser wunderbare Typ, den alle aus dem Fernsehen kennen, sondern ein ganz übler Kerl? Insgesamt 57 Frauen beschuldigten Cosby öffentlich, dass er ihnen Drogen verabreicht und sie sexuell belästigt oder gar missbraucht habe.

Polizei hielt Aussagen der Klägerin zunächst nicht für strafrechtlich relevant

Die meisten der Fälle sind so lange her, einige gehen bis ins Jahr 1965 zurück, dass Cosby dafür nicht mehr juristisch belangt werden kann. Oftmals fehlten Beweismittel, bisweilen waren die Aussagen der Frauen derart vage, dass sie für eine strafrechtliche Verfolgung nicht ausreichten.

Es gibt einige Zivilklagen, bei denen es jedoch nur um Geldstrafen geht und nicht darum, ob Cosby ins Gefängnis muss. Dieser Prozess in einer Kleinstadt im US-Bundesstaat Pennsylvania ist der einzige, bei dem Cosby strafrechtlich verfolgt wird. Bei einer Verurteilung droht eine Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren.

Dass es überhaupt dazu gekommen ist, liegt zunächst einmal daran, dass Constand ein Jahr nach der vermeintlichen Tat zur Polizei gegangen ist. Die Staatsanwaltschaft hielt die Aussagen damals nicht für strafrechtlich relevant und strengte keine Ermittlungen gegen Cosby an. Constand reichte deshalb Zivilklage gegen Cosby ein, das Verfahren wurde im Jahr 2006 gegen die Zahlung einer nicht publik gewordenen Summe eingestellt. Dabei wurde auch vereinbart, dass Details der Ermittlungen nicht an die Öffentlichkeit gelangen und Constand nicht öffentlich über den Fall spricht.

Cosby hatte einst zugegeben, dem Opfer Schlafmittel verabreicht zu haben

Im Dezember 2015 wurde Kevin Steele zum Staatsanwaltschaft von Montgomery County gewählt. Er hatte zuvor angekündigt, Cosby strafrechtlich verfolgen zu wollen - ein aufgrund der öffentlichen Debatte wirksames Wahlversprechen. Kurz vor der Verjährungsfrist nahm er die Ermittlungen gegen Cosby wieder auf und sorgte dafür, dass eine pikante und für den Strafprozess relevante Aussage von Cosby unter Eid freigegeben wurde, die aufgrund der außergerichtlichen Einigung unter Verschluss gehalten wurde. Eine Abschrift der Aussage liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

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Cosby gab damals zu, dass er Constand das Schlafmittel Methaqualon verabreicht und sie danach "an der Stelle, an der man in die Hose gelangt", berührt habe: "Ich habe nicht gehört, dass sie was gesagt hat. Ich habe weiter gemacht und bin in diesen Bereich gelangt, der zwischen Erlaubnis und Ablehnung war. Ich wurde nicht aufgehalten."

Auf die Frage, ob er sich Methaqualon besorgt habe, um mit jungen Frauen zu schlafen, da antwortete Cosby: "Ja." Diese Aussage steht im Widerspruch zur Behauptung von Cosby, dass er und Constand eine romantische Beziehung geführt und die sexuellen Kontakte im gegenseitigen Einverständnis stattgefunden hätten.

Um diese Aussage wurde monatelang heftig debattiert, erst im vergangenen Monat entschied Richter Steven O'Neill, dass sie beim Prozess zugelassen wird. Das war ein Erfolg für die Staatsanwaltschaft, die nicht nur beweisen möchte, dass Cosby sein vermeintliches Opfer sexuell missbraucht hat, sondern dass er die Tat geplant und ohne Reue durchgeführt hat.

Steele will Cosby als Menschen darstellen, der aufgrund seiner Prominenz und seines Reichtums gedacht hatte, über dem Gesetz zu stehen. Er wollte 13 Frauen in den Zeugenstand rufen, die allesamt bereit waren, gegen Cosby auszusagen. Richter O'Neill allerdings wird nur eine weitere Zeugin zulassen.

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Verteidiger McMonagle erwirkte, dass während der Gerichtsverhandlung zwar die Aussage von Cosby verlesen wird, jedoch nicht über den Zivilprozess selbst und die Einigung gesprochen werden darf. Es gelang ihm zu verhindern, dass Auszüge aus Interviews vorgelesen werden, in denen Cosby über K.o.-Tropfen in Getränken von Frauen spricht. Und er schaffte, dass die Geschworenen nicht aus Norristown kommen, sondern aus dem 500 Kilometer entfernten Pittsburgh.

