Öko-Disco in Rotterdam:Tanzen, bis die Birne glüht

Spaß haben und dabei die Welt verbessern: Im Rotterdamer "Club Watt", der weltweit ersten Öko-Disco, wird aus dem Gehopse auf der Tanzfläche wertvolle Energie gemacht. Von Ann-Kathrin Eckardt

Es haben schon viele große Namen in der West-Kruiskade 26 in Rotterdam gespielt: Prince, die Red Hot Chili Peppers, Nirvana oder Johnny Cash. Auch Amy Winehouse war da. Vor 40 Leuten hat sie damals, als sie noch keiner kannte, im Nighttown in Rotterdam gesungen. Gut vier Jahre ist das jetzt her. Mittlerweile musste der Club schließen. Und auch bei Amy Winehouse war das Ende bisweilen schon sehr nahe.

Öko-Disco in Rotterdam: In der Öko-Disco "Club Watt" soll jeder Gast Energie ertanzen.

In der Öko-Disco "Club Watt" soll jeder Gast Energie ertanzen.

(Foto: Foto: oh)

Doch die Sängerin spielt in dieser Geschichte ausnahmsweise nur eine Nebenrolle, von eigentlichem Interesse ist der Club. Nach zwei Jahren wird er demnächst wiedereröffnet - von neuen Besitzern, mit neuem Namen: Club Watt, die erste Öko-Disco der Welt.

Keine Angst, es geht hier nicht um Birkenstock, Bionade und Fairtrade-T-Shirts. Sondern um Schweiß und durchtanzte Nächte. Oder genauer gesagt, um das, was davon übrigbleibt.

Und um Ted Langenbach. Der 48-jährige DJ ist der Party-Guru Rotterdams. Eigentlich wollte er die nächsten Jahre in Barcelona verbringen. Ein bisschen auflegen, ein bisschen Buch schreiben, ein bisschen Strand. Doch jetzt steht er mit lila Regenjacke, schwarzem Schal und schwarzer Lederkappe in einer Betonhalle im chinesischen Viertel (manche nennen es auch Drogenviertel) von Rotterdam, direkt gegenüber vom Hauptbahnhof.

Draußen riecht es nach Regen, drinnen nach frischer Farbe. Außer dem gelben Watt-Schriftzug auf dem Dach ist sechs Wochen vor der Eröffnung noch nicht viel von seinem neuesten Projekt zu erkennen. "Hier", sagt Ted Langenbach und zeichnet mit der Hand ein Rechteck vor der Bühne nach, "genau hier kommt die Tanzfläche hin."

Um zu verstehen, was es mit der Tanzfläche auf sich hat, macht man am besten einen Schritt vor die Tür. "We want your energy" prangt in schwarzen Großbuchstaben auf den Stellenangeboten, die draußen an der verdreckten Fensterscheibe hängen. Damit sind nicht nur die gesuchten Barkeeper und Türsteher gemeint, sondern auch die Gäste. Sie sollen dem Clubnamen alle Ehre machen: Fünf bis zehn Watt soll jeder Gast ertanzen.

Je wilder die Party, desto besser. Denn die kleinen Platten, aus denen die Fläche besteht, geben bei jedem Schritt leicht nach. Die freigewordene Energie wird in Strom umgewandelt - bei 2000 Gästen genug, um die Tanzfläche zu beleuchten und das DJ-Pult mit Strom zu versorgen. Wie gut ihre Performance ist, können Tanzende an den Lichtern in der Tanzfläche erkennen: Wer schneller tanzt oder höher springt, lässt die Lämpchen heller strahlen.

Das sieht nicht nur schön aus, sondern birgt auch einen erzieherischen Aspekt: "Die Leute sollen ein Bewusstsein für den Strom bekommen", sagt Henk Döll. Sein Architekturbüro in Rotterdam hat das Konzept des "Sustainable Danceclub", der nachhaltigen Disco, zusammen mit der Umweltorganisation Enviu und den Technischen Universitäten Eindhoven und Delft entwickelt.

