Organisierte Kriminalität in Deutschland:Das blutige Geschäft der asiatischen Mafia

Deutsche Fahnder tun sich schwer im asiatischen Milieu. Als erwiesen gilt, dass sich in Deutschland Mafia-Organisationen etabliert haben - besonders brutal sind dabei vietnamesische Gangs. Doch eine Frage, die bislang unbeantwortet blieb, stellt sich auch noch heute: Wer und wo sind die Hintermänner?

Hans Leyendecker

Unter dem Codewort "Aktion Morgenrot" rollten Polizeibeamte vor dreizehn Jahren die China-Gastronomie in Bayern, Thüringen und Sachsen auf. 1300 Polizisten filzten damals 98 China-Lokale auf dem flachen Land, weil sie in der Chop-Suey-Branche "Stützpunkte für "kriminelle Organisationen" (Durchsuchungsbeschluss) vermuteten.

Überliefert ist der Spruch eines Fahnders, der bei einer Razzia in Görlitz erst die deutschen Gäste zum Verlassen eines Lokals aufforderte und dann das chinesische Personal aufforderte, zu bleiben: "Ihr seid Mafia". Die Beamten fanden bei ihrer großen Razzia in drei Bundesländern damals Beweismaterial für Schutzgelderpressung, Geldwäsche und Menschenschmuggel.

Aber ob Frühlingsrollen-Dreher oder Suppen-Köche "die" Mafia sind, ist sehr fraglich: Fest steht, dass sich seit der größten Razzia im chinesischen Milieu im Jahr 1994 wenig an der Ratlosigkeit deutscher Fahnder geändert hat: Regionale Razzien fördern Randerkenntnisse über Randstrukturen, bedrohen aber nicht die kriminellen Kartelle in Fernost. Die Frage, die 1994 unbeantwortet blieb, stellt sich auch noch heute: Wer sind die Hintermänner?

Aus diversen Studien des Bundeskriminalamtes und anderer Sicherheitsbehörden geht hervor, dass sich in Deutschland Geheimbünde und Mafia-Organisationen aus Asien etabliert haben. Vietnamesische Gangs, Angehörige der japanischen Yakuza und der chinesischen Triaden steuern illegale Geschäfte im Bereich des Glücksspiels, der Prostitution oder sie fallen als Schmuggler auf.

Furcht vor Repressalien

Als besonders brutal gelten vietnamesische Verbrecher, die sich in der Vergangenheit vor allem in Berlin und Ostdeutschland Auseinandersetzungen um den Handel mit unverzollten Zigaretten, aber auch um Schutzgelderpressung und Glücksspiel geliefert haben.

Bei Bandenkriegen konkurrierender Gangs der vietnamesischen Zigarettenmafia wurden beispielsweise Ende März 1995 fünf Vietnamesen in einem Wohnheim der Berliner Plattensiedlung Marzahn hingerichtet. Im sächsischen Treuen zogen vietnamesische Mörder ihrem Opfer die Haut ab.

In Halle ermordeten Vietnamesen zwei Landsleute mit Samurai-Schwertern. Informationen aus dem Milieu fließen spärlich. Aussteiger werden von speziellen Kommandos gejagt. Aus Vietnam stammende Bandenmitglieder arbeiten meist für die sogenannten VietGangs, aber mitunter auch für chinesische Banden.

Obwohl nach Einschätzung der deutschen Polizei viele aus Asien stammende Lokalbesitzer von der Mafia aus dem sehr fernen Osten um Schutzgelder erpresst werden, schweigen die Opfer.

Selbst auf die Dolmetscher kann sich die Polizei nicht immer verlassen. "Aus Furcht vor Repressalien" würden Übersetzungen "falsch oder in abgeschwächter Form durchgeführt", heißt es in einer Studie des Bundeskriminalamts. Zeugen würden eingeschüchtert.

Die Tradition der Triaden reicht bis in 18. Jahrhundert zurück

In den Computern der Polizei sind die Namen vieler Verdächtige aus Fernost, aber die Ermittler tun sich in der asiatischen Szene schwer. Die Hintermänner der vietnamesischen Banden werden in Osteuropa vermutet. Die Drahtzieher der chinesischen Banden sollen in den Chinatowns in Großbritannien oder den Niederlanden sitzen.

