Oprah Winfrey als Präsidentschaftsbewerberin:Yes, Oprah can - aber will sie auch?

Oprah Winfrey

Weiß, wie man ein Publikum für die eigene Sache einnimmt: TV-Moderatorin Oprah Winfrey.

(Foto: AP)

Die US-Moderatorin Oprah Winfrey hat sich als Präsidentschaftsbewerberin 2020 ins Spiel gebracht. Warum auch nicht? Wie man unangenehme Themen verkauft, weiß kaum jemand besser als sie.

Von Johanna Bruckner, New York

Donald Trump und Oprah Winfrey haben bislang genau zwei Dinge gemeinsam. Die erste Parallele liegt auf der Hand: Beide haben in wahnwitzig erfolgreichen Fernsehshows mitgewirkt. Trumps The Apprentice läuft in den USA mittlerweile in der 15. Staffel, jüngst sorgte der Skandal um den Abgang - oder Rauswurf? - von Arnold Schwarzenegger als Moderator für willkommene Aufmerksamkeit. Winfrey moderierte fast 25 Jahre lang die bis heute erfolgreichste Talksendung im US-Fernsehen. Zwischen 1986 und 2000 gewann The Oprah Winfrey Show 47 Emmys, den wichtigsten Fernsehpreis Amerikas - dann entschied sich Winfrey, ihre Show nicht mehr ins Rennen zu schicken. Wohl um anderen Formaten eine Chance zu lassen.

Abgesehen davon haben sich Trump und Winfrey jeweils schon zu Lebzeiten ihr eigenes Denkmal gesetzt. Trump mit seinen phallushaften Hochhäusern. Winfrey, indem sie eine sechsteilige DVD-Box mit ihren besten Fernsehmomenten herausbrachte. Wobei das selbstgewählte Heldennarrativ, das Amerika so sehr liebt, bei einer der prominentesten Frauen Amerikas tatsächlich zutrifft: Sie hat sich hochgearbeitet, vom Mädchen aus Mississippi - dessen Eltern bei ihrer Geburt noch Teenager waren, das mit neun Jahren sexuell missbraucht und mit 14 Jahren zum ersten Mal schwanger wurde - zum Fernsehsuperstar, zur ersten afroamerikanischen Milliardärin der USA. Da liegt der nächste Superlativ nahe: erste Frau im höchsten Amt Amerikas.

In einem in der vergangenen Woche ausgestrahlten TV-Interview sagte Winfrey: "Ich dachte: 'Oh Mann, ich habe keine Erfahrung. Ich weiß nicht genug.' Jetzt denke ich: 'Oh! Oh.'" Amerikanische Medien jubelten angesichts dieser möglichen Bewerbung, und man kann sich vorstellen, dass in der Personalabteilung der US-Demokraten chronische Verzweiflung in akutes Gewinnerfieber umschlug. Doch nur einen Tag später dementierte Gayle King, ebenfalls TV-Moderatorin und mutmaßlich beste Freundin von Winfrey: Oprah werde niemals als Präsidentin kandidieren, das wisse sie aus zuverlässiger Quelle.

Winfreys Unterstützung brachte Obama eine Million Wähler

Ja, man kann gut nachvollziehen, warum Winfreys Äußerung den politisch Verzweifelten ein Lichtblick war, so kurz dieser währte. Aber warum nicht mal dem Gedankenspiel nachgehen: Wie gut wäre Oprah Winfrey als Präsidentschaftsbewerberin? Und selbst wenn die 63-Jährige den Job nicht will: Muss sich das liberale Amerika darauf einstellen, 2020 mit einem eigenen Promi ins präsidiale Rennen zu gehen?

Zunächst zur Klärung der scheinbar widersprüchlichen Aussagen. Winfreys Auftritt in der David Rubenstein Show, in der der amerikanische Milliardär regelmäßig vergleichbar vermögende Menschen interviewt, wurde bereits im Dezember aufgezeichnet. Der Trump-Schock dürfte da noch frisch gewesen sein und könnte Winfrey bewogen haben, ein politisches Amt in Erwägung zu ziehen. Das hatte die Talkshow-Legende bis dahin kategorisch ausgeschlossen ("Die Leute sagen: 'Sag niemals nie', aber wenn es um Politik geht, kann ich sagen: 'Niemals'."). Das heißt allerdings nicht, dass die 63-Jährige in der Vergangenheit unpolitisch gewesen wäre.

Als Barack Obama 2007 ankündigte, für die Demokraten als Präsident zu kandidieren, war Winfrey eine seiner ersten prominenten Unterstützerinnen - und mit Sicherheit die wichtigste. Eine Studie kam später zu dem Ergebnis, dass Winfreys Endorsement dem damaligen Senator aus Illinois in den Vorwahlen etwa eine Million Wählerstimmen brachte. Allerdings, so befanden die Wissenschaftler, schaffe es selbst eine Oprah Winfrey nicht, republikanische Wähler zu Demokraten zu machen - Winfreys Unterstützung bewegte demokratische Wähler lediglich dazu, sich unter den demokratischen Kandidaten für Obama zu entscheiden.

