Verbotene Osmanen Germania:Das verbirgt sich hinter der türkischen Gang

Kutte der Osmanen Germania BC

Mitglieder der Rockergruppe bei einer Boxveranstaltung in Frankfurt.

(Foto: Boris Roessler/dpa)

Der Innenminister hat die "Osmanen Germania" verboten. Der Boxclub gilt als eine der am schnellsten wachsenden Rockergruppen in Deutschland mit auffälligen politischen Verbindungen in die Türkei.

Von Anna Fischhaber und Oliver Klasen

Die deutsche Polizei hat die "Osmanen Germania" schon lange im Visier. Es geht um Erpressung, Drogenhandel, Zwangsprostitution, zudem soll die Rockergruppe politische Verbindungen in die Türkei pflegen. Seit März läuft ein Prozess bei Stuttgart, jetzt hat Bundesinnenminister Horst Seehofer die Gruppe einschließlich ihrer Teilorganisationen verboten und ihnen jede Tätigkeit untersagt. "Von dem Verein geht eine schwerwiegende Gefährdung für individuelle Rechtsgüter und die Allgemeinheit aus", so das Ministerium. Zudem liefen am Morgen Durchsuchungsmaßnahmen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Bayern und Hessen gegen Mitglieder.

Nach Schätzungen der Polizei hat der türkisch-nationalistische Verein bundesweit mindestens 300 Mitglieder. Der Club selbst spricht von mehr als 2000 Mitgliedern. Der Boxclub gilt als eine der am schnellsten wachsenden rockerähnlichen Gruppierungen in Deutschland. Anders als die Hells Angels oder die Bandidos, die seit Jahrzehnten aktiv sind, wurde er erst 2015 gegründet.

"Die Clubs zeichnen aber ähnliche Dinge aus", erklärte Oliver Huth, Experte für organisierte Kriminalität und stellvertretender Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter in Nordrhein-Westfalen auf Anfrage der SZ. "Man gibt sich eine Identität durch eine Art Uniform und versucht, über das Gemeinschaftsgefühl Mitglieder zu gewinnen. Diese setzen sich dann im kriminellen Milieu fest und verdienen hier ihr Geld. Die Clubs sind sehr hierarchisch organisiert und ermöglichen so bildungsfernen Schichten eine Art Karriere, wenn man nur lange genug dabei ist."

Die Osmanen Germania unterscheide von anderen Rockerclubs vor allem, dass sie in Autos und nicht auf Motorrädern unterwegs seien und dass sie keine gewachsenen Strukturen haben. Zudem setzen sie beim Mitgliederanwerben extrem auf Merchandising: "Sie ziehen mit ihren Kutten durch die Innenstädte, posten Fotos davon im Internet und zeigen so anderen Gangs: Das ist jetzt meine Stadt", erzählt Huth.

Die meisten Mitglieder der Osmanen Germania sind türkische Staatsangehörige oder stammen aus der Türkei, immer wieder gab es Auseinandersetzungen mit verfeindeten kurdischen Gangs. Nach Einschätzung des NRW-Innenministeriums steht die Gruppe in Kontakt zum Umfeld des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und zur Regierungspartei AKP. "Es gibt Gerüchte über eine finanzielle Unterstützung. Gesichert ist der Informationsaustausch mit AKP-Mitgliedern in Deutschland", sagt Huth.

Hessische Polizisten hätten bei einer Abhöraktion plötzlich den Präsidenten am Telefon gehabt, berichtete der Spiegel. Demnach wollten die Ermittler den AKP-Abgeordneten Metin Külünk abhören, der in Berlin eine Demo organisierte, auf der die nationalistische Gang dabei sein sollte - und Erdoğan ließ sich darüber persönlich unterrichten. Die Osmanen Germania seien die "Schlägertruppe" des türkischen Staates in Deutschland, notierte damals ein Beamter.

Vor allem in Nordrhein-Westfalen und in Baden-Württemberg sind die Osmanen Germania aktiv, die von sich selbst gerne behaupten, sie würden Jugendliche von der Straße holen. Tatsächlich falle der Club durch gewalttätige Gebiets- und Machtkämpfe auf, teilte das Bundesinnenministerium im März mit. Damals hatten Ermittler bereits bundesweit Räume des Vereins durchsucht.

Parallel läuft in Baden-Württemberg derzeit ein Prozess gegen acht mutmaßliche Mitglieder. 50 Verhandlungstage sind bis Januar 2019 angesetzt. Die Liste der Vorwürfe ist lang: Den Männern werden versuchter Mord, versuchter Totschlag, gefährliche Körperverletzung, Zuhälterei, räuberische Erpressung, Freiheitsberaubung sowie diverse Waffen- und Drogendelikte vorgeworfen. Wie brutal die Gruppe vorging, zeigt etwa der Fall von Celal S., einst selbst Mitglied der Osmanen Germania. Weil er gegen den Ehrenkodex der Gruppe verstieß, sollen ihn seine Kameraden tagelang gefoltert haben, berichtete der Spiegel.

Demnach lockten sie den Mann in eine Wohnung in Herrenberg und schlugen ihm dort mit einer Eisenstange mehrere Zähne ein. Sie sollen ihm zudem in den Oberschenkel geschossen haben, um die Kugel dann ohne Betäubung wieder herauszuholen. Wie die Stuttgarter Nachrichten berichten, versuchte einer der Angeklagten auch, dem Mann mit einer Rasierklinge das Ohr abzuschneiden. Nach drei Tagen gelang Celal S. schließlich die Flucht.

(Mit Material der Agenturen)

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