Papstreise in Südkorea:Frohe Botschaft aus dem Kleinwagen

Pope Francis visit to South Korea

Papst Franziskus begrüßt die Menge in Seoul mit einem kleinen Lupfer seines Pileolus.

(Foto: dpa)

Ausgerechnet im Land des Materialismus predigt Papst Franziskus die Abkehr vom Konsumdenken. Die Eliten sind nicht amüsiert - und Nordkorea begrüßt den Pontifex auf eigene Weise.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Natürlich rollt auch Südkorea für Papst Franziskus die roten Teppiche aus; selbstverständlich kam Präsidentin Park Geun Hye am Donnerstag persönlich zum Flughafen, um ihn zu begrüßen; später empfing sie den Pontifex im Blauen Haus, ihrem Amtssitz. Die Botschaft des hohen Gastes jedoch dürfte der Präsidentin nicht geheuer sein. Die Bescheidenheit des Besuchers aus Rom, der noch bis Montag bleiben wird, irritiert Südkoreas Machtelite: Ausgerechnet hier, dem Land des Aufstiegs und der Aufsteiger, fordert Franziskus, die Gläubigen sollten sich vom Materialismus abwenden.

Statt mit Limousinen und Privatflieger reist Franziskus in Kleinwagen und Zug

In Südkorea bemisst sich der Status einer Person an der Größe des Autos, der Papst jedoch bestand auf einem Kleinwagen. In der Botschaft des Vatikans aß er mit dem Personal. Und als er am Freitagmorgen nach Daejeon, 160 Kilometer südlich von Seoul reiste, verschmähte er den bereitgestellten Hubschrauber; er fuhr mit einem regulären Zug. Im Erste-Klasse-Abteil wollte er möglichst nah bei den gewöhnlichen Reisenden sitzen. Die Bahn jedoch verriegelte drei Wagen, aus Sicherheitsgründen. Der Flug sei wegen schlechter Sicht abgesagt worden, hieß es.

Franziskus ermahnte Parks Regierung, sich besonders um die Armen und Benachteiligten im Land zu kümmern. Man dürfe das "öffentliche Wohl, den Fortschritt und die Entwicklung nicht nur als Wirtschaftskonzept betrachten", sagte er - Südkorea hat das über Jahrzehnte hinweg getan. "Ich hoffe, dass die südkoreanische Demokratie sich weiter stärkt", erklärte der Papst. Er forderte Nord- und Südkorea zur Geduld und zum gegenseitigen Verständnis auf; "unnötige Demonstrationen von Stärke" seien zu vermeiden. Park antwortete, erst müsse Nordkorea sein Atomprogramm aufgeben.

Die Präsidentin ist selber katholisch getauft, bezeichnet sich aber als Atheistin. Ihr Vater Park Chung Hee, der Südkorea als Diktator mit eiserner Faust modernisierte, sah in der katholischen Kirche eine staatsfeindliche Organisation wie die illegalen Gewerkschaften, scheute sich aber, gegen sie vorzugehen. So konnte die katholische Kirche in Südkorea wachsen wie nur in wenigen anderen Ländern: 1989 gab es weniger als zwei Millionen Katholiken im Land, heute sind 5,4 Millionen, fast zehn Prozent der Bevölkerung. Ähnlich wie Solidarnosc in Polen bot die katholische Kirche den Studenten und Oppositionellen im Kampf gegen die Diktatur Schutz vor brutalen Geheimpolizei. Viele presbyterianische Kirchen wurden zur Heimat der Reichen und Mächtigen - Parks Vorgänger Lee Myung Bak saß im Vorsitz einer presbyterianischen Kirche, Yoo Byung Un, der korrupte Reeder der untergegangenen Fähre Sewol ebenfalls. Die Katholiken aber blieben eine Oppositionsmacht.

Nordkorea begrüßt den Pontifex auf seine eigene Weise. Es feuert zwei Raketen ab

Entsprechend angespannt ist ihr Verhältnis zur Regierung: Vergangenen März forderte sie Präsidentin Park zum Rücktritt auf, weil sie die Aufklärung der Manipulationen ihrer Wahl verhindere. Die Regierung wiederum warf den Kirchenvertretern (nicht zum ersten Mal) vor, sie stünden auf der Seite Nordkoreas.

Papstreise in Südkorea: Papst Franziskus in Solmoe, der Geburtsstätte des Katholizismus in Südkorea.

Papst Franziskus in Solmoe, der Geburtsstätte des Katholizismus in Südkorea.

(Foto: AFP)

Diese Gegensätze dürfte der Papstbesuch nicht verringern. Papst Franziskus wandte sich am Freitag vor 50 000 Gläubigen gegen ungezügeltes Konkurrenzdenken und "unmenschliche Wirtschaftsmodelle"; die hohe Zahl der Selbstmorde im Land sei Zeichen einer "Kultur des Todes". Die anwesenden Katholiken reagierten mit Begeisterung. Die katholische Kirche Südkoreas hat einst von der Befreiungstheologie Südamerikas gelernt. Sie ist vergleichsweise unhierarchisch organisiert. Und sie hat in der Zeit der rasanten Urbanisierung Migranten vom Land, egal, welcher Religion, geholfen, sich in der Stadt zurechtzufinden. Es ist vor allem diese humanitäre Arbeit, der sie ihren Mitglieder-Zuwachs verdankt. Und es ist genau der Humanismus, den der Papst dem kruden Materialismus der südkoreanischen Elite entgegenhält.

Die Gläubigen erwarten nicht nur Trost, sondern Unterstützung

In einer Messe hat Franziskus 124 koreanische Märtyrer selig gesprochen, die im 19. Jahrhundert zu Zehntausenden für ihren Glauben ermordet wurden. Später am Nachmittag wird er 600 Angehörige von Opfern der Sewol-Katastrophe und einige Überlebende des Fährschiff-Unglücks treffen. Sie sähen dem mit großer Hoffnung entgegen, sagen die Betroffenen. Sie erwarten vom Papst nicht nur Trost, sondern auch handfeste Unterstützung im Streit mit der Regierung, der sie vorwerfen, nicht ernsthaft an der Aufklärung der Havarie interessiert zu sein. Aktivistengruppen planen eine Sit-in-Demonstration auf dem Gwanghwamun, dem wichtigsten Platz von Seoul. Man fürchtet Zusammenstöße mit der Polizei.

Der Besuch des Papstes ist auch ein Wink über die Grenzen nach Nordkorea und China, wo er unerwünscht ist. Den Katholiken Chinas sandte Franziskus ein Telegramm mit seinem Segen, als er den chinesischen Luftraum durchflog; ausdrücklich schloss er auch Präsident Xi Jinping in sein Gebet ein. Nordkorea wiederum begrüßte Franziskus auf seine Art: Es feuerte drei Kurzstreckenraketen ab. Nach Angaben der nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA hatte Jungdiktator Kim Jong Un die Abschüsse persönlich befohlen, als einen in jeder Hinsicht symbolischen Akt: Am Freitag war auch der 69. Jahrestag der Befreiung Koreas von der japanischen Kolonialmacht.

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