Darin ist Oprah Winfrey so gut wie kaum jemand sonst: Sie kann Menschen dazu bewegen, Dinge zu tun, ohne dass die sich dabei bevormundet vorkommen. In ihrer Show rief die Moderatorin einen eigenen Buchclub ins Leben und brachte ein Fernsehpublikum dazu, zu lesen. Neben dramatischen Geständnissen, wie sie typisch waren für die Talkshows der Neunzigerjahre, konnte der Zuschauer in der Oprah Winfrey Show regelmäßig etwas lernen und bekam Lebenshilfetipps. Als Gastgeberin war Winfrey auch deshalb so erfolgreich, weil ihre eigene Vita Anknüpfungspunkte bot für die Themen, die in ihrer Sendung zur Sprache kamen.

Ihre eigene Essstörung hat Winfrey nie verheimlicht

Mit neun Jahren wurde Winfrey von Familienmitgliedern sexuell missbraucht. Ihr Sohn, den sie mit nur 14 Jahren bekam, starb kurz nach der Geburt. Mit Anfang 20 nahm sie Kokain. Wenn Winfrey über gesunde Ernährung sprach und darüber, wie hart es sein kann, das Richtige zu essen, glaubte man ihr - ihre eigene Essstörung verheimlichte sie nicht. Wer in Winfreys Show kam, musste nie fürchten, niedergemacht oder der Lächerlichkeit preisgegeben zu werden. Darin unterscheidet sie sich von jenem Mann, dem sie ins Amt folgen könnte (zumindest wenn es nach ihren Unterstützern geht): Trumps Fernsehkarriere fußte darauf, dass er die Kandidaten seiner Show verbal ohrfeigte.

Winfrey dagegen schafft es, selbst für Themen Unterstützung zu bekommen, die beim Publikum normalerweise den Was-geht-mich-das-an-Verweigerungsreflex auslösen. Die New York Times ehrte sie deshalb schon mit dem Spitznamen "O-nesco". Als Winfrey 2004 Blasen-Scheiden-Fisteln bei Afrikanerinnen zum Thema ihrer Talkshow machte, kamen in der Folge mehr als drei Million Dollar für ein Krankenhaus im äthiopischen Addis Abeba zusammen, das sich auf die Behandlung des Leidens spezialisiert hat. Die Betroffenen sind meist junge Frauen, die nach schwierigen Geburten Löcher im Unterleib zurückbehalten, durch die sie fortan für den Rest ihres Lebens unkontrolliert Urin und Exkremente absondern. Häufig werden sie deshalb vom Ehemann und ihren Familien verstoßen.

Details wie diese sind wichtig, um zu verstehen, welche Qualitäten Winfrey als Politikerin mitbrächte - abgesehen von ihrem hohen Wählerpotenzial. Zugegeben, Understatement ist nicht ihre Sache. Winfrey ist, auf eine uramerikanische Art, eine Kämpferin für die gute Sache. Ihr Engagement dient nicht dem eigenen Ego (zumindest nicht ausschließlich), ihr geht es um Inhalte. Wenn die manchmal nicht von ihr selbst, sondern von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kommen (wie die Blasen-Scheiden-Fistel-Sache), muss das nicht beunruhigen. Im Gegenteil. Man lernt es zunehmend zu schätzen, wenn Politiker Expertentum respektieren.

Angela Merkel wäre in den USA vermutlich nie Kanzlerin geworden

Es mag verständlicherweise Menschen geben, die nach nur zwei Monaten Trump genug haben von politischem Führungspersonal, das vor allem mit Ahnungslosigkeit und Chaos regiert. Aber die Wahrheit ist eben auch: Die Wahrscheinlichkeit, dass in vier Jahren ein Präsident vom Typus Berufspolitiker ins Weiße Haus einzieht, ist äußerst gering. Angela Merkel wäre in den USA vermutlich nie Kanzlerin geworden. Und ein Präsident Ronald Reagan und ein Gouverneur Arnold Schwarzenegger, beides ehemalige Schauspieler, wären wohl nirgends anders möglich gewesen als in den USA.

Michael Rosenblum, einer der profiliertesten Videojournalisten Amerikas, schrieb jüngst in der Huffington Post: "Wir haben die Aussicht auf eine Trump-Präsidentschaft, die wie eine nie endende Reality Show sein wird, in der Trump seine eigenen Fakten zusammenstellt, seine eigene Welt erschafft, seine eigene Realität hat, und die Zuschauer werden einfach mitmachen. Und warum? Weil immer etwas los ist."

Das amerikanische Publikum wolle Politik als Inszenierung, so Rosenblum, Trump verstehe das wie niemand vor ihm. Als Beleg führt er Zahlen an: Während die Trump-Show The Apprentice mitunter bis zu 21 Millionen Menschen gesehen hätten, komme der politische Spartensender C-Span in einer durchschnittlichen Stunde auf 19 550 Zuschauer. Dieser Vergleich ist natürlich angreifbar, weil Rosenblum rotglänzende Zuckeräpfel mit harten, kleinen Birnen vergleicht. Aber mit differenzierten Argumenten gewinnt man derzeit keinen Meinungskampf, nicht als Journalist und nicht als Politiker. Es braucht gute Geschichtenerzählerinnen und Geschichtenerzähler.

Ob sie nun Oprah Winfrey heißen, Marc Zuckerberg oder Kanye West. Die letzteren beiden haben in der Vergangenheit anklingen lassen, dass sie sich einen Wechsel in die Politik vorstellen könnten - und bislang keinen Rückzieher gemacht.

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