Orkan "Kyrill" erfasst Deutschland:Meteorologen raten: "Bleiben Sie zu Hause"

Der Orkan "Kyrill" hat Deutschland erreicht. In Sturmböen wurden am Morgen Windgeschwindigkeiten von fast 120 Kilometern in der Stunde gemessen. Für den Nachmittag werden noch deutlich heftigere Stürme, Hochwasser und eine schwere Sturmflut erwartet.

In Sturmböen wurden am Morgen Windgeschwindigkeiten von fast 120 Kilometern in der Stunde gemessen. Selbst in tieferen Lagen stürmte es oftmals mit 60 bis 70 Kilometern in der Stunde, wie der Wetterdienst Meteomedia mitteilte.

Orkan Wetter Deutschland Sturm

Deutschland wird heute von Orkanböen heimgesucht, warnen Meteorologen

(Foto: Foto: AP)

Spitzenwerte wurden auf dem Feldberg im Schwarzwald mit 119 und auf dem Brocken im Harz mit 115 Stundenkilometern gemessen. Meteomedia wie auch der Deutsche Wetterdienst rechnen ab der Mittagszeit mit Orkan-Böen von mehr als 110 Stundenkilometern.

Sie sollen sich zunächst über Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen ausbreiten. Anschließend würden sie vom Nordwesten her südostwärts ziehen und das ganze Land erfassen.

"Wenn in den Abendstunden die Kaltfront des Orkans Deutschland erreicht, müssen wir mit Windböen von bis zu 120 Kilometern pro Stunde rechnen", warnte Meteorologe Stefan Külzer vom Deutschen Wetterdienst. Vereinzelt müsse man im nordwestlichen Flachland sogar mit 130 Stundenkilometern rechnen, an der Nordseeküste und in höherem Bergland können schon am späten Nachmittag Geschwindigkeiten bis zu 150 Stundenkilometern erreicht werden.

Hochwasser und schwere Sturmflut

In den südlichen Niederungen bleiben die Sturmböen bei Geschwindigkeiten von 110 Stundenkilometern. Zwischen 16:00 und 24:00 Uhr sind die Böen deutschlandweit am stärksten. "Am sichersten ist es, dann zu Hause zu bleiben", sagte Meteomedia-Meteorologe Holger Starke.

Während ab Mitternacht der Orkan vom Nordwesten her langsam verebbt, bleiben die Windgeschwindigkeiten in den östlichen Bundesländern weiterhin hoch. Dort werden die Orkanböen erst am Abend ihre Spitzengeschwindigkeiten erreichen. Der Wind bleibt im Osten bis zum Freitagmorgen kräftig.

Meteorologen raten, von Nachmittag an zu Hause zu bleiben und Autos nicht unter Bäumen oder am Meer zu parken. Außerdem empfehlen die Experten, Fenster und Türen geschlossen zu halten, Gegenstände im Freien zu sichern und sich von Gerüsten oder Hochspannungsleitungen fernzuhalten.

An den Küsten wird mit Hochwasser und einer schweren Sturmflut gerechnet. Das Hochwasser an der nordfriesischen Küste und im Elbegebiet soll in der Nacht zum Freitag 3 bis 3,5 Meter höher als das mittlere Hochwasser auflaufen. An der ostfriesischen Küste und im Wesergebiet soll die Flut 2,5 bis 3 Meter höher als das mittlere Hochwasser werden.

Dauerregen und Überschwemmungen

Bereits jetzt hat das bevorstehende Orkantief "Kyrill" für Einschränkungen im Fährverkehr an der nordfriesischen Küste gesorgt. Wegen der drohenden Orkanböen von bis zu 140 Kilometern pro Stunde wird der Fährverkehr den gesamten Tag von und zu den Halligen Hooge und Langeneß eingestellt, berichtete die Wyker Dampfschiffs-Reederei. Ab Mittag müsse auch mit Einschränkungen im Fährverkehr Dagebüll-Föhr-Amrum gerechnet werden.

Die Berliner Flughäfen haben sich auf das Orkantief "Kyrill" vorbereitet. Wie der Sprecher der Berliner Flughafen-Gesellschaft, Ralf Kunkel, sagte, werde alles, was herumstehe, "festgezurrt".

Zu Verzögerungen im Berliner Flugverkehr sei es bislang nicht gekommen, sagte Kunkel. In Frankfurt/Main gebe es allerdings durch Ausläufer von "Kyrill" schon erste Verspätungen. Für den Nachmittag rechnet Kunkel mit Verzögerungen auch in Berlin. Flugstreichungen seien bislang nicht absehbar.

