Papst Franziskus:"Wir müssen ein neues Gleichgewicht finden"

Papst Franziskus

Papst Franziskus: Der Beichtstuhl ist kein Folterinstrument.

(Foto: REUTERS)

In einem Gespräch mit mehreren jesuitischen Zeitschriften hat Papst Franziskus die Kirche dafür kritisiert, sich zu viel mit Schwulen, Abtreibungen und Verhütungsmethoden zu beschäftigen. Eine Weltkirche müsse für alle da sein und dürfe nicht allein Grüppchen ausgewählter Personen aufnehmen.

Es ist das erste große Interview, das Papst Franziskus seit seiner Amtseinführung im März gegeben hat. In dem Gespräch mit einer Reihe jesuitischer Zeitschriften forderte er die katholische Kirche eindringlich auf, sich nicht nur mit Fragen der Abtreibung, der homosexuellen Ehen und der Verhütung zu befassen. "Das geht nicht", kritisierte Franziskus. Die Kirche solle ein "neues Gleichgewicht" für ihre zahlreichen Lehren finden und helfen, die Wunden der Menschen zu heilen. (Das komplette Gespräch finden Sie hier.)

Die Ansichten der Kirche seien durchaus bekannt, erklärte Franziskus. "Aber man muss nicht endlos davon sprechen", kritisierte das Kirchenoberhaupt. Ihm sei im Übrigen bereits vorgeworfen worden, nicht viel "über diese Sachen" zu reden, erwähnte Franziskus. Wenn man aber darüber spreche, "dann muss man den Kontext beachten". Die dogmatischen wie moralischen Lehren der Kirche seien jedenfalls nicht alle gleichwertig, "eine missionarische Verkündigung konzentriert sich auf das Wesentliche, auf das Nötige".

Homosexuelle nicht verurteilen

Franziskus erinnerte auch daran, was er auf dem Rückflug vom Weltjugendtag in Rio de Janeiro über Homosexuelle gesagt hatte: "Wenn eine homosexuelle Person guten Willen hat und Gott sucht, dann bin ich keiner, der sie verurteilt." Er habe in seiner früheren Zeit in Buenos Aires Briefe von Homosexuellen erhalten, die "soziale Wunden" enthielten, weil diese sich immer von der Kirche verurteilt fühlten.

"Aber das will die Kirche nicht", bekräftigte der Papst. "Wir müssen also ein neues Gleichgewicht finden, sonst fällt das moralische Gebäude der Kirche wie ein Kartenhaus zusammen", warnte Franziskus. Der Beichtstuhl der katholischen Kirche sei im Übrigen auch "kein Folterinstrument, sondern der Ort der Barmherzigkeit", etwa, wenn eine Frau eine Abtreibung beichte.

Schützendes Nest der Mittelmäßigkeit

Der Papst wandte sich in dem Interview erneut gegen eine Weltkirche, die wie eine kleine Kapelle nur Grüppchen ausgewählter Personen aufnehmen könne. "Wir dürfen die Universalkirche nicht auf ein schützendes Nest unserer Mittelmäßigkeit reduzieren", verlangte Franziskus, "diese Kirche, mit der wir denken und fühlen, ist das Haus aller." Notwendig seien dabei Mut und Kühnheit. "Das Volk Gottes will Hirten und nicht Funktionäre oder Staatsdiener."

Überstürzte Reformen will der 76-Jährige vermeiden. "Ich glaube, dass man immer genügend Zeit braucht, um die Grundlagen für eine echte, wirksame Veränderung zu legen", erklärte er, ohne dabei direkt auf die von ihm auf den Weg gebrachte Kurienreform einzugehen. Er misstraue improvisierten Entscheidungen.

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