Es ist nicht einfach, den Überblick zu bekommen: Auch chinesisch-stämmige Auslandsvietnamesen (Viet Kieu) tummeln sich im Bereich der organisierten Kriminalität. Besonders berüchtigt war in den neunziger Jahren eine von boatpeople gegründete Jugendgang, die sich "BTK" nannte - "Born to kill". Durch die Öffnung zum Westen ist Vietnam als Platz für Triaden aus Hongkong uind Taiwan interessant geworden.

Insbesondere bei den Triaden, deren Tradition bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht, herrscht wie in modernen Unternehmungen strikte Arbeitsteilung. Die einen sind für Drogengeschäfte zuständig, die anderen für Erpressung oder Menschenschmuggel.

Sie werden meist kommandiert von einem "Großen Bruder", der sich mit einem Beraterkreis umgibt und weltweit viele kleine Brüder hat. Die Methoden sind ruppig. Wer gegen einen Ehrenkodex verstößt, muss in einigen der Triaden-Gruppierungen damit rechnen, dass ihm die Finger abgeschlagen oder die Augen ausgestoßen werden.

Das blutige Geschäft der asiatischen Mafia

Üblich ist es, bei kleineren Verfehlungen selbst ein Fingerglied abzuschneiden und es dem Anführer untertänigst zu übergeben. Wenn in vietnamesischen Wohnheimen Flugblätter mit Texten wie: "Ein Wurm verdirbt die ganze Suppe" auftauchen, wissen die Angehörigen der Südostasien-Mafia, dass die Konkurrenz ihnen den Krieg erklärt hat.

In Deutschland kam es immer wieder zu Mordfällen im Gaststätten-Milieu, die angeblich auf das Konto von Gangs aus dem Osten gingen: So wurde in Erlangen im Mai 1991 der Chinesen-Wirt Eduard ("Eddy") Ulrich getötet. Die Leiche legten die Mörder auf den Einfädelungsstreifen einer Autobahn.

Menschenschmuggel als florierendes Geschäft

In den Akten der Ermittler findet sich der O-Ton aus einem Telefon-Mitschnitt in Wien: "Sollen wir ihn gleich umlegen?" - "Nein, flieg zuerst nach Madrid abkassieren, das Problem können wir später lösen." Immer stärker ist in den vergangenen Jahren der Menschenschmuggel zum florierenden Geschäftszweig der Ost-Gangs geworden.

Das Schleuser - Geschäft wird vor allem von den "Schlangenköpfen" betrieben. Sie liefern Menschen-Nachschub für die China-Restaurants in Europa, für Taxi-Firmen und andere chinesische Unternehmen. Die "Eingeschmuggelten" müssten die Schleusung durch "harte Arbeit abbezahlen", hat der Fachautor Berndt Georg Thamm in seinem 1996 erschienenen Buch über die Triaden ("Drachen bedrohen die Welt") geschrieben.

Der 264 Seiten starke Report ist das Standardwerk in Deutschland geworden: "Die Zeit der Abzahlung erstreckt sich manchmal über fünf bis zehn Jahre", "Frauen und Töchter der Schuldner" würden nicht selten gezwungen, in Bordellen zu arbeiten, schrieb Thamm.

"Die Triaden arbeiten weitgehend autark"

Weil die USA nach dem 11. September 2001 ihre Grenzen noch rigoroser als früher abschotten, zieht es die Triaden verstärkt nach Europa. Die Zentren liegen in den Niederlanden, England und Frankreich. Deutschland ist vor allem Transitland. Die Neigung der Chinesen, bevorzugt zunächst nach Deutschland zu reisen, hing mit einer deutschen Spezialität zusammen. 2002 waren zwischen beiden Ländern - ähnlich wie mit der Ukraine - Reiseerleichterungen vereinbart und das so genannte Reisebüroverfahren durchgeführt worden.

Die "Schlangenköpfe" machten fortan das große Geschäft. "Die sog. Triaden arbeiten weitgehend autark" schrieb der Bundesnachrichtendienst in einem Bericht über die europaweiten Verästelungen der Schleuser. Im Jahr 2003 hatten alle EU-Staaten 210.000 Visa erteilt. Zwei Drittel waren von deutschen Stellen vergeben worden.

Erst im Zuge der Debatten über die Visa-Affäre wurde den Menschenschmugglern der Weg nach Deutschland erschwert. Auffallend ist, dass die deutsche Polizei heute weniger Erkenntnisse über die Machenschaften asiatischer Clans als noch in den neunziger Jahren hat. Im Fokus der Nachforschungen stehen seit dem 11. September vermutete terroristische Aktivitäten. "Zum Chinesen" oder "zum Vietnamesen" gehen Fahnder meist nur privat.

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