Papst in Ägypten:Segen unter Militärschutz

  • Auf einem Militärstützpunkt feiert Papst Franziskus einen Gottesdienst.
  • Es ist der Höhepunkt seiner Ägypten-Reise.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Es ist der Moment, an dem Papst Franziskus den Gläubigen in Ägypten am nächsten kommen kann. Mit einem offenen Golf-Cart fährt er am Samstagmorgen zur heiligen Messe - dem spirituellen Höhepunkt seines Besuchs in Kairo. Doch auch hier ist er umgeben von zwei Dutzend Sicherheitsleuten in schwarzen Anzügen und mit schwarzen Sonnenbrillen. Ungewöhnlich auch der Ort, an dem der Papst den Gottesdienst hält: Das Stadion gehört den Luftverteidigungskräften der ägyptischen Armee und liegt auf einem Militärstützpunkt an der Ringstraße außerhalb der ägyptischen Hauptstadt.

Sicherheitsbedenken hatten es nach Ansicht des ägyptischen Organisationskomitees erforderlich gemacht, die Messe dorthin zu verlegen. Papstsprecher Greg Burke hingegen hatte vor dem Abflug gesagt, es habe keine Verlegung gegeben, es sei zuvor keine endgültige Entscheidung über den Ort getroffen worden. Die Gläubigen müssen sich fünf Stunden vor Beginn der Messe am Stadion einfinden, Mobiltelefone und andere elektronische Geräte sind auf dem Gelände verboten, es kreisen Militärhubschrauber in der Luft, um es zu sichern.

Das Stadion war auch gewählt worden, um mehr Gläubigen zu ermöglichen, am Gottesdienst teilzunehmen; für bis zu 25 000 wäre Platz gewesen. Nach Schätzungen des Vatikans kommen 10 000 bis 15 000, die den Papst mit Jubel und Beifall begrüßen. Sie entrollen weiße, schwarze und rote Stoffbahnen auf der Tribüne, die Nationalfarben Ägyptens, und schwenken Fähnchen, die zuvor verteilt worden waren. Die Teilnehmer bekamen zudem weiße Kappen zum Schutz gegen die Sonne.

Der Papst sucht auf seiner 18. Auslandreise den Dialog mit den Muslimen, zugleich aber will er den Christen Mut zusprechen in einer Zeit, in der sie Ziel der schlimmsten Gewaltwelle im modernen Ägypten werden. Der Papst war am Palmsonntag beim Angelusgebet sichtlich bewegt, als er von den Anschlägen auf koptisch-orthodoxe Kirchen in Tanta und Alexandria informiert wurde, bei denen Selbstmordattentäter der Terrormiliz Islamischer Staat mehr als 40 Menschen in den Tod gerissen hatten.

"Nach so vielen Anschlägen ist es ein Zeichen des Vertrauens"

Franziskus hatte nie gezögert, als Bote des Friedens nach Ägypten zu reisen. Dort habe das Christentum sein Morgengrauen gesehen und die Heilige Familie Zuflucht gefunden, sagt er. Seit der Apostel Markus Ägypten evangelisiert habe, hätte das Land viele Blutzeugen des Glaubens hervorgebracht - auch das eine Würdigung der Terror-Opfer.

Die Gottesdienstbesucher kann er mit dieser Haltung und der Messe jedenfalls erreichen: "Franziskus' Besuch ist sehr wichtig, vor allem in dieser Zeit des Terrors. Nicht nur für Christen, sondern für alle Ägypter", sagt Heidi Beschir, die für das Außenministerium in Kairo arbeitet und ins Stadion gekommen ist. Es sei offensichtlich, dass das Kirchenoberhaupt Frieden verbreiten wolle. Gabriel Romanelli aus Alexandria bezeichnet den Besuch als "großes Geschenk Gottes": "Nach so vielen Anschlägen ist es ein Zeichen des Vertrauens". Die Botschaft des Besuchs sei, dass Religionen friedlich zusammenleben können.

Papst unterstützt Vorgehen gegen religiösen Extremismus

Papst Franziskus hatte bereits am Freitagabend zusammen mit dem koptisch-orthodoxen Papst Tawadros II. in der Kirche Sankt Peter und Paul für die Opfer von Anschlägen und Gewalt gebetet. "Eure Leiden sind auch unsere Leiden, und ihr unschuldiges Blut vereint uns", sagte er bei dem Treffen mit dem Oberhaupt von Ägyptens größter christlicher Gemeinschaft, die auf etwa zehn Prozent der Bevölkerung von 93 Millionen geschätzt wird.

In der Messe für die mit Rom unierte koptisch-katholische Gemeinde, die der Vatikan auf 270 000 Mitglieder schätzt, griff der Papst erneut seine Botschaft gegen jegliche Art von Extremismus auf: "Der einzige erlaubte Extremismus für Gläubige ist die Nächstenliebe", sagte er. Jegliche andere Art von Extremismus "kommt nicht von Gott und gefällt ihm nicht". Franziskus sagte in seiner Predigt, die Gläubigen müssten eine "Kultur des Dialogs, des Respekts und der Brüderlichkeit" verteidigen. Dies erfordere auch den "Mut dem zu vergeben, der uns beleidigt" - eine Bezugnahme auf die vielfältigen Diskriminierungen im Alltag, der sich Christen in Ägypten ausgesetzt sehen.

Der Papst hatte am Freitag den Groß-Iman der Azhar-Universität, Scheich Ahmed al-Tayyeb, als seinen "Bruder" bezeichnet und ihn umarmt; er nahm an einer Friedenskonferenz teil, die höchste Repräsentanten dreier christlicher Glaubensrichtungen und des sunnitischen Islam versammelte. Franziskus hatte schon in seinem ersten Pastoralschreiben postuliert, der wahre Islam und eine angemessene Interpretation des Korans stünden jeder Gewalt entgegen. Er wählte damit einen entschieden anderen Ton als sein Vorgänger Benedikt XVI.

In einer Rede vor Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi, Regierungsmitgliedern und Diplomaten hatte Franziskus Ägypten als zentral für die Lösung der Probleme im Nahen Osten und im Kampf gegen religiösen Extremismus bezeichnet, der "den heiligen Namen Gottes gebraucht, um unerhörte Blutbäder und unglaubliches Unrecht zu verüben". Zugleich rief er dazu auf, unverzüglich die "schwerwiegenden sozialen Probleme" anzugehen. Das Volk sei durch die Rolle Ägyptens dazu gebracht worden, ein Ägypten zu fordern, in dem es niemandem an Brot, Freiheit und sozialer Gerechtigkeit fehlt.

Was von der Revolution geblieben ist

Der Papst griff damit den wichtigsten Slogan der Revolution von 2011 auf, die nach mehr als 30 Jahren Militärmachthaber Hosni Mubarak gestürzt hatte. Das geschriebene Recht müsse in angewandte Gesetze umgewandelt werden, um die "angeborene Genialität dieses Volkes zur Geltung bringen", sagte er in einem Land, in dem die Rechtsstaatlichkeit immer weiter ausgehöhlt wird und das Parlament gerade die Unabhängigkeit der Justiz weiter eingeschränkt und dem Präsidenten weitreichende Vollmachten bei der Ernennung von Richtern eingeräumt hatte.

Nach der Messe fährt der Papst weiter nach Maadi, einen wohlhabenden Stadtteil im Süden von Kairo. Nach einem Mittagessen mit den ägyptischen Bischöfen will Franziskus dort das katholische Priesterseminar besuchen und 1500 Ordensleute und Seminaristen treffen, bevor am späten Nachmittag die Rückreise nach Rom ansteht.

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