"Ich fürchte, dass mein Mandant aufgrund seiner Hautfarbe vorverurteilt werden könnte", sagte McMonagle über den Versuch, Geschworene aus möglichst vielen Gesellschaftsschichten und mit unterschiedlicher Hautfarbe zu rekrutieren. Seine Kollegin Angela Agrusa ergänzte: "Ich kenne keinen Fall, bei dem die Öffentlichkeit einen Angeklagten derart geschlossen für schuldig hält."

Über die Geschworenen ist wenig bekannt

Gewöhnlich werden bei diesen Verfahren laut Gerichtssprecher etwa 150 Menschen als mögliche Geschworene geladen, bei diesem Prozess waren es 2934. Laut der amerikanischen Verfassung hat der Angeklagte das Recht auf einen fairen und vorurteilsfreien Prozess, das ist freilich schwierig bei einer Berühmtheit wie Cosby.

Staatsanwaltschaft und Verteidigung durften die möglichen Geschworenen intensiv befragen - ob sie Fans von Cosby sind, ob Angehörige vergewaltigt wurden oder ob sie Rassisten sind - und teils ohne Begründung ablehnen. Nun gibt es zwölf Geschworene, über die nur wenig bekannt ist: sieben Männer. Nur drei Personen, die älter sind als 40 Jahre. Zwei Afroamerikaner.

Es geht nun, nach fast zwei Jahren Ermittlungen und teils heftigen Verhandlungen, endlich los bei diesem Prozess. Cosby hat in einem Radio-Interview vor zwei Wochen bereits angekündigt, während der Verhandlung nichts sagen zu wollen: "Ich will nicht darüber nachdenken müssen, ob ich mit einer Aussage meine Anwälte in Schwierigkeiten bringen könnte." Es dürfte deshalb viel davon abhängen, was die Frau zu berichten hat, die sich aufgrund der Klausel bei der außergerichtlichen Einigung im Zivilverfahren seit mehr als zehn Jahren nicht zu dem Fall geäußert hat - und die sich trotz der Klausel äußern darf, weil es sich um einen Strafprozess handelt.

Warum hat das Opfer Geschenke von Cosby angenommen?

"Die Aussage von Constand muss unangreifbar sein, weil es kaum andere Beweismittel wie etwa DNA-Spuren oder Sperma auf einem Kleid gibt", sagt David Harris, Jura-Professor an der University of Pittsburgh und auf Fälle spezialisiert, bei denen die Hautfarbe eine Rolle spielt: "Es ist gefährlich für die Verteidigung, sich allein auf Rassismus zu konzentrieren. Das kommt während der Verhandlung einer Handgranate gleich: Niemand weiß, wen die Splitter letztlich treffen werden. Die Verteidigung dürfte deshalb eher versuchen, Constand als unglaubwürdig darzustellen."

Es wird erwartet, dass McMonagle die entscheidenden Fragen nicht ohne Leidenschaft vortragen wird: Warum hat Constand ein Jahr lang gewartet, ehe sie zur Polizei gegangen ist? Warum hat sie sich auch nach der fraglichen Nacht mit Cosby getroffen? Warum hat sie nicht nur das Geld aus dem Zivilprozess genommen, sondern auch Geschenke von Cosby akzeptiert? McMonagle dürfte seinen Mandanten als Promi darstellen, der zwar zahlreiche Affären hatte, die jedoch allesamt einvernehmlich waren. Die Zivilklagen hat er bereits als die Rache geldgieriger Frauen abgetan.

Im Prozess geht es auch um Rassismus und Sexismus

Staatsanwalt Steele hat sich in den Anhörungen und Verhandlungen vor dem Prozess als ebenbürtiger Gegner McMonagles erwiesen. Er ist kein besonders begabter Schauspieler und auch niemand, der Dichter zitiert oder wild gestikuliert. Er porträtiert Cosby nüchtern und mit allerlei juristischen Fachbegriffen als jemanden, der seinen exponierten Status als Berühmtheit missbraucht und sich seit Jahrzehnten mit allerlei juristischen Scharmützeln gegen die strafrechtliche Verfolgung seiner Untaten wehrt. Nur: Steele muss beweisen, dass es überhaupt eine Untat gegeben hat. Für Cosby gilt wie für jeden Angeklagten die Unschuldsvermutung.

Wer die Verhandlungen vor diesem Prozess verfolgt hat, der weiß, dass es in den kommenden zwei Wochen um Rassismus und Sexismus gehen wird, um die Rolle sozialer Netzwerke und der Medien bei der Vorverurteilung eines Menschen, der möglicherweise unschuldig ist. Um die Macht berühmter Menschen und die Ohnmacht von Opfern sexueller Straftaten. Das freilich lässt befürchten, dass dieser Prozess nicht vorbei ist, wenn das Urteil gesprochen sein wird.

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