In der Hauptstadtregion rechnet der Meteorologe Christoph Gatzen von MC Wetter mit dem schlimmsten Sturm seit 2002. Der könne örtlich regelrechte Verwüstungen hinterlassen, warnte er. Im Sommer 2002 waren bei einem schweren Orkan in der Region acht Menschen ums Leben gekommen.

Für Sachsen-Anhalt sagte der Wetterdienst Sturm mit Windgeschwindigkeiten bis 135 Stundenkilometer auf dem Brocken voraus. In Teilen Nordrhein-Westfalens wird vor 24-stündigem Dauerregen und als Folge Überschwemmungen sowie Erdrutschen gewarnt. Demnach muss dort mit teils 70 Liter Regen pro Quadratmeter gerechnet werden.

Bis zum Mittag warnen die Wetterforscher vor heftigen Stürmen in Teilen Nordrhein-Westfalens, Sachsens, Thüringens und Baden-Württembergs. Die Bürger wurden aufgerufen, weitere Wettervorhersagen mit besonderer Aufmerksamkeit zu verfolgen. Möglich seien schwere Schäden an Gebäuden.

Gefahr durch entwurzelte Bäume

Gefahr drohe durch entwurzelte Bäume sowie herabstürzende Dachziegel, Äste und Gegenstände. Der Deutsche Feuerwehrverband rät, Fahrzeuge sicher abzustellen und Kellereingänge vor eindringendem Wasser zu schützen.

An die Bürger wird außerdem appelliert, die Notrufnummer 112 nur für wirkliche Notfälle zu benutzen. Schäden, von denen keine unmittelbare Gefahr ausgehe, könnten auch nach dem Unwetter gemeldet werden.

Das Technische Hilfswerk (THW) steht wegen des heranziehenden Orkantiefs "Kyrill" mit Tausenden Mitarbeitern bereit. Der Präsident des THW, Albrecht Broemme, sagte dem Nachrichtensender N24: "Es sind Tausende von Helfern informiert, dass sie eventuell heute zum Einsatz kommen müssen. Wenn jetzt ganz Deutschland betroffen ist, dann kann das natürlich sehr heftig werden."

Besonders kritisch seien natürlich Ballungsgebiete, weil dort die Schäden auch besonders groß sein könnten. "Das Rhein/Main-Gebiet ist ein Thema, der Berliner Raum ist ein Thema. Aber das THW mit über 40.000 aktiven Helferinnen und Helfern kann natürlich auf Anforderung der Feuerwehren gute Hilfe leisten", sagte Broemme.

Erste wetterbedingte Einsätze

In der Nacht hat Orkan "Kyrill" sich mit ersten Sturmböen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen angekündigt. Die Feuerwehr musste mehrere Male zu wetterbedingten Einsätzen ausrücken.

Auf der Autobahn 1 bei Wildeshausen (Kreis Oldenburg) wurde ein leerer Lastwagen mit Anhänger vermutlich auf Grund einer Windböe von der Fahrbahn gedrückt und kam auf dem Grünstreifen zum Stehen.

In Hannover drohte eine Plakatwand umzustürzen, außerdem löste sich ein Werbeplakat. Ein Verkehrsschild fiel auf ein Auto. Bereits am frühen Mittwochabend wurde eine Baustellenabsperrung gegen ein Auto gedrückt.

In Pattensen (Region Hannover) stürzte ein Ast auf einen Lastwagen. In Nordrhein-Westfalen mussten die Einsatzkräfte der Feuerwehr Essen zu mehreren umgestürzten Bäumen, überfluteten Straßen und voll gelaufenen Kellern ausrücken. Dabei bekamen sie Unterstützung von den Freiwilligen Feuerwehren.

Auf Sturm folgen milde Temperaturen

In der Nacht zum Freitag bleibt es stürmisch, in einigen Regionen weht der Wind weiterhin in Orkanstärke. Bei rasch wechselnder Bewölkung gibt es auch weiterhin kräftige, schauerartige Regenfälle.

Im Laufe des Freitags lässt der Westwind etwas nach, vormittags muss aber noch mit schweren Sturmböen gerechnet werden. Dabei bleibt es mit 8 bis 14 Grad sehr mild. Gegen Abend lässt der Sturm dann langsam nach.

Der Samstag beginnt zunächst ruhig, teilweise scheint sogar längere Zeit die Sonne. Gegen Nachmittag zieht es sich dann wieder zu, und der Wind frischt auf; in den Bergen kann er erneut Sturmstärke erreichen. Ähnlich lebhaftes und stürmisches Wetter sagen die Meteorologen auch für Sonntag voraus. Erst am Montag ist demnach wieder ruhigeres Wetter zu erwarten.

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