Papst über Homosexualität:"Wer bin ich, über ihn zu richten?"

Papst Franziskus

Papst Franziskus auf dem Heimflug von Rio nach Rom: Das Kirchenoberhaupt fordert Integration von Homosexuellen. 

(Foto: REUTERS)

Papst Franziskus schlägt ungewohnte Töne an: Als Kardinal von Buenos Aires kämpfte er noch vehement gegen ein Gesetz für schwule Lebenspartnerschaften in Argentinien. Nun verlangt er "Mitgefühl und Takt" gegenüber Homosexuellen - und wirbt für ihre Integration in die Gesellschaft. Auch zu Frauen im Priesteramt hat er was zu sagen. Nur nicht viel.

Von Matthias Drobinski

Papst Franziskus sucht neue Wege im Umgang mit Schwulen und Lesben: Auf dem Rückflug vom Weltjugendtag in Brasilien hat er sich gegen die Diskriminierung und Ausgrenzung von Homosexuellen gewandt. "Wenn jemand homosexuell ist und Gott sucht und guten Willens ist, wer bin ich, über ihn zu richten?", sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche während einer Pressekonferenz auf dem Weg nach Rom. Homosexuelle sollten nicht an den Rand der Gesellschaft gedrängt, sondern in sie integriert werden.

Anlass für diese Antwort waren Fragen nach einer sogenannten Schwulen-Lobby im Vatikan, deren Existenz auch der Papst im Juni in einem internen Gespräch gegenüber Ordensvertretern beklagt hatte. Nun erklärte Franziskus, eine solche Lobby sei "nicht in Ordnung, weil Lobbys nicht in Ordnung sind". Allerdings habe er auch noch keinen Ausweis im Vatikan gefunden, auf dem stehe, dass der Inhaber homosexuell sei.

Im Übrigen stehe, was über den Respekt gegenüber Homosexuellen zu sagen sei, im Katechismus. Das Kompendium der katholischen Lehre verbietet die Diskriminierung von Schwulen und Lesben; ihnen sei "mit Mitgefühl und Takt" zu begegnen. Homosexuelle Handlungen aber verurteilt es als Verstoß "gegen das natürliche Gesetz"; sie seien "auf keinen Fall zu billigen".

Auf die Journalistenfrage, wie denn nun praktizierte Homosexualität zu bewerten sei, ging der Papst nicht ein. Als Kardinal von Buenos Aires hatte Jorge Mario Bergoglio vehement gegen ein Lebenspartnerschaftsgesetz der argentinischen Regierung gekämpft. Dennoch halten Beobachter die Sätze des Papstes zumindest für einen Mentalitätswandel innerhalb der katholischen Kirche.

Die Tür für Frauen ins Priesteramt bezeichnet Franziskus als "geschlossen"

Papst Benedikt XVI. hatte sich immer wieder gegen die Homo-Ehe ausgesprochen, praktizierte Homosexualität als "widernatürlich" bezeichnet und 2005 einen Erlass unterschrieben, demzufolge schwule Priesteramtskandidaten nicht mehr zum Priester geweiht werden dürfen, sofern sie nicht zuvor drei Jahre keusch gelebt haben.

Immer wieder gibt es Debatten, wie hoch unter den Priestern der Anteil der Homosexuellen ist, verschiedene Studien gehen davon aus, dass er deutlich höher als im Bevölkerungsdurchschnitt ist. Bei der Pressekonferenz von Papst Franziskus blieb nun offen, ob er mit dem Satz, dass er über Homosexuelle nicht richten wolle, auch schwule Priester meint.

Erstmals nach seiner Wahl zum Papst nahm Franziskus auch zur Forderung Stellung, Frauen zu Priesterinnen zu weihen. "Diese Tür ist geschlossen", sagte er. Allerdings sollten Frauen in der Kirchenverwaltung und der Seelsorge wichtigere Aufgaben als bisher übernehmen können; es müsse eine profunde "Theologie der Frau" entwickelt werden.

Christian Weisner, Sprecher der Reformbewegung "Wir sind Kirche", zeigte sich erfreut über die Äußerungen des Papstes zur Homosexualität. Sie seien "ein erster Schritt", am Ende aber dürfe die katholische Kirche auch gelebte Homosexualität nicht mehr abwerten. Auch die Tür zum Frauenpriestertum werde "nicht für alle Zeiten geschlossen bleiben".

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