Nach Vergewaltigungen an US-Unis:Ja zum einvernehmlichen Sex

Jede fünfte Studentin in den USA wird Opfer eines sexuellen Übergriffs, die Täter können meist weiter studieren. Ein Gesetz fordert an kalifornischen Unis nun eine ausdrückliche Zustimmung des Partners vor dem Sex. Eine neue App wählt einen noch expliziteren Weg.

Von Anna Fischhaber

Die Matratze von Emma Sulkowicz kennt inzwischen fast jeder Student in den USA. Die große Matratze mit dem blauen Überzug, die sie aus ihrem Wohnheim geholt hat, ist zum Zeichen ihres Protests geworden. Gemeinsam zieren sie nun sogar das Cover des New York Magazin. Kunststudentin Sulkowicz ist Initiatorin der Aktion "Carry that Weight" ("Schlepp die Last"). Ein Kommilitone habe sie nach einer Party vergewaltigt, doch von der New Yorker Columbia-Universität habe sie keinerlei Unterstützung erfahren, sagt die junge Frau. Im Gegenteil: Sie erlebte nach eigener Aussage eine quälende Anhörung, der Mann studiert noch immer mit ihr.

Seit Wochen protestiert Sulkowicz deshalb mit ihrer Matratze. Andere Studentinnen haben sich der Aktion angeschlossen und unterstützen sie - zu sehen etwa auf Twitter unter dem Hashtag #carrythatweight. Sulkowicz hat offensichtlich einen wunden Punkt getroffen. Einer Studie zufolge sind Studentinnen in den USA besonders gefährdet - jede fünfte wird demnach Opfer eines sexuellen Übergriffs.

Einer Untersuchung der Huffington Post zufolge endet allerdings weniger als ein Drittel der sexuellen Übergriffe mit einem Ausschluss des Täters von der Uni. Ein Report des Weißen Hauses von April 2014 kommt zu ähnlich erschreckenden Ergebnissen: Demnach werden sexuelle Übergriffe auf dem Campus oft von Bekannten begangen. Viele Vergewaltigungsopfer fühlten sich allein gelassen und zeigten die Taten nicht an.

"Von diesen Angriffen werden nur zwölf Prozent gemeldet", sagte US-Präsident Barack Obama, als er vor einigen Tagen eine Kampagne gegen die stillschweigende Duldung von sexueller Gewalt auf dem Campus startete. Das Bildungsministerium geht derweil Beschwerden über Missstände an Dutzenden Universitäten nach, darunter Elite-Hochschulen wie Princeton und Harvard.

Obama will Unis für das Problem sensibilisieren Motto: "It's on us" ("Es hängt von uns ab"). Seine Kampagne soll eine Kultur schaffen, die Vergewaltigungen nicht toleriert. Sie richtet sich an die Campusmitglieder, vor allem die männlichen, und will sie ermuntern, sich einzumischen. Die Logik dahinter: Wenn sechs Prozent der Studenten Frauen angreifen, gibt es immer noch 94 Prozent, die das nicht tun - und folglich etwas unternehmen können, um sexuelle Übergriffe zu stoppen.

Kalifornien fordert Zustimmung zu Sex

Kalifornien geht mit seinem "Yes-means-Yes"-Gesetz ("Ja heißt Ja"), das jetzt von Gouverneur Jerry Brown unterzeichnet wurde, noch einen Schritt weiter. Studenten an staatlich finanzierten Hochschulen müssen demnach den Partner vor dem Sex ausdrücklich um Zustimmung fragen. Diese kann entweder durch Nicken oder durch ein Ja erfolgen.

Eigentlich sollte man meinen, eine solche Zustimmung wäre selbstverständlich: Sex setzt das Einverständnis beider Partner voraus. Oder anders gesagt: Wer gegen den Willen des Partners an ihm eine sexuelle Handlungen vornimmt, macht sich strafbar. Doch so selbstverständlich ist das offenbar nicht. Die klare Definition der Einwilligung zum Sex sei ein extrem wichtiger Faktor bei der Verfolgung sexueller Gewalt auf dem Universitätsgelände, sagte eine Sprecherin der Universität Kalifornien.

