Doppelmord in Niedersachsen:Indizien für Sexualverbrechen

Die ermordeten Jugendlichen Tobias und Nina aus dem niedersächsischen Bodenfelde sind vor ihrem Tod vermutlich missbraucht worden. Die Ermittler wollen nicht ausschließen, dass der Täter erneut zuschlägt.

Die erste Pressekonferenz nach dem Auffinden der Leichen zweier Jugendlicher in Niedersachsen hat sich für die Fahnder als ermittlungstaktische Gratwanderung erwiesen: Einerseits ist die Mordkommission "Rechen" auf Hinweise aus der Bevölkerung und deren Interesse angewiesen. Andererseits dürfen die Fahnder nur so wenige Informationen wie möglich über die grausige Tat herausgeben.

Es gebe Indizien für eine mögliche Sexualstraftat. "Das gilt für beide Kinder", sagte Kriminaldirektor Andreas Borchert. Die Leichen seien teilweise entkleidet gewesen.

Es sei selten, dass ein Sexualtäter sowohl Mädchen als auch Jungen als Opfer suche, sagte Borchert. Es gebe eine Gruppe von Tätern, die es auf kleine Kinder abgesehen habe, ihnen sei das Geschlecht oft egal. Dies sei allgemein so und beziehe sich nicht unmittelbar auf den konkreten Fall.

Es gebe zudem einen Hinweis aus der Bevölkerung, dass die Kinder aus einem dunklen Auto heraus angesprochen worden seien. Zu einer möglichen Verbindung zum Fall des verschwundenen Mirco aus dem nordrhein-westfälischen Grefrath, in dem auch nach einem dunklen Wagen gefahndet wird, wollten die Ermittler nichts sagen.

Ein erneutes Zuschlagen des Täters wollten die Ermittler nicht ausschließen. "Das hängt sehr vom psychologischen Profil des Täters ab", sagte Borchert.

Die Leichen des 13-jährigen Jungen und des 14 Jahre alten Mädchens waren am Sonntag nahe beieinander in einem Waldstück am Ortsrand von Bodenfelde im Landkreis Northeim gefunden worden. Wie die beiden Jugendlichen zu Tode kamen, wollte die Polizei aus "ermittlungstaktischen Gründen" nicht sagen.

Er gebe keine Auskunft zu den Verletzungen des Jungen und des Mädchens, sagte der Leiter der Mordkommission, Hartmut Reinecke. Ein Obduktionsergebnis der beiden Leichen liege noch nicht vor, betonte der Göttinger Oberstaatsanwalt Hans Hugo Heimgärtner. Die beiden Jugendlichen hätten keine persönliche Verbindung miteinander gehabt, aber dieselbe Schule besucht. "Daher werden sie sich sicherlich gekannt haben", sagte Heimgärtner.

Die Polizei habe zuvor seit dem vergangenen Dienstag intensiv nach der 14-jährigen Nina gesucht, berichtete Borchert. Die Schülerin sei von ihrer Mutter an diesem Tag vermisst gemeldet worden, verschwunden sei Nina aber bereits am Montag. Das Mädchen sei dann während der vergangenen Woche von Mitschülern im Ort gesehen und auch angesprochen worden, habe sich aber vor den Polizisten versteckt.

"Das ist total gruselig"

Der 13 Jahre alte Tobias hatte am Samstagabend gegen 20 Uhr einen Freund zum Bahnhof in Bodenfelde gebracht, danach wurde er nicht mehr gesehen. Seit Sonntag wurde nach ihm gesucht. Die Mutter habe schließlich die Leiche ihres Sohnes gefunden, sagte Borchert.

Zwei Tote: Mordkommission sucht nach Täter

Entsetzen in Bodenfelde: Anwohner stellen zum Gedenken an die beiden ermordeten Jugendlichen Kerzen auf.

(Foto: dpa)

Die Einwohner des 3000-Seelen-Ortes ringen indes nach Fassung - und trauern um die toten Jugendlichen. Im Ort herrsche tiefe Bestürzung über das unfassbare Verbrechen, sagte Bürgermeister Hartmut Koch. Er hoffe, die Tat werde bald aufgeklärt.

Bereits kurz nach Bekanntwerden der grausigen Nachricht stellten betroffene Nachbarn zahlreiche Kerzen vor das weiß-rote Absperrband im Wald. Menschen standen in kleinen Gruppen zusammen, einige Mädchen brachen in Tränen aus. Die von Scheinwerfern hell erleuchtete Fundstelle in dem kleinen Waldstück war weiträumig abgesperrt. Am späten Abend wurden die Leichen der beiden Mordopfer in die Gerichtsmedizin gebracht.

Am Abend trafen sich etwa 70 Menschen in der Ortsmitte und gingen mit Kerzen in der Hand in die Nähe des Fundortes. Auch Rosen und ein Teddybär wurden neben die Kerzen gelegt. Gemeinsam beteten die Einwohner ein Vaterunser.

Im Ort kursieren zahlreiche Gerüchte. Bereits in der Nacht zuvor, als der Junge nicht nach Hause gekommen war, hätten einige Anwohner nach ihm gesucht, sagt ein Nachbar des Jungen.

Auch bei den Kindern war der Fund der Leichen Hauptgesprächsthema. "Da war alles abgesperrt. Das ist total gruselig", sagte eine Schülerin. Eine weitere Mitschülerin beschrieb die Ermordete als nettes, umgängliches Mädchen.

Die etwa 500 Schüler der Heinrich-Roth-Gesamtschule nahmen am Montagmorgen Abschied von ihren beiden getöteten Schulkameraden. Viele Eltern brachten ihre Kinder mit dem Auto in die Schule, vor der Streifenwagen und Polizeibeamte standen.

Ein Notfallseelsorger der Johanniter-Unfallhilfe kündigte an, dass am Dienstagabend in dem Ort ein Trauergottesdienst abgehalten werden soll. Außerdem werde die Kirche von Montagmorgen an für Trauernde geöffnet sein.

Erinnerung an "Schwarze Witwe" wird wach

Der grausame Tod der Jugendlichen ist nicht das erste schwere Verbrechen in der idyllischen Wesergemeinde - bereits vor gut drei Jahren wurde eine grausige Mordserie bekannt. Im August 2007 wurde aufgedeckt, dass eine frühere Prostituierte vier ältere Männer hatte ermorden lassen. Die hinterher als "Schwarze Witwe" bekanntgewordene Frau hatte alleinstehende, wohlhabende Senioren über Kontaktanzeigen gesucht, ihnen liebevolle Zuwendung und Pflege versprochen und sie zu sich nach Bodenfelde geholt. War das Vermögen der Opfer aufgebraucht, ließ sie sie von einem Gehilfen umbringen. Die Frau wurde im Sommer 2008 zu lebenslanger Haft verurteilt.

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