Nordrhein-Westfalen:Spaß auf Zeit

Nordrhein-Westfalen: Seit Jahren wird die Ruhr immer sauberer, von Ufern und Brücken aus ist es kaum nachvollziehbar, warum man hier nicht reinspringen darf.

Seit Jahren wird die Ruhr immer sauberer, von Ufern und Brücken aus ist es kaum nachvollziehbar, warum man hier nicht reinspringen darf.

(Foto: Dorothea Schmid/laif)

Die Ruhr war die am meisten befahrene Wasserstraße Deutschlands und beförderte die Industrialisierung. Vom Sommer 2017 an ist das Baden im einst so grauen Fluss wieder erlaubt - allerdings mit Einschränkungen.

Von Bernd Dörries, Düsseldorf

Baden, so kann man es sehen, ist vielleicht kein Menschenrecht, stellt aber immerhin so etwas wie ein Grundrecht dar, sagt die EU: Flüsse und Seen in Europa stehen in Gemeinschaftsgebrauch, ein Badeverbot müsse also gut begründet werden. Bei der Ruhr musste man in den 1970er-Jahren nicht lange nach Gründen suchen, als es verboten wurde, darin zu baden.

Der Fluss erinnerte vom Geruch an die Krankheit mit dem gleichen Namen, eine entzündliche Erkrankung des Dickdarms. Er war die am meisten befahrene Wasserstraße Deutschlands, er gab einer ganzen Region ihren Namen und beförderte die Industrialisierung. Und die Ruhr spülte den Schmutz von Kohle, Stahl und Abwässern in den Rhein, der sie schlussendlich ins Meer trug. Seit Jahren wird die Ruhr aber immer sauberer, es ist von den Ufern aus nur noch schwer nachzuvollziehen, warum das Baden immer noch verboten ist.

Ab Sommer 2017 soll das Verbot zumindest teilweise fallen, zuerst am Baldeneysee, der aufgestauten Ruhr im Essener Süden; dort soll ein Naturbad gebaut werden, wie der Stadtrat am Dienstag beschloss. Zwei Stege werden gebaut, dazischen soll eine Fläche von etwa vierzig mal zehn Metern zum Badesee gemacht werden.

Das ist nicht sonderlich viel, aber von hoher symbolischer Bedeutung für eine Region, die von außen immer noch oft als grau und dreckig betrachtet wird, in der die Natur aber seit Jahrzehnten die von der Industrialisierung in Mitleidenschaft gezogene Landschaft zurückerobert. Und in der viel saniert wurde.

Um das auch im Rest des Landes bekannt zu machen, hat sich Essen um den Titel der "Grünen Hauptstadt Europas" beworben, für 2017 hat die EU ihr den Titel zuerkannt. Etwa 150 000 Euro kostet das neue Becken, das an historischer Stätte entstehen soll, dort wo also vor dem Badeverbot schon mal ein Seebad existierte. In den kommenden Jahren sollen weitere Badestrände wieder in Betrieb genommen und gar eine Handy-App für die Wasserqualität konzipiert werden. Eine generelle Aufhebung des Badeverbotes wird es aber wohl nicht geben.

Drei Jahre lang hatten 30 Wissenschaftler einen fast 60 Kilometer langen Abschnitt des Flusses untersucht, Wasserproben genommen und ein Frühwarnsystem aufgebaut. Die Forscher rechnen allerdings damit, dass die Badestelle in Essen nur an 20 bis 30 Tagen im Jahr freigegeben werden kann. Nur dann sei die Wasserqualität so gut, dass Schwimmen ohne Bedenken möglich sei. An Regentagen mischen sich immer noch zu viele Abwässer in die Ruhr, dann sei die Keimbelastung zu hoch, um sicher und mit gutem Gewissen baden zu gehen.

Das mit der Sauberkeit sehen viele Menschen im Ruhrgebiet aber ganz anders. An vielen Stellen wird bereits jetzt wild in der Ruhr gebadet. Als die Westdeutsche Allgemeine Zeitung vor zwei Wochen einmal nachschaute, wer denn auf Höhe von Witten so in den Fluss springt, konstatierte sie: Hochbetrieb. "Hier geht niemand baden", sagte ein Badender. "Bei uns fallen die Leute gruppenweise und rein zufällig ins Wasser."

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