Österreich:Bist du deppert?

Warum einige tölpelhafte Wiener Maturanten noch einmal zur Mathe-Prüfung müssen.

Von Martin Zips

Es gibt zwei Arten von Lehrern, da stimmt die alte, berühmte Verfilmung von Heinrich Spoerls "Feuerzangenbowle" noch immer. Solche wie Professor Bömmel, der Humor und Menschenfreundlichkeit vereint und dabei von der Schülermeute verlacht wird. Und solche wie den Oberlehrer Dr. Brett, der vom lauten Pubertätsgesindel streng Disziplin einfordert - und rätselhafterweise gerade deshalb sehr geachtet wird.

Der Mathematiklehrer, der am Oberstufenrealgymnasium Hegelgasse 14 im schicken ersten Wiener Gemeindebezirk demonstrativ wegschaute, damit seine Schüler die Maturaaufgabe halt irgendwie hinbekommen, muss eher ein Bömmel-Typ gewesen sein. Früher hätten Bömmel-Schüler heimlich selbstgeschriebene Spickzettel ausgerollt. Später wären es immerhin noch auf Miniaturformat getrimmte Scans aus dem Laserdrucker gewesen, mit denen sie betrogen hätten. Doch diesmal soll ein Maturant einfach die Aufgaben mit seinem Smartphone abfotografiert haben. Via Whatsapp schickte er sie einem Fachkundigen jenseits der Schulmauern, und dieser stellte seine Lösungen freundlicherweise gleich in den Klassen-Chat. Alle schauten ins Handy. Und der Lehrer? Schaute weg. In Wien würde man sagen: "Beim Herrn Professor gab's heut' die Würstl gratis."

Hätten am Ende nicht ein paar Prüflinge auf Facebook laut und dämlich damit geprahlt, wäre der Stadtschulrat wahrscheinlich gar nicht auf die Idee gekommen, sich die Arbeiten noch einmal anzusehen. Doch so muss jetzt die komplette 8a - bis auf ein einziges ehrliches Mädchen - im Herbst noch einmal zur Mathe-Matura. Und der arme Lehrer kriegt ein Disziplinarverfahren, die Sanktionen reichen vom Verweis über die Versetzung bis zum Unterrichtsverbot. Wie sagt Bömmel in der Feuerzangenbowle? "Bah, watt habt ihr für 'nen fiese Charakter."

Wegen eines ähnlichen Vergehens muss übrigens auch eine Schulklasse am Oberstufenrealgymnasium Henriettenplatz in Rudolfsheim-Fünfhaus (15. Wiener Gemeindebezirk) in die Nachprüfung. Drum denkt der Wiener Landesschulinspektor Tranninger jetzt über eine generelle Aufstockung des Aufsichtspersonals bei Prüfungen nach. Mehr Brett, weniger Bömmel. So in der Art.

Nein, im Wettlauf mit den Spickmethoden ihrer Schüler ist die heutige Lehrerschaft nicht zu beneiden. Als ein verzweifelter Direktor eines Salzburger Gymnasiums vor vier Jahren die Handy-Schummeleien seiner Maturanten mithilfe eines Störsenders unterbinden wollte, wurde er sogar wegen seines Verstoßes gegen das Telekommunikationsgesetz behördlich abgemahnt. Niki Lauda wiederum gab kürzlich zu, gleich sein gesamtes Abschlusszeugnis gefälscht zu haben. Nur, um seine Eltern zu beruhigen. Und wie sehr wurde in Deutschland bei der WM 2006 der Spickzettel von Torwart Jens Lehmann nach dem gedeihlichen Elfmeterschießen gegen Argentinien gepriesen. Das Papier hat es ins Museum geschafft. Die Menschheit sollte also vielleicht doch wieder ein Auge zudrücken, bei all der Spickerei. Freilich nur bei denen, die nicht anschließend im Netz ihren Bömmel zum Affen machen.

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