Denn wann ist einvernehmlicher Sex überhaupt einvernehmlicher Sex? Das ist gar nicht so leicht zu sagen. Oft findet ein solcher Missbrauch auf Partys statt, bei dem beide Partner nicht mehr nüchtern sind. Zudem tun sich Opfer in vielen Fällen schwer, zu beweisen, dass sie klar eine Ablehnung signalisiert haben. Dem neuen Gesetz zufolge kann die Zustimmung nun nicht mehr von jemandem gegeben werden, der schläft oder durch Alkohol, Drogen oder Medikamente die Kontrolle verloren hat. Auch dass sich jemand nicht ausreichend wehrt, kann nicht mehr als Einverständnis gewertet werden.

App soll Vergewaltigungen verhindern

Zwar haben einige US-Unis bereits entsprechende Standards, Kalifornien ist aber der erste Bundesstaat, in dem nun ein solches Gesetz gilt. Neben der aktiven Zustimmung zum Geschlechtsverkehr verpflichtet es Hochschulen in Kalifornien dazu, ihr Personal im Umgang mit Vergewaltigungsopfern zu schulen - das hätte wohl auch Emma Sulkowicz geholfen.

Im Netz wird das Gesetz kontrovers diskutiert. "Gute Idee, aber die Praxistauglichkeit halte ich für sehr fraglich", schreibt etwa ein Nutzer. Nicht ganz klar ist nämlich nach wie vor: Muss man nun beim Geschlechtsverkehr andauernd nachfragen, ob alles in Ordnung ist? Und auch Gesten oder eben ein Nicken können doch leicht missverständlich sein. Die Regel stifte Verwirrung, schreibt Zeit-Online. Einen noch expliziteren Weg wählt deshalb eine neue App. Auf Good2go können Sexualpartner ihre Einverständnis zum Sex geben - samt Name und Telefonnummer. Aber lassen sich Vergewaltigungen mit Apps verhindern?

Good2go-Entwicklerin Lee Ann Allman erklärte dem Online-Magazin Slate, die Idee sei ihr gekommen, nachdem sie mit Jugendlichen im College-Alter über sexuelle Übergriffe auf dem Campus gesprochen habe. Viele wüssten nicht, wie sie sich jemandem nähern sollen, für den sie sich interessieren. Weil die Jugendlichen gewohnt seien, dass die Technik ihnen das Leben erleichtere, kam ihr die Idee, eine App könnte auch in diesem Fall helfen. Helfen, notwendige Gespräche vor dem Sex zu führen, die eigene Betrunkenheit zu überdenken und daran zu erinnern, dass einvernehmlicher Sex die Zustimmung beider Partner braucht. Eine Zustimmung, die jeder Zeit rückgängig gemacht werden kann.

Um das sicherzustellen, stellt einem die Good2Go-App allerlei Fragen - und weiß folglich auch, mit wem man schläft, wann und wie betrunken man dabei ist. Zudem speichert sie Namen und Telefonnummer der Partner. Eine ziemlich beängstigende Vorstellung - auch wenn Good2Go der Washington Post versicherte, die Daten würden nicht weitergegeben. Gerichte allerdings könnten von diesen Gebrauch machen, warnt Slate. Und hat man erst einmal seine Zustimmung zu Sex gegeben, lässt sich ein Vergewaltigungsvorwurf nur noch schwer beweisen. Egal was in der Nacht weiter passiert. Oder in der nächsten Nacht.

Dann ist es vielleicht doch besser, man redet darüber, was der Partner will. Unabhängig von Apps und Gesetzen. Immerhin aber tragen sie dazu bei, dass in den USA endlich über sexuelle Gewalt auf dem Campus gesprochen wird. Genau wie Emma Sulkowicz mit ihren öffentlichkeitswirksamen Protest mit der blauen Matratze.

(Mit Material von der AFP)

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