Nordrhein-Westfalen:20 Minuten zum Packen

Hochhaus in Wuppertal geräumt

Das Gebäude, in dem 72 Bewohner gemeldet sind, liegt nicht gerade in einer gefragten Wohngegend.

(Foto: dpa)
  • Bereits 2010 hatten die Behörden bei einer Brandschau in dem Wuppertaler Hochhaus schwere Mängel festgestellt.
  • Sie forderten die Besitzer auf, diese zu beseitigen, verhängten sogar Zwangsgelder.
  • Die Bundesländer wollen nun schnell Informationen über vergleichbare Hochhäuser austauschen, teilte das Bundesbauministerium mit.

Von Jan Bielicki, Düsseldorf

Die inserierte Wohnung ist klein, die Miete günstig. Ein Zimmer, 30 Quadratmeter für gerade mal 145 Euro kalt. Gut, die Hilgershöhe im Osten Wuppertals ist nicht die gefragteste Wohnlage. Hier stehen viele Wohnblöcke aus den 50er- und 60er-Jahren, doch selbst für den Spottpreis von 3,25 Euro pro Quadratmeter wird die Wohnung in dem elfstöckigen Hochhaus an der Heinrich-Böll-Straße erst einmal nicht zu vermieten sein.

Denn am Dienstagabend klingelten Mitarbeiter des städtischen Bauordnungsamtes an jeder der 86 Wohnungstüren. 20 Minuten bekamen die Bewohner, um ihre wichtigsten Sachen zu packen, dann mussten sie raus aus ihren Wohnungen. Die Beamten versiegelten die Türen, Handwerker tauschten die Schlösser aus. Die Behörden hätten sich "schweren Herzens" zu dem Rauswurf entschlossen, sagt eine Sprecherin der Stadt, "aber wenn Leib und Leben in Gefahr sind, müssen wir das tun."

Auslöser der Aktion war die Brandkatastrophe in London. Dort waren vor zwei Wochen mindestens 79 Menschen gestorben, nachdem sich ein Feuer entlang der mit brennbaren Elementen verkleideten Fassade eines Wohnhochhauses rasend schnell ausgebreitet hatte. Für die Wuppertaler Brandschützer war das der Anlass, die Feuergefahr in dem Hochhaus auf der Hilgershöhe ganz neu zu bewerten. Denn auch dort gilt die Fassade des Hauses aus den Sechzigern als problematisch.

Die Verkleidung besteht aus Kunststoff und einer Unterkonstruktion aus Holz, das alte Dämmmaterial stellte sich bei Tests als zwar nicht leicht entflammbar, aber doch brennbar heraus. Dazu kommt: Rettungswege führen über Außenbalkone, also entlang der Fassade, zu den Feuertreppen. Eine Brandmeldeanlage, die bei Rauchentwicklung in einer Wohnung automatisch alle Hausbewohner und die Feuerwehr alarmiert hätte, gibt es auch nicht.

Bundesweit gilt das Wuppertaler Haus bislang als Einzelfall

Bereits 2010 hatten die Behörden bei einer Brandschau schwere Mängel festgestellt. Sie forderten die Besitzer auf, diese zu beseitigen, verhängten sogar Zwangsgelder. Doch es passierte wenig, auch weil das Haus mehrmals die Besitzer wechselte. "Wir müssen dann jedes Mal bei Null anfangen", sagt die Stadtsprecherin.

Seit 2013 gehört das Haus dem Berliner Unternehmen Intown, wie eine Firmensprecherin auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung schriftlich bestätigte. Man stehe "in Kontakt mit dem Bauamt Wuppertal" und habe "der Stadt zudem auch Ersatzunterkünfte angeboten", heißt es in der Erklärung.

Die 72 im Haus gemeldeten Bewohner sind derzeit bei Verwandten und Freunden untergekommen, oder in Wohnungen, die die Stadt für Flüchtlinge hergerichtet hatte. Zurückkehren können sie erst, wenn die Fassade entfernt ist. "Wir sind bereits dabei, dies in die Wege zu leiten und durchzuführen", schreibt die Besitzerfirma - aber nicht, wie lange das dauert.

Intown ist Teil eines Konzerngeflechts, das der israelische Immobilientycoon Amir Dayan aufgebaut hat. Wie Intowns Deutschland-Chef Sascha Hettrich der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung sagte, managt das Unternehmen hierzulande "etwa 150 Einzelobjekte mit etwa 2,2 Millionen Quadratmetern Mietfläche, rund 7000 Wohneinheiten und etlichen Hotels." Im Portfolio sind offenbar auch Immobilien, um die es immer mal wieder Ärger gibt - etwa das Ihme-Zentrum in Hannover oder der Wohnkomplex Hannibal in Dortmund.

Bundesweit gilt das Wuppertaler Haus bislang als Einzelfall. Die Feuerwehren der Großstädte hätten sich nach der Londoner Katastrophe "intensiv ausgetauscht", sagt Peter Biermeier, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Berufsfeuerwehren beim Deutschen Städtetag. Eine "konzertierte Aktion" gebe es aber nicht, geprüft werde nur , "wenn es Anhaltspunkte für Gefahren gibt". Die Bundesländer wollen nun schnell Informationen über vergleichbare Hochhäuser austauschen, teilte das Bundesbauministerium mit.

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