NRW:Abgeblitzt

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Die Radarfalle am Bielefelder Berg knipst täglich 400 Raser. Sie darf stehen bleiben, hat jetzt ein Gericht entschieden.

Wann das Tempo-100-Schild an der Autobahn 2 bei Bielefeld aufgestellt wurde, weiß niemand so genau. "Es war jedenfalls schon da, als ich meine erste Fahrstunde auf der Autobahn hatte", sagt Winfried Kaiser, Richter am Verwaltungsgericht Minden. Das müsse irgendwann Anfang der 1970er-Jahre gewesen sein. Mehr als 40 Jahre später stellte er nun nach mehrstündiger Verhandlung klar: Das Tempolimit darf bleiben. Sehr zum Ärger vieler Autofahrer, die auf der Strecke schon Opfer des berüchtigten Bielefelder Blitzers geworden sind. Einer von ihnen hatte gegen die Geschwindigkeitsbegrenzung geklagt - und war damit auch indirekt gegen die dort aufgestellte Radarfalle vorgegangen, die zu den einträglichsten im Land gehört.

Ein Verkehrsanwalt findet, dass Tempo 100 auf der dreispurigen Straße unnötig ist

Täglich erwischt der Blitzer am Bielefelder Berg im Schnitt 400 Fahrer, die auf der dreispurigen Bahn schneller unterwegs sind als 100 Kilometer pro Stunde. Satte 55 Millionen Euro hat die Anlage seit Inbetriebnahme 2008 der Stadt Bielefeld eingebracht. Nur, davon ist der Klägeranwalt Volker Böger überzeugt, fehle für das Tempolimit jede Begründung.

Am ersten Verhandlungstag im April hatte sich gezeigt, dass die zuständige Bezirksregierung Detmold die alten Unterlagen nicht mehr vorlegen konnte, mit der sie das Tempo-100-Schild seinerzeit anordnete und begründete. Die Verhandlung wurde monatelang unterbrochen, damit die Behörde fehlende Daten nachreichen konnte. Am Donnerstag nun saßen sich die Streitparteien wieder gegenüber: der Verkehrsanwalt Volker Böger, der 2014 erfolgreich ein Tempolimit auf der Fleher Brücke in Düsseldorf kippen ließ, und Vertreter der Regierungsbehörde sowie des für Autobahnen zuständigen Landesbetriebes Straßenbau Nordrhein-Westfalen. Böger bemängelt, die Behörde lege bei ihren Berechnungen zur Notwendigkeit des Tempolimits zu hohe Maßstäbe an, habe Bremswege auf nasser Fahrbahn und zu lange Reaktionszeiten zugrunde gelegt, um Sichtweiten zu beurteilen. Das sieht Richter Kaiser jedoch anders und führt in seiner Urteilsbegründung gleich mehrere Gefahren an, die aus seiner Sicht das Tempolimit angemessen erscheinen lassen: Die Strecke sei kurvenreich und damit schlecht einsehbar. Weiteres Risiko berge die abschüssige Fahrbahn. Die Straßenplaner des Landes gehen von Gefälle bis zu vier Prozent aus. Außerdem sei viel los auf der A 2 in Ostwestfalen. All das sei so gut durch die Fachleute von Straßenbau NRW begründet, dass es den von Klägerseite geforderten Sachverständigen nicht mehr brauche, um festzustellen: Die Strecke ist zu gefährlich, um Geschwindigkeiten jenseits von 100 Kilometern pro Stunde zu zulassen.

Das Urteil dürfte nicht nur das Land, sondern auch den Kämmerer von Bielefeld freuen: Mehrere Millionen Euro Bußgelder fließen bis auf Weiteres in die Kasse der klammen Stadt. Zumindest vorerst. Denn Anwalt Böger will eine Berufung prüfen. Er ist weiter der Überzeugung, dass die Autofahrer ihr Tempo zu Unrecht drosseln müssen, weil die Risikoberechnungen zu streng sind: "Es reicht, dass es dort sicher ist, und muss nicht doppelt sicher sein", sagt er.

© SZ vom 11.11.2016 / dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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