"Den meisten jungen Leuten ist gar nicht bewusst, dass gerade beim Feiern besonders viel Energie verbraucht wird", sagt Döll. Eine mittelgroße Disco, die jede Woche an drei Abenden geöffnet hat, verbraucht im Jahr 30 Mal so viel Wasser und immerhin 150 Mal so viel Strom wie eine sechsköpfige Familie. Teure Zeiten also für Clubbesitzer.

Der Energieverbrauch des Watt soll 30 Prozent unter dem eines normalen Clubs liegen. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Erfinder, noch bevor der erste Öko-Club eröffnet hat, bereits Anfragen von Clubs aus Sydney, Tokio oder London erhalten. Auch Fitnessstudios haben ihr Interesse schon bekundet.

Doch die niedrigeren Stromkosten sind nur ein Grund. Viel wichtiger ist: Strom wird plötzlich emotional. Kann es eine schönere Alternativenergie geben als tanzende Menschen?

"Ich glaube, das Konzept passt einfach perfekt in unsere Zeit", sagt Langenbach. "Die Leute können Spaß haben, cool sein und ganz nebenher noch ein bisschen die Welt verbessern - ohne dafür mehr zu bezahlen." Seine beiden Partner und er waren deshalb sofort von dem Konzept begeistert, als sie vor zwei Jahren zum ersten Mal davon hörten - auch wenn es in der Umsetzung zunächst wesentlich teurer ist. Denn für den Umbau des Nighttowns in den 800 Quadratmeter großen Club Watt dürfen selbstverständlich nur ökologische Baumaterialien verwendet werden.

Doch allein durch die Biomasse Mensch wird das 30-Prozent-Ziel nicht erreicht. Nachhaltig wird es im Club Watt deshalb auch an den zwei "Zero-Waste-Bars" rechts und links der Tanzfläche zugehen. Der Abfallberg soll mit Hilfe von wiederverwertbaren Hartplastik-Bechern auf ein Minimum schrumpfen. Ein persönlicher Getränkehalter zum Umschnallen soll die Gäste dazu bewegen, ihre Becher mehrfach zu benutzen. Das spart nicht nur Müll, sondern auch Wasser. Die meisten Getränke kommen außerdem aus der Zapfanlage. Dort lässt sich das Bier effektiver kühlen als in Flaschen.

Schweiß als Klowasser

Wie ernst es den Machern der Öko-Disco mit der Nachhaltigkeit ist, wird spätestens dann klar, wenn die Sprache auf die Toilettenspülung kommt. Die soll später einmal mit dem Schweiß der Partymeute funktionieren. Das Kondenswasser von der Decke wird dann gesammelt und in den Klokasten geleitet. Noch allerdings ist das System nicht ganz ausgereift - vorerst wird man sich mit Regenwasser begnügen.

"Wir wollen es aber auch nicht übertreiben", sagt Ted Langenbach. "Die Leute kommen schließlich, um Spaß zu haben und wollen keinen Vortrag über Umweltschutz hören." Er legt großen Wert darauf, dass der Watt-Club eine ganz normale Disco wird. "Mit der Öko-Nummer können wir die Leute vielleicht am Anfang neugierig machen. Langfristig müssen wir mit guter Musik und einer guten Location überzeugen." In den zwei Tanz- und Konzerträumen des Clubs soll eine Mischung aus jungen Bands, bekannten DJs und großen Namen die Stromquoten nach oben treiben.

An dieser Stelle kommt noch einmal Amy Winehouse ins Spiel. 350.000 Pfund soll ihr der Großindustrielle Aryan Tieleman, Mitbegründer des Clubs, angeblich geboten haben, um bei der Eröffnung des "verrücktesten Clubs der Welt" am 4.September zu spielen, schrieb die Sun. Watt dementierte die Gerüchte, ließ aber verlauten: "Es wäre großartig, wenn Amy trotzdem kommen würde."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: