Papst Franziskus:Mehret euch weniger!

Die katholische Kirche hat die enormen Probleme, die große Familien in armen Ländern verursachen, lange ignoriert. Nun spricht der Papst ein erstes klares Wort - über das man schmunzeln mag. Und doch ist es von großem Ernst.

Kommentar von Arne Perras

Auf den Philippinen nennen sie Franziskus den "Vater des Volkes". Das liegt am offenen Wesen des 78-jährigen Papstes, aber auch an der Art, wie er spricht. Er versteigt sich nicht in abstrakte Formulierungen, sondern wählt einfache Worte. Das tat er auch jetzt, als er auf der Rückreise von Manila nach Rom mit Journalisten über Verhütung sprach.

Gute Katholiken müssten sich nicht vermehren "wie die Karnickel", sagte er. Unerhört? Für die flapsige Wortwahl bat er noch mitten im Satz um Verzeihung. Aber was er da sagte, war wichtig - vielleicht sogar wichtiger als alle anderen Sätze auf dieser Reise.

Der Spruch mit dem Karnickeln wird Franziskus nun vorauseilen, weil er an ein Reizthema rührt, das immer größere Bedeutung bekommt. Es geht um Empfängnisverhütung und um das teils bedrohliche Wachstum der Weltbevölkerung. Beides hängt eng miteinander zusammen. Und wie sich die katholische Kirche dazu stellt, wird den Lauf der Dinge stark beeinflussen. Man mag über den flapsigen Satz schmunzeln. Und doch ist er von großem Ernst.

Große Familien sind in armen Ländern ein wachsendes Problem

Die katholische Kirche untersagt den Gebrauch von künstlichen Verhütungsmitteln wie Kondomen oder der Pille; nur natürliche Methoden sind erlaubt. Vor allem die Enthaltsamkeit. Mit seinem Karnickel-Verweis erkennt Franziskus allerdings an, dass Familien manchmal weit mehr Kinder haben, als sie verkraften. Diese Wahrheit hat die katholische Kirche bislang gerne verdrängt.

In armen Regionen lässt sich beobachten, was zu große Familien anrichten können. Staaten der Dritten Welt, die ihr Bevölkerungswachstum nicht in den Griff bekommen, haben trübe Aussichten, ihren Bürgern Wege aus dem Elend zu weisen.

Wer arm ist, mag sich von der großen Kinderschar eine Absicherung fürs Alter erhoffen, die Großfamilie ist historisch gewachsen und hat sich lange als soziales Netz bewährt. Sie bietet menschliche Nähe, Schutz und Beistand, gerade dort, wo es rau zugeht im Leben und es Renten- und Krankenversicherung nicht gibt. Doch das Netz, das früher trug - es wird heute zu einer immer größeren Last.

Katholische Kirche trägt zu hoher Geburtenrate auf Philippinen bei

Ohne Schulausbildung gibt es keinen Weg aus der Armut, es können nicht mehr alle Bauern sein. Doch Familien der unteren Schichten fehlt das Geld für den Unterricht. Zwei, drei Kinder - das ist noch irgendwie zu machen. Aber sechs, acht, gar zwölf? Und was, wenn sie krank werden? Später setzt sich der unbarmherzige Trend fort. Es gibt keine Jobs, den jungen Leuten fehlen Perspektiven, sie werden leichte Beute für Schinder, Demagogen, Extremisten.

Überlastete Familien gebären Stress, Frust und Zorn. Das ist gefährlich in Gesellschaften, die sich ohnehin durch die Globalisierung rasch verändern und deren Menschen die Umbrüche nur schwer verkraften. Gerade auf den Philippinen, wo der Papst gerade Millionen Gläubige begeisterte, zeigt sich diese Not. Und es gibt wenig Zweifel daran, dass der Einfluss der katholischen Kirche dort stark dazu beiträgt, dass die Geburtenrate noch immer höher ist, als es das Land verträgt.

Ein Gesetz zur Familienplanung hat die Kirche brachial bekämpft, der Staat konnte es nur mit Mühe durchsetzen. Wer mit Philippinern spricht, spürt häufig, wie schwer es für sie ist, die richtige Wahl im Leben zu treffen. Viele würden gerne künstlich verhüten, aber sie folgen doch der Doktrin der Kirche. Der soziale Druck ist viel zu mächtig in einer so stark katholisch geprägten Welt.

Franziskus dürfte mit dem Satz Verwirrung stiften, gerade in der armen Welt

So haben die meisten Ehepaare viele Kinder. Und nun hören sie plötzlich vom Papst, dass das gar nicht immer gut ist. Franziskus spricht klar und einfach, aber mit dem Satz von den Karnickeln dürfte er auch Verwirrung stiften, gerade in der armen Welt. Und viele werden fragen: Warum kann ich dann nicht auch künstliche Verhütungsmittel einsetzen, anstatt enthaltsam zu sein, wenn es so wichtig ist, die Familie überschaubar zu halten?

Richtig ist, dass Kondome und die Pille alleine die Probleme moderner Familien nirgendwo lösen. Und sie werden auch nicht ausreichen, um das Wachstum der Bevölkerung zu bremsen. Dazu gehört mehr: eine gute Familien- und Gesundheitspolitik, Aufklärung, mehr Jobs, ein Ende der Unterdrückung der Frau. Aber ohne Pille und Kondome wird es auch nicht gehen, wie immer sich die katholische Kirche dazu stellt.

Franziskus hat eine Debatte über die Familie der Zukunft angestoßen. Sie ist überfällig. Es ist nicht zu übersehen, dass das Leben der Menschen immer weiter abdriftet von der reinen katholischen Lehre. Die Kirche wird sich bewegen müssen, will sie ihrem Anspruch, nahe bei den Menschen zu sein, noch gerecht werden. Franziskus hat damit begonnen.

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