Organisierte Kriminalität:La dolce Mafia

Die Renaissance des Café de Paris in Rom ist wohl der Verbrecherorganisation 'Ndrangheta zu verdanken.

Stefan Ulrich

Es gab eine Zeit, da war die Welt des süßen Seins und schönen Scheins in Rom zu Hause. Wenn sich die Diven, Prinzen, Sternchen und Lebemänner nach Mitternacht im Café de Paris verabredeten, meinten sie keinen Platz an der Seine, sondern eine Bar an der Via Veneto.

Organisierte Kriminalität: Der Kaffee im Café de Paris in Rom könnte einen bitteren Beigeschmack haben.

Der Kaffee im Café de Paris in Rom könnte einen bitteren Beigeschmack haben.

(Foto: Foto: sueddeutsche.de)

Hier tranken Federico Fellini und Anita Ekberg Cappuccino, hier dinierte der ägyptische Ex-König Faruk mit vielleicht nicht immer noblen Blondinen, hier zerlegten die Leibwächter Frank Sinatras die Kameras der Paparazzi. Kurzum: An den Tischchen des Café de Paris zelebrierte man das Dolce Vita.

Später verkam die Via Veneto zur Karikatur ihrer selbst. Noch später warf ein Palästinenser eine Bombe vor das Café. 1992 wurde das Lokal vorübergehend geschlossen, wegen Verschmutzung. Schließlich zog der Geruch von Hamburgern statt des Dufts von Cornetti durch die Räume. In letzter Zeit erlebte das Café de Paris eine Wiederauferstehung.

Die Räume wurden renoviert, das Interieur aufgemöbelt - und es riecht wieder nach frischen Hörnchen. "Café della dolce vita dal 1956", steht stolz am Eingang. Nur: Die Renaissance des Café de Paris könnte der 'Ndrangheta zu verdanken sein, der wohl mächtigsten und reichsten Mafia-Organisation der Welt.

Abermillionen schmutzige Euro

Wie die Zeitung La Repubblica berichtet, kommt die italienische Finanzpolizei in einem neuen Bericht zu dem Ergebnis, das Café de Paris sei von den Clans aus Kalabrien über einen Strohmann gekauft worden. Ein Mann mit kalabrischem Akzent, der in der Nähe des Eingangs stehe und alles aufmerksam überwache, gehöre womöglich dem Clan der Alvaro an.

Der Anwalt des Mehrheitseigentümers des Cafés bestritt am Freitag alle Vorwürfe und meinte, das Geld für den Erwerb der illustren Bar stamme aus absolut legalen Quellen. Welche Version stimmt, müssen jetzt Staatsanwälte und Richter entscheiden. Falls sich dabei der Verdacht bestätigt, solle das Lokal konfisziert und an eine Kooperative übergeben werden, fordert die landesweite Anti-Mafia-Bewegung "Libera".

Die 'Ndrangheta in der legendären Via Veneto? Das klingt übel genug. Doch es kommt schlimmer. Die Ermittler vermuten, in der ganzen Altstadt von Rom sei die kalabrische Mafia auf Einkaufstour. Sie erwerbe Restaurants wie das edle "Alla Rampa" bei der Spanischen Treppe, Bars, Lebensmittel-Firmen, Luxuswohnungen, Finanzinstitute.

Der Grund: Die 'Ndrangheta verdient mit ihren Kerngeschäften Drogen- und Waffenhandel, Erpressung und Wucherei Abermillionen schmutziger Euro. Diese wollen gewaschen sein. Also kaufen sich die Verbrecher-Familien, gerne in bar und zu überhöhten Preisen, in legale Geschäfte ein. Aktiv sind auch die Clans der Vottari-Pelle-Romeo und der Nirta-Strangio aus San Luca. Ihrer Fehde fielen im August 2007 vor dem Restaurant "Da Bruno" in Duisburg sechs Italiener zum Opfer.

"Das Hauptproblem liegt nicht mehr in Palermo oder Neapel, wo es noch nie einen freien Markt gegeben hat", sagt Tano Grasso, der Chef einer Organisation gegen Schutzgelderpressungen. "Es liegt vielmehr in Städten wie Rom, wo es für die Mafia-Organisationen leichter ist, Investitionen in den großen Geldflüssen des Tourismusgeschäfts zu tarnen."

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La dolce Mafia

Der römische Bürgermeister Gianni Alemanno zeigt sich denn auch "tief besorgt" über die jüngsten Enthüllungen und wird sich kommende Woche mit der nationalen Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft beraten. Deren Chef Pietro Grasso verkündet wenig Beruhigendes: Rom sei besonders "appetitanregend" für das organisierte Verbrechen.

Die Clans zielen aufs Zentrum

Dabei sei nicht nur die 'Ndrangheta in Sachen Geldwäsche aktiv, sondern auch die Camorra und die sizilianische Cosa Nostra. "Aber es ist klar, dass die großen Geschäfte zur Zeit in den Händen der Kalabrier sind."Um den Clans den Appetit zu verderben, setzt die italienische Justiz in letzter Zeit verstärkt darauf, Vermögen der Mafia zu beschlagnahmen und einzuziehen.

Doch das wird immer schwieriger. Das Hauptproblem liege darin, die Herkunft von Vermögen und Geld aus Mafia-Geschäften zu beweisen, sagt Pietro Grasso. "Das ist eine komplizierte Arbeit, da die Mafia-Organisationen, und damit auch die 'Ndrangheta, immer raffinierter werden." Sie setzten Finanzexperten und Tarngesellschaften ein, um die Ermittler in die Irre zu führen.

Die 'Ndrangheta ist in Latium, der Region um Rom, schon lange auf dem Vormarsch. Systematisch hat sie Bastionen in Orten südlich der Hauptstadt aufgebaut. In der Hafenstadt Nettuno wurde 2005 der Stadtrat aufgelöst, wegen Durchseuchung durch die 'Ndrangheta.

Das Gleiche droht der Gemeinde Fondi. Die kalabrischen Clans machen sich derweil an die Eroberung Roms. "Erst haben sie die Stadt umzingelt, indem sie in Orten wie Latina, Gaeta und Formia investierten", meint die Organisation Libera. "Nun zielen sie aufs Zentrum."

Geholfen hat der 'Ndrangheta dabei kurioserweise der Staat, wenn auch völlig unfreiwillig. Um die Clans zu schwächen, zwang er um die Jahrtausendwende einige ihrer Mitglieder, ihren Wohnsitz von Kalabrien nach Rom zu verlegen. Die umgesiedelten Mafiosi machten sich bald daran, das neue Geschäftsfeld zu beackern. Der - mögliche - Griff nach dem Café de Paris ließe sich dabei als Machtdemonstration deuten: Die Banditen aus den Bergen Kalabriens sind mitten im Dolce Vita angekommen.

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