Partnerschafts-Vertrag:Schweiz diskutiert "Ehe light"

"Ehe light": Schweiz diskutiert über den Pacs

Feste Beziehung, aber keine Lust auf die Ehe? Die Schweiz diskutiert über den "Pacte civil de solidarité", eine Art "Ehe light".

(Foto: dpa)
  • Der Schweizer Bundesrat prüft, ob der sogenannte Pacs, eine Art "Ehe light", als neuer Zivilstand eingeführt werden soll.
  • Ähnlich dem französischen "Pacte civil de solidarité" könnten Paare sich dann vertraglich gegenseitige Unterstützung zusichern, ohne dafür heiraten zu müssen.
  • Auch für Deutschland könnte diese Form der zivilen Solidaritätserklärung interessant sein.

Von Charlotte Theile, Zürich

Das Wort klingt, als habe man es mit einer besonders unzüchtigen Daseinsform zu tun. Paare, die ohne Trauschein zusammenleben, werden in der Schweiz als "Konkubinat" bezeichnet. Bis 1995 galt in Teilen des Landes das Konkubinatsverbot, wer unverheiratet eine Wohnung teilte, konnte bestraft werden.

Heute prüft die Schweiz einen neuen Zivilstand. Ähnlich dem französischen "Pacte civil de solidarité", kurz Pacs, sollen sich Paare für eine Art "Ehe light" entscheiden können. Gegenseitige Unterstützung im Fall von Krankheit oder Arbeitslosigkeit, steuerliche Vorteile. Außerdem: unterschiedliche Nachnamen und, je nach Wunsch, Gütertrennung.

Ein Vertrag zwischen zwei erwachsenen Menschen, die Verantwortung füreinander übernehmen, aber nicht vor Gott und der Welt beschwören wollen, dass sie bis zum Ende ihres Lebens zusammenbleiben werden. Will man den Vertrag auflösen, gibt man der Behörde Bescheid - fertig. Heiratet einer der Vertragspartner jemand Dritten, ist der Pacs automatisch beendet.

Seit der Vertrag 1999 in Frankreich eingeführt wurde, haben sich immer mehr Paare dafür entschieden. Heute sind 41 Prozent der neu geschlossenen "formalisierten Paarbeziehungen" Pacs.

Was vor Jahrzehnten noch eine Schande war, ist heute oft genau so gewollt

Ein Modell, das inzwischen auch deutsche Politiker neugierig macht. Franziska Brantner etwa, familienpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, wünscht sich auch für Deutschland eine zivile Solidaritätserklärung. Der Erfolg eines solchen Vertrages wäre wahrscheinlich ähnlich groß wie in Frankreich, vermutet sie: "Ich kenne einige Paare, die schon lange zusammenleben und sicher auch bereit wären, sich vertraglich zu binden. Heiraten wollen sie aber trotzdem nicht."

Ob in Deutschland, Frankreich oder der Schweiz: Die Scheidungsraten sind hoch, immer mehr Kinder kommen unehelich zur Welt, viele Paare leben ohne Trauschein zusammen. Doch was vor einigen Jahrzehnten noch eine Schande war, ist heute nicht selten genau so gewollt. Eine Realität, der man Rechnung tragen müsse, glaubt Grünen-Politikerin Brantner.

"Wer vielleicht selber schon geschieden ist, glaubt unter Umständen einfach nicht mehr an die Ehe." Aber auch, wer nicht heiraten wolle, könne eine tiefgehende, verantwortungsvolle Beziehung haben. Rechtlich finden diese Partnerschaften jedoch keine Berücksichtigung. "Die Vorstellung, dass einer von beiden einen schlimmen Unfall hat und der andere im Krankenhaus keinerlei Informationen erhält, ist für viele Paare, die ich kenne, sehr beunruhigend", sagt Brantner.

Auch die gleichgeschlechtliche Ehe soll in der Schweiz neu diskutiert werden

Um die rechtliche Lage den gesellschaftlichen Verhältnissen anzupassen, hat der Schweizer Bundesrat kürzlich einen Bericht zur Modernisierung des Familienrechts verfasst. Nicht nur das Konkubinat, auch gleichgeschlechtliche Ehen sollen neu diskutiert werden. So möchte der Bundesrat prüfen, ob und wie weit homosexuellen Paaren der Zugang zu Adoption und Fortpflanzungsmedizin gewährt wird. Das dürfte nicht allen gefallen: Die Schweizer Christdemokraten wollen per Volksinitiative festschreiben, dass die Ehe explizit als "Lebensgemeinschaft von Mann und Frau" in der Verfassung verankert wird.

Grünen-Politikerin Franziska Brantner hält Ehe und "Ehe light" für zwei unterschiedliche Paar Schuhe. In Frankreich, wo Brantner bis 2007 gelebt hat, könne man beobachten, dass Pacs und Hochzeit nicht in Konkurrenz zueinander stünden. "Die Zahl der Eheschließungen ist kaum zurückgegangen. Diejenigen, die einen Pacs unterschreiben, hätten nie geheiratet."

Sie glaubt: Die "Ehe light" sei interessant für Paare, die schon lange zusammenleben und damit sehr zufrieden sind. "Es ist keine Vorstufe zur Heirat, nach dem Motto: Schließen wir erst mal einen Pacs, verloben können wir uns später", sagt Brantner. Es sei schlicht eine andere Lebensform. Wenn diese nun nicht nur in Frankreich, sondern auch in anderen europäischen Ländern eine rechtliche Aufwertung erfährt, könne das für Deutschland nur gut sein. "Wenn man sieht, das funktioniert nicht nur in Frankreich, sondern auch in der Schweiz, gibt uns das vielleicht noch mal einen Schubs."

Der Pacs, ein Zufallsprodukt

Heute empfehlen Finanzexperten Langzeitpaaren die Aufsetzung eines Partnerschaftsvertrages: Auch darin kann man regeln, wie mit Erbe, Versicherungen, gemeinsamen Kindern und dem Eigenheim umgegangen wird. In der Notaufnahme eines Krankenhauses bringt die notarielle Beglaubigung jedoch wenig.

Die Idee aus Frankreich ist eine pragmatische Lösung für diese Probleme. Dabei handelt es sich eigentlich nur um ein Zufallsprodukt. Als der Pacs vor 16 Jahren eingeführt wurde, richtete er sich vor allem an homosexuelle Paare. Sie sollten eine rechtliche Alternative zur Ehe bekommen. Seit zwei Jahren dürfen in Frankreich auch Homosexuelle heiraten. Dafür haben andere den "Pacte civil de solidarité" für sich entdeckt: Mehr als 90 Prozent der "verpacsten" Paare sind heterosexuell. Der Wunsch nach einer Alternative zur Ehe ist Allgemeingut.

Damit stehen auch andere Zivilstände zur Debatte. Der Schweizer Bundesrat überlegt, die Zivilstände "ledig" und "geschieden" durch "nicht verheiratet" zu ersetzen. Volk und Parlament müssten den Verfassungsänderungen zustimmen.

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