New York nach "Sandy":Eine Stadt rappelt sich auf

An Normalität ist nicht zu denken: In der Millionenstadt New York sind immer noch mehr als 650.000 Menschen ohne Strom, es gibt kaum Benzin und die Zahl der Todesopfer steigt. Der New-York-Marathon soll aber wie geplant am Sonntag stattfinden.

An Tag drei nach Wirbelsturm Sandy ist für die Menschen in New York an Normalität noch lange nicht zu denken. Die Zahl der Todesopfer an der US-Ostküste ist mittlerweile auf 98 gestiegen. Allein in New York starben nach offiziellen Angaben mindestens 40 Menschen. Mit weiteren Opfern ist zu rechnen.

Inzwischen haben die New Yorker mit den Aufräumarbeiten begonnen: Polizisten und Feuerwehrleute sind dabei, in den besonders betroffenen Gebieten von Haus zu Haus zu gehen, um nach Vermissten und möglichen Opfern zu suchen. Transportflugzeuge der Armee brachten nach Behördenangaben Dutzende schwerer Reparaturlastwagen und ein ziviles Spezialistenteam von Kalifornien auf einen Stützpunkt in der Nähe der Ostküstenmetropole.

1,5 Millionen Mahlzeiten werden verteilt

Etwa 650.000 Bewohner der Metropole sind derweil weiterhin ohne Strom. Der Gouverneur des Bundesstaats New York, Andrew Cuomo, teilte mit, dass etwa eine Million Mahlzeiten in der Stadt verteilt werden sollen. Nationalgardisten und Freiwillige verteilen Nahrungsmitteln an Bedürftige und das Rote Kreuz stellte zwölf Feldküchen bereit, die 200.000 warme Mahlzeiten pro Tag servieren können. Das United States Transportation Command, das normalerweise für Truppentransporte und die Versorgung von Kampftruppen zuständig ist, schickte 55 Lastwagen mit 1,5 Millionen Mahlzeiten nach New York. 1,3 Millionen zusätzliche Rationen stünden für den Bedarfsfall bereit, hieß es.

Der Stromanbieter Con Edison warnte, in einigen Stadtvierteln von New York werde die Stromversorgung erst am 11. November wiederhergestellt sein. Der Süden von Manhattan soll bis Samstag wieder am Netz sein.

Das UN-Hauptquartier in New York ist am Donnerstag erstmals nach drei Tagen wieder zugänglich. An dem Gebäude gebe es "noch nie dagewesene Schäden", erklärte ein UN-Vertreter. So habe der Sturm ein Feuer und eine schwere Überschwemmung der Kellerräume ausgelöst.

Doch die Stadt, die niemals schläft, lässt sich nicht unterkriegen. Trotz all der Opfer und der Schäden soll der weltberühmte New-York-City-Marathon am Sonntag wie geplant stattfinden. Das hat der Bürgermeister der Millionenmetropole, Michael Bloomberg, jetzt in einer Pressekonferenz mitgeteilt.

Diese Entscheidung ist umstritten. "Den Marathon zu laufen ist nicht das, was die Stadt jetzt braucht", schreibt die Tageszeitung New York Daily News. Der Marathon sei ein Symbol für die Vitalität und Widerstandskraft der Stadt, widerspricht Organisationschefin Mary Wittenberg. Daher würden die Planungen fortgesetzt, wenn auch Änderungen, zum Beispiel am Verlauf der Rennstrecke, unausweichlich seien. Das Teilnehmerfeld sei mit Olympiasiegern und -teilnehmern hochkarätig besetzt.

Die Verantwortlichen rechnen außerdem damit, dass das sportliche Großereignis bis zu 340 Millionen Dollar in die Stadtkasse spülen wird. Es gebe "entsetzlich viele Kleinunternehmen, die von dieser Veranstaltung abhängig sind", gab Bürgermeister Bloomberg zu bedenken. Zudem gaben die Organisatoren des Marathons bekannt, die Wohltätigkeitsorganisation New York Road Runners werde mindestens eine Million Dollar für Hurrikan-Opfer stiften.

Suche nach Kapitän der "HMS Bounty" eingestellt

Im benachbarten Bundesstaat New Jersey bildeten sich vor den wenigen geöffneten Tankstellen lange Schlangen von Autos sowie von Fußgängern, die Treibstoff für ihre Generatoren holen wollten. Im Garden State mit seinen knapp neun Millionen Einwohnern ist noch fast ein Viertel der Menschen ohne Strom.

Die US-Küstenwache stellte derweil die Suche nach dem vermissten 63-jährigen Kapitän des gesunkenen Dreimasters Bounty ein. Das für den Film "Meuterei auf der Bounty" gebaute Schiff war am Montag während des Wirbelsturms Sandy in Seenot geraten und vor der US-Ostküste gesunken. 14 Besatzungsmitglieder wurden gerettet, eine Frau wurde bewusstlos aus dem Wasser gezogen und starb wenig später im Krankenhaus.

US-Präsident Barack Obama nahm den Wahlkampf wieder auf, nachdem er ihn wegen der Naturkatastrophe für drei Tage unterbrochen hatte. In einer Rede in Green Bay im Bundesstaat Wisconsin lobte er seine Landsleute dafür, angesichts der Sturmkatastrophe zusammengerückt zu sein.

Für sein Krisenmanagement nach Sandy erhielt der Präsident in einer Umfrage gute Ergebnisse. Wahlkampfhilfe erhielt Obama von New Yorks Bürgermeister Bloomberg, der früher der Republikanischen Partei von Herausforderer Mitt Romney angehört hatte. Bloomberg empfahl, bei der Präsidentschaftswahl am kommenden Dienstag Obama zu wählen, und begründete dies vor allem mit dessen Einsatz gegen den Klimawandel.

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