Party:Jederzeit breit

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Guam ist klein, es hat keine Berge und keine Eisenbahn. Aber zwei Militärstützpunkte. Und ein ziemlich wildes Nachtleben. (Foto: Justin Sullivan/Getty Images,)

Atombrüste, Sexbomben und Soldaten: Auf der Pazifikinsel Guam wird momentan gefeiert, als hätte es eine Angriffsdrohung aus Pjöngjang niemals gegeben.

Von Arne Perras, Tumon Bay

Spazieren auf der Pale San Vitores Road. Salzige Nachtluft, ein lauer Wind weht vom Meer herüber, rechts ein Luxushotel, links bunt blinkende Bars und Clubs. Dies also ist Amerikas Brückenkopf im Pazifik, den Nordkoreas Diktator Kim Jong-un vergangene Woche noch in Feuer hüllen wollte, es dann aber doch vorzog, die Entscheidung über einen Knopfdruck noch ein wenig aufzuschieben.

Guam, umspült von den Wogen eines endlos erscheinenden Ozeans. Aufgerüstetes Lummerland, ohne Eisenbahn zwar und ohne hohe Berge. Aber dafür haben die Amerikaner, die 1898 die Insel den spanischen Kolonialherren abjagten, zwei große Militärstützpunkte gebaut. Im Norden stößt man auf Zäune der Luftwaffenbasis mit Langstreckenbombern, im Süden liegt der abgeschirmte Marine-Stützpunkt mit nuklear betriebenen U-Booten.

Und in Tumon Bay? Brummt das Nachtleben, vergnügen sich Touristen wie US-Soldaten, als hätte es eine Drohung aus Pjöngjang nie gegeben. Kurz nach Mitternacht: Auch die letzten südkoreanischen Familien sind mit ihren Strandeimern und Kindern in den Hotels verschwunden, es röhren vor den Bars die aufpolierten Harleys. 6000 fern der Heimat stationierte US-Soldaten wollen an den Wochenenden unterhalten sein, die Kneipe "Slippery Fish" ist brechend voll, eine grölende Menschentraube quillt aus der Tür heraus, einer fällt und versucht, auf allen Vieren zurück zum Tresen zu kriechen. Ein Stockwerk darüber winkt ein bulliger Türsteher Kunden ins "Viking". Neben dem Eingang sind knapp bekleidete Wikingerinnen an die Wand gemalt. Sie tragen Helme mit Hörnern. Und ihr Blick sagt so viel wie: Komm schon, Kleiner, wenn du dich traust. Kräftig gebaute Jungs mit kahl geschorenen Köpfen stehen Schlange. Aus den Lautsprechern tönen die Eagles. "Hotel California." Ein paar Jungs von der Airforce sitzen vorne links, daneben japanische Touristen. In der zweiten Reihe drängeln lärmende Matrosen der US-Navy, sie haben schon kräftig getankt, auch wenn die Drinks hier teuer sind - "feiern Junggesellenabschied oder so", sagt einer von der Airforce. Sollte es Sorgen über Nuklearraketen geben, sind sie hier schnell verflogen, im Viking's heften sich die Blicke auf meist blonde, vom amerikanischen Festland eingeflogene Sexbomben, die peu à peu ihre Hüllen fallen lassen.

Ein Stammgast von der Luftwaffe, nennen wir ihn Jeff, nuckelt etwas gelangweilt an seiner Bierflasche und blickt nur gelegentlich hoch, wenn wieder mal nackte Brüste vor seiner Nase baumeln. Sein Freund, der noch nicht so lange auf Guam stationiert ist, wirkt schon fleißiger, er faltet die Eindollarscheine akribisch zu Papierfliegern. Und wenn sich eine Tänzerin in seine Nähe windet, lässt er die Mini-Jets - quasi im Geschwader - über den Tisch segeln, auf dass die Nackte noch etwas näher zu ihm herüberkrieche.

Doch was ist das? Plötzlich hebt Gebrüll an, schon wird ein Kerl namens Roger von zwei Ladies auf den Tisch gezogen. Er muss sich dort oben an einem hölzernen Steuerrad festhalten, wie man sie von den alten Windjammern kennt. Gleichzeitig zerren ihm die Ladies die Hose runter, ziehen den Gürtel raus und peitschen ihm über den nackten Arsch.

Einmal, zweimal, Roger jault, die Menge grölt. "Bin fast jedes Wochenende hier", sagt Jeff, der nun doch etwas aufgewacht ist. "Gehe auch gern tauchen, aber sonst gibt es nicht viel zu tun. Trotzdem: In Guam stationiert zu sein, das ist schon nicht schlecht." Und die Drohung aus Pjöngjang? Als Mann der Truppe ist ihm nicht viel zu entlocken. Sein Befehl lautet: dichthalten. Er sagt nur: "Es ist sicher, bis es halt nicht mehr sicher ist." Soll heißen? "Wir sind auf alles vorbereitet. Immer."

Die Tänzerinnen haben keine Zeit zu reden, nicht jetzt, wo sie sich mit jeder Windung darauf konzentrieren, möglichst viele Scheine auf den Tisch zu bekommen oder sich das Geld in den Stringtanga stecken zu lassen, sofern er noch nicht gefallen ist.

"Exzellente Arbeitsferien im Paradies Guam", verspricht der Stripclub Foxy's neuen Tänzerinnen, er liegt nur ein paar Hundert Meter vom Viking entfernt. "Ruft Alicia an, wenn ihr mehr wissen wollt", steht auf der Website. Alicia Aguon ist die Managerin im Foxy's und erzählt, dass sie auch mal selbst auf den Tisch steige, wenn es Bedarf gibt. "Ich bekomme hier jeden Tag neue Bewerbungen rein, Guam ist begehrt, wir können uns die Frauen aussuchen. Man kann in diesem Job ja auch ganz gut Geld machen, wenn man ihn beherrscht." 450 Dollar pro Woche Grundgehalt, dazu all das, was einem zufliegt bei der Arbeit. "Da kommen schon mal 1500 Dollar in der Woche zusammen."

Nur eine der Ladies, die sich zumeist vom Festland der USA bewerben, sei bisher zögerlich gewesen "wegen der Geschichte mit Nordkorea". Aber das Geschäft der Stripbars haben die Drohungen aus Pjöngjang nicht merklich beeinträchtigt, soweit Aguon das überblickt. Zumindest nicht im Foxy's. "Soldaten sind treue Kunden, eigentlich die besten, die wir uns wünschen können." Probleme? "Gibt es höchstens mal mit ein paar Betrunkenen, aber das haben wir im Griff."

Und ihre Stripperinnen? "Viele, die bei uns angefangen haben, wollen später gar nicht mehr weg", sagt die Chefin. Die Sonne, der Strand. "Sie lassen sich hier nieder und bleiben auf Guam. Nordkorea kann sie nicht erschrecken."

© SZ vom 24.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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