Pakistan:Der Bruder als Mörder

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Die junge Pakistanerin Qandeel Baloch ist mit Youtube-Videos und Selfies berühmt geworden. Genau das aber machte sie auch zur Zielscheibe von Anfeindungen - nun wurde sie vom eigenen Bruder getötet.

Von Tobias Matern, Islamabad/München

Der mutmaßliche Mörder hat die Tat gestanden, das Opfer ist seine eigene Schwester. Die Geschichte ist ein weiteres Kapitel in einem nicht endenden Drama, dem des sogenannten Ehrenmords. Regelmäßig geschehen in Pakistan Taten wie diese, der Staat aber schaut zu, ohne ernsthaft einzugreifen. Oft können sich die Täter der Strafe entziehen. Die Hoffnung, dass es diesmal anders sein könnte, hängt mit dem Opfer zusammen: Qandeel Baloch hat es zu derartiger Berühmtheit gebracht, dass der Fall auch außerhalb Pakistans verfolgt wird.

Die Ermordete heißt eigentlich Fauzia Azeem, aber diesen Namen hat die junge Frau schon lange nicht mehr benutzt. Als Qandeel Baloch hat sie Karriere gemacht, vor allem auf der Videoplattform Youtube und bei Facebook; die traditionellen Medien berichteten immer wieder mal über sie, halb bewundernd, halb argwöhnisch. Die 26-Jährige war ein Star der sozialen Netzwerke, sie hat Musikvideos gedreht und online gestellt, körperbetonte Kleidung getragen, sich im Swimmingpool und beim Sport gefilmt und alles öffentlich geteilt. In vielen Ländern würde das kein Aufsehen erregen, aber was in Pakistan öffentlich als akzeptabel gilt und was nicht, das ist nach wie vor dem Urteil einer patriarchalisch dominierten Gesellschaft unterworfen. Diese patriarchalische Welt offenbart immer wieder ihre Doppelmoral: In Pakistan werden zahlreichen Statistiken zufolge eher mehr Internetseiten mit pornografischem Inhalt gesucht als in anderen Ländern, aber über Frauen im öffentlichen Raum gibt es ein eindeutiges Urteil: Sie sollen nicht auffallen und züchtig auftreten.

Qandeel Baloch wollte nicht dem Frauenbild in Pakistan entsprechen - und bezahlte dafür mit dem Leben. (Foto: Reuters)

Qandeel Baloch widersetzte sich der ihr zugedachten Rolle. Sie war ein öffentlicher Mensch, die sozialen Netzwerke ihre Plattform. Sie sah sich, so schreibt sie das in einem ihrer letzten Einträge auf Facebook, als "moderne Feministin", die selbst bestimmen wollte, wie sie ihr Leben lebt. Mit dieser Botschaft hat sie mindestens genauso viele Feinde wie Anhänger erreicht, ihre Gegner warfen ihr vor, eine Schande für die muslimische Nation zu sein. Vor allem aber junge Pakistaner sahen in ihr eine mutige Vorkämpferin gegen tradierte Werte. "Als Frauen müssen wir für uns selbst eintreten. Als Frauen müssen wir füreinander eintreten. Als Frauen müssen wir für Gerechtigkeit eintreten", teilte sie noch vor ein paar Tagen mit.

Am Freitag machte sich Qandeel Baloch aus der Metropole Karatschi, in der große Teile der pakistanischen Unterhaltungsindustrie angesiedelt sind, in ihr Heimatdorf in der Provinz Punjab auf. Dort wurde am Samstag ihre Leiche gefunden, der Verdacht fiel schnell auf den Bruder, der wenig später von der Polizei festgenommen wurde. Nach Angaben der Behörden hat er gestanden, seine Schwester betäubt und erdrosselt zu haben. Als Grund nannte er ihre "anstößigen Videos".

Der Bruder von Qandeel Baloch gestand die Tat bereits. (Foto: SS Mirza/AFP)

Pakistanischen Medien hatte Qandeel Baloch kürzlich erzählt, sie wolle das Land bald verlassen, sie fühle sich in Pakistan nicht mehr sicher. Offenbar hatten die Anfeindungen überhandgenommen. Die liberale Zeitung Dawn schreibt in einem langen Nachruf über Qandeel Baloch, es reiche in Pakistan schon aus, als junge Frau Ambitionen zu haben und diese öffentlich zu äußern, um ermordet zu werden. Qandeel Baloch stellte vor ein paar Tagen noch einen Appell an ihr Land ins Internet: "Es ist an der Zeit, sich zu wandeln, denn die Welt wandelt sich." Sie wird nun nicht mehr erleben können, ob ihr Aufruf je Realität werden wird.

© SZ vom 18.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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