Nach Zugunglück von Stockholm:Bahngesellschaft nimmt Anschuldigungen gegen Putzfrau zurück

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"Ich kann gar nicht genug bedauern, dass ich das Wort Diebstahl in den Mund genommen habe." Die Bahngesellschaft Arriva und die Bahnaufsicht SL entschuldigen sich bei der Putzfrau, die noch vor Tagen verdächtigt wurde, einen Zug in Schweden entführt zu haben.

Erst hieß es, eine Putzfrau habe in Stockholm einen Vorortzug gekapert und sei damit in ein Wohnhaus gerast. Nun entschuldigte sich die Bahngesellschaft Arriva, ein britisches Tochterunternehmen der Deutschen Bahn, für ihre schnelle öffentliche Anklage gegen die 22-Jährige. Die von der Polizei am vergangenen Dienstag verfügte Festnahme der Schwedin wurde aufgehoben.

Staatsanwaltschaft Pär Andersson attestierte stattdessen dem Bahnbetreiber Arriva und der Bahnaufsicht SL "mehrere ernste Sicherheitsmängel am Zug und auf der Bahnanlage". Sie könnten die Ursache dafür sein, dass sich der Zug irrtümlich in Gang setzte und die katastrophalen Folgen auslöste.

Bei dem im Depot des Stockholmer Vororts Saltsjöbaden abgestellten Zug waren demzufolge weder die Bremsen angezogen noch die Weichen nach draußen korrekt gestellt, wie SL-Sprecherin Suss Forsman Tullberg in Stockholmer Medien bestätigte. Auch sei der Verkehrsleitstand für die Vorortbahn nicht mehr besetzt gewesen. Und dann steckte anscheinend auch noch der Startschlüssel im Führerpult, den die Putzfrau beim nächtlichen Reinemachen dort vermutlich aus Versehen betätigt hatte.

Wie in einem Horrorfilm musste die 22-Jährige miterleben, dass der Zug immer schneller wurde, nach anderthalb Kilometern einen Prellblock durchbrach und sich in ein mehrstöckiges Wohnhaus bohrte. Dass dessen neun Bewohner unverletzt blieben, bezeichnete die Polizei als ein Wunder. Die 22-Jährige war zwei Stunden im Führerstand eingeklemmt und musste per Hubschrauber ins Karolinska-Krankenhaus gebracht werden.

Bahn bietet Frau Hilfe an

Weil der private Bahnbetreiber Arriva sowie dessen Aufsichtsbehörde SL umgehend einen Diebstahl des Zuges als einzig denkbare Ursache nannten, verfügte die Polizei die Festnahme der nicht vernehmungsfähigen Putzfrau. Ansonsten war niemand an Bord gewesen. Arriva-Sprecher Tomas Hedenius sagte: "Wir bedauern, dass wir nicht von Anfang an die Möglichkeit auch technischer Fehler und eines Irrtums als Unglücksursache genannt haben." Man biete der bei einem Subunternehmer angestellten Frau und ihrer Familie "jede erdenkliche praktische Hilfe" an.

SL-Sprecherin Suss Forsman Tullberg sagte im Rundfunksender SR: "Ich kann gar nicht genug bedauern, dass ich das Wort Diebstahl in den Mund genommen habe." Der Gewerkschaftssprecher Johny Nadérus erklärte ebenfalls bei SR: "Arriva sollte sich was schämen." Staatsanwalt Andersson kündigte weitere Ermittlungen wegen möglicher Verstöße gegen die Arbeitssicherheit an. Verantwortlich dafür seien Arriva und SL.

Anmerkung der Redaktion: Auch wir hatten berichtet, die Reinigungskraft habe den Zug gestohlen und sei damit in das Wohnhaus gefahren. Mit diesem Artikel stellen wir den Sachverhalt richtig. Wir haben den Artikel mit den falschen Informationen depubliziert.

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