NS-Verbrechen:Schrecklicher Fund im Sauerland

Seit Jahrzehnten gab es im Städtchen Menden Gerüchte über ein geheimes Massengrab der Nazis. Jetzt wurden unter einer Friedhofswiese tatsächlich Skelette von 25 Menschen gefunden worden - die meisten stammen von Kindern.

Unter einer Friedhofswiese in Menden in Nordrhein-Westfalen sind die Skelette von 25 Menschen gefunden worden, die möglicherweise Opfer des NS-Euthanasieprogramms waren.

Es gebe einen "vagen Anfangsverdacht", sagte Oberstaatsanwalt Heiko Oltmanns in Dortmund.

Bei der Suche nach einem Massengrab aus den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs wurden seit Mittwoch zwanzig Skelette von Kindern und fünf Skelette von Erwachsenen entdeckt. Zwei der Kinderschädel ließen darauf schließen, dass die Kinder behindert waren, hieß es. Die Kinder sollen bei ihrem Tod zwischen ein und sieben Jahre alt gewesen sein.

Ohne Sarg beerdigt

Die Grabungen in Menden wurden am Donnerstag von Spezialisten fortgesetzt. Experten des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen und der staatsanwaltschaftlichen Zentralstelle für die Verfolgung von NS-Verbrechen in Dortmund begleiteten die Arbeiten.

Die Suche nach einem Massengrab mit bis zu 200 Leichen war durch Zeitzeugen-Berichte und vielerlei unbestätigte Gerüchte um die "Sondergrabfläche" ausgelöst worden. Die meisten Kinder waren ohne Sarg beerdigt worden. In der Gegend gab es keine Kampfhandlungen, denen die Kinder zum Opfer gefallen sein könnten.

Vielmehr gebe es Zeitzeugen-Berichte, dass von einem nahe gelegenen Ausweichkrankenhaus häufiger Leichen auf den Friedhof in Menden-Barge gebracht wurden. Das Krankenhaus war 1943 im Auftrag von Hitlers Leibarzt Karl Brandt errichtet worden. Brandt war zuständig für die Umsetzung des Euthanasie-Programms.

"Nicht lebenswert"

Der Begriff "Euthanasie" bezeichnet den Mord an Menschen, deren Leben nach NS-Ideologie "nicht lebenswert" war. Dem geheim gehaltenen Euthanasie-Programm fielen zwischen Herbst 1939 und Sommer 1941 in den so genannten Tötungs-Anstalten Grafeneck, Brandenburg, Hartheim, Pirna, Bernburg und Hadamar insgesamt rund 70 000 Menschen zum Opfer, die meisten starben durch Vergasungen oder Injektionen.

Auch nach der offiziellen Einstellung des Programms wurden mehrere zehntausend Behinderte in geheim weitergeführten Aktionen getötet. So wurden nach Angaben des Deutschen Historischen Museums Berlin in vielen öffentlichen Heil- und Pflegeanstalten Patienten durch Injektionen oder durch eine Überdosis Beruhigungsmittel umgebracht.

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