Ostwestfalen:Ermittler zu Höxter: "Das sind Abgründe"

Selbst erfahrene Mitglieder der Mordkommission tun sich schwer damit, das Grauen von Höxter zu verarbeiten.

Von Bernd Dörries, Bielefeld

Vor zwei Wochen kam die letzte Nachricht. "Alles gut", so etwas in der Art. Sehr eng war das Verhältnis nicht von Annika W. zu ihrer Mutter, alle paar Jahre ein Anruf. Das, was man sich zu sagen hatte, passte auch in eine SMS. Die kamen immer wieder in den vergangenen Jahren, sodass die Mutter sich dachte, alles sei wie immer.

Vor zwei Tagen erfuhr sie schließlich, dass es die Peiniger ihrer Tochter waren, die ihr die SMS schickten. Und dass Annika nicht in Amsterdam lebte, sondern zerstückelt in einer Tiefkühltruhe in Höxter lag. Hin und wieder wurde ein Stück von ihr herausgeholt, im Ofen verbrannt und die Asche in der Umgebung verstreut. "Das sind Abgründe, das müssen auch erfahrene Mitglieder der Mordkommission erst einmal verkraften", sagt Ralf Östermann, Leiter der Mordkommission, am Dienstag im Polizeipräsidium in Bielefeld.

"Jeder Zentimeter" wird abgesucht

Die Abgründe liegen im Moment hinter einem Bauzaun im Dörfchen Bosseborn, dem kleinsten Stadtteil von Höxter in Ostwestfalen. Östermann hat die Zäune vor dem Haus aufstellen lassen, weil es noch Tage oder Wochen dauern werde, bis dort "jeder Zentimeter" abgesucht ist. Abgesucht nach Spuren, nach Hinweisen auf weitere Tote, die Östermann nicht ausschließen kann.

40 Mitarbeiter hat die Ermittlungsgruppe, Fragen gibt es noch viel mehr, seit vor einer Woche klar wurde, dass Susanne F. aus Bad Gandersheim zwei Monate in dem Haus gequält wurde und schließlich an ihren Verletzungen starb. Sie war wie Annika W. wohl freiwillig zu Wilfried W., 46, und seiner Ex-Frau Angelika, 47, nach Ostwestfalen gekommen, wo das Paar auch nach seiner Scheidung zusammenlebte.

An Heizung und Badewanne angekettet

Wilfried hatte in Zeitungen der ganzen Republik und sogar in Tschechien Anzeigen aufgegeben. Frauen antworteten per Telefon und machten sich auf den Weg. Zuerst blieben sie wohl freiwillig, sagt Ermittler Östermann. Später ließ das Paar sie nicht mehr gehen. "Wenn eines der Opfer aufmüpfig wurde, dann wurde es an einem Heizungskörper festgekettet oder in der Badewanne", sagt Östermann.

Den Frauen wurden ganze Haarbüschel ausgerissen, sie seien getreten und geschlagen worden. Sexuelle Motive hätten höchstens eine untergeordnete Rolle gespielt, sagt Östermann, dem Paar sei es um Machtdemonstration gegangen.

Zwei Frauen starben, die Ermittler gehen davon aus, dass drei bis vier weitere Frauen zeitweise in dem Haus gelebt haben in den vergangenen Jahren. Eine Frau wurde 2013 in den Zug nach Berlin gesetzt, sie war womöglich zeitgleich mit Annika W. in dem Haus. Zur Polizei ging sie damals nicht. Warum, können die Ermittler nicht sagen.

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