Ötzi:Der Fluch des "Frozen Fritz"

Eine Eismumie und die Phantasie: Sieben Menschen, die mit Ötzi zu tun hatten, sind tot - dennoch melden sich immer neue Finder.

Martin Zips

Ötzi befindet sich in bester Gesellschaft. Hatte nicht schon der Fluch Tutanchamuns den Wellensittich des britischen Forschers Howard Carter dahingerafft? Während der Graböffnung 1922?

Ötzi: Der Ötzi im archäologischen Museum in Bozen.

Der Ötzi im archäologischen Museum in Bozen.

(Foto: Foto: dpa)

Und das war erst der Anfang. Ein halbes Jahr später starb Carters Mäzen Lord Carnarvon an den Folgen einer Blutvergiftung in Kairo. Zeitgleich soll in der ganzen Stadt der Strom ausgefallen sein. Zumindest in des Lords Krankenhaus. Carnarvons Hund wiederum fiel alsbald in London heulend um. Er stand angeblich nie mehr auf. Nach und nach starben allerlei Expeditionsteilnehmer. Mal war's ein Insektenstich. Mal Selbstmord. Zwar wurden die Männer - das belegen aktuelle Studien - alle irgendwie um die 70 Jahre alt. Damals jedoch glaubte man fest an den "Fluch des Pharao". Doch den gibt es natürlich nicht.

Dieser Tage ist gelegentlich vom Fluch des Südtiroler Gletschermannes Ötzi die Rede. Wie weit die Kraft der 1991 am Similaungletscher entdeckten, etwa 5300 Jahre alten Mumie reicht, kann man schon daran erkennen, dass es diesmal einen Archäologen vom anderen Ende der Erde getroffen hat.

"Ein Mumienfluch wirft seinen Schatten"

Tom Loy schrieb in Brisbane gerade an einem Ötzi-Buch, als er für immer einschlief. "A mummy's curse has cast its shadow", wusste darauf die Zeitung The Australian zu berichten. Ein Mumienfluch wirft seinen Schatten.

Und diesmal traf es eben den 63-jährigen Direktor der "Archaeological Sciences Laboratories". Loy soll an einer Blutkrankheit gelitten haben, die erst kurz nach Beginn seiner Ötzi-Forschungen diagnostiziert wurde, so der Australian. Bei der Autopsie seiner Leiche entdeckte man keine eindeutige Todesursache. Das passt. So darf Loy als nunmehr siebtes Ötzi-Opfer gelten.

Dass auch andere Menschen, die mit Ötzi direkt oder indirekt in Kontakt kamen, ähnlich geheimnisvoll das Zeitliche segneten, interessiert die weltweite Ötzologen-Familie.

Autounfall

Der angesehene Innsbrucker Archäologe, der die Mumie einst als Erster näher untersuchte, starb vor einem halben Jahr - mit 65. Bereits vor 13 Jahren war ein 64-jähriger Wissenschaftler, der den gefrorenen Corpus in mehr als 3000 Metern Höhe in eine Plastiktüte verpackt hatte, bei einem Autounfall verunglückt. Gerade war er auf dem Weg zu einem Ötzi-Vortrag. Der Leser erkennt spätestens hier, dass es einigen publizistischen Mut erfordert, sich diesem Thema zu nähern.

Nicht zu vergessen ist in der Reihe der Nürnberger Rentner Helmut Simon, der gemeinsam mit seiner Frau Erika 1991 die Mumie entdeckt hatte. Lange stritten die Simons um ihr Recht, als Finder anerkannt zu werden. Vor einem Jahr verunglückte der 67-Jährige beim Wandern in den österreichischen Alpen. Kurz nach Simons Beerdigung erlag der Chef des Rettungsteams, das den vermissten Rentner gesucht hatte, einem Herzinfarkt, so bestätigt die Bergrettung Salzburg.

Der Fluch des "Frozen Fritz"

Und dann gab es da noch den Alpinisten, der das Forscherteam einst an die Fundstelle geführt hatte - nur zwei Jahre darauf kam er am Berg ums Leben. Ein österreichischer Journalist zuletzt, der Aufnahmen von der Bergung der Mumie machte, starb mit Mitte 40 an einem Hirntumor.

Trotz solcher Geschichten gibt es weiter Menschen, die engen Kontakt zu Ötzi suchen. Die Mitarbeiter des Archäologischen Museums Bozen etwa, in dem der Heruntergekühlte liegt. "Wenn der unmittelbare Kontakt zur Mumie eine Rolle spielt, so müsste ich das nächste Opfer sein", erklärte kürzlich Ötzis Konservator Eduard Egarter Vigl im Scherz.

Mal auf Ötzi gespuckt

Eine bislang völlig unbekannte Frau aus Zürich behauptete gerade, sie sei die wahre Entdeckerin des Eismannes. Ihre These untermauerte sie mit der Feststellung, sie habe 1991 mal auf Ötzi gespuckt. Ihre DNS befinde sich also auf "Frozen Fritz", wie Ötzi im Ausland oft genannt wird.

Außer der Zürcherin beharrt auch eine Slowenin auf dem Titel "Ötzi-Entdeckerin". Bei Dreharbeiten für einen Werbespot sei sie - ebenfalls 1991 - auf Ötzi gestoßen. Vor einem Fluch scheinen sich diese Frauen eher nicht zu fürchten.

Herzprobleme

"Das Bozener Oberlandesgericht stellte vor einem Monat fest, dass allein Helmut und Erika Simon als Ötzi-Finder in Frage kommen", sagt Georg Rudolph, Anwalt von Erika Simon in Nürnberg. "Es wäre schön, wenn die Sache mit dem Finderlohn endlich mal abgeschlossen wird. Ich bin 65 und habe ziemliche Herzprobleme. Schreiben Sie ruhig, dass wahrscheinlich ich das nächste Ötzi-Opfer sein werde."

Nach Rudolphs Meinung wäre es nur redlich, wenn das reiche - an Ötzi gut verdienende - Land Südtirol der Hausmeisterswitwe endlich Finderlohn bezahlen würde. Die heute zurückgezogen lebende Erika Simon kann das Geld gut gebrauchen: Eine Sprecherin der Salzburger Bergrettung sagt, man habe ihr die kostspielige Suche nach dem Ehemann in Rechnung gestellt.

Manuskript noch nicht aufgetaucht

Tom Loy, der australische Forscher, soll mit seinem Ötzi-Buch übrigens fast fertig gewesen sein. Das Manuskript, so schreibt The Australian, sei seit Loys Ableben noch nicht aufgetaucht. Ob auch das etwas mit dem "Fluch des Ötzi" zu tun hat? Nein. Denn einen Fluch des Ötzi, den gibt es natürlich gar nicht.

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