Nach Tod von französischer Krebspatientin:Rufe nach Lockerung des Euthanasie-Verbots

Nach dem Tod der unheilbar kranken Chantal Sébire werden in Frankreich Stimmen laut, die eine Aufweichung des Sterbehilfe-Verbots fordern. Premierminister Fillon lässt die Gesetzeslage nun überprüfen.

Der Tod Chantal Sébires zwei Tage nach Ablehnung ihres Antrags auf Sterbehilfe hat in Frankreich Rufe nach einer Lockerung des Euthanasie-Verbots laut werden lassen. Die unheilbar kranke Mutter war am Mittwoch tot in ihrem Haus in Plombières-les-Dijon gefunden worden. Ob sie sich mit Medikamenten das Leben nahm und in ihren letzten Stunden alleine war, war am Donnerstag zunächst weiter unklar.

Chantal Sébire; AFP

"Ich werde von den Schmerzen aufgefressen", sagte Chantal Sébire im französischen Fernsehen.

(Foto: Foto: AFP)

"Ich glaube, die Gesellschaft ist bereit, die Gesetzeslage neu zu bewerten", sagte die Staatssekretärin für Familie, Nadine Morano, dem Sender France Info. Sie plädierte für eine Ausnahmeregelung. Eine ranghohe Kommission müsse geschaffen werden, um in besonderen Einzelfällen wie dem Sébires Sterbehilfe möglicherweise zuzulassen.

Auch der sozialistische Abgeordnete Nièvre Gaetan Gorce erklärte, der Staat dürfe die Kranken und ihre Familien nicht ohne Ausweg in ihrer dramatischen Situation lassen. "Eine hohe moralische Autorität muss einen Arzt autorisieren können, der Forderung des Kranken nachzukommen, wenn es keine andere Lösung gibt."

Sébire, Lehrerin und Mutter von drei Kindern, litt seit acht Jahren unter einem immer größeren Tumor im Gesicht, in der Fachsprache als Esthesioneuroblastom bezeichnet. Er fraß ihre Nasenhöhle auf, Augen und Nase wurden nach außen gedrückt, zuletzt kam eine Erblindung hinzu. "Ich werde von den Schmerzen aufgefressen", berichtete Sébire im Fernsehen.

Der Präsident des Verbandes für das Recht auf einen würdevollen Tod (ADMD), Jean-Luc Roméro, würdigte Sébire als außergewöhnliche Frau, die die Franzosen trotz ihres Leidens sensibilisiert habe. "Ihre Botschaft ist wichtig." In Frankreich gebe es bis zu 15.000 Fälle von illegaler Sterbehilfe. "Schmerzlindernde Maßnahmen sind keine ausreichende Antwort, wir brauchen andere Antworten", erklärte Roméro.

Premierminister gibt Prüfung des Gesetzes in Auftrag

Premierminister François Fillon hat eine Prüfung des Gesetzes von 2005 angeordnet. Der Abgeordnete und Kardiologe der Frau, Jean Leonetti, sollte beurteilen, ob ein Ausschuss eingerichtet wird, der in Härtefällen entscheidet. "Man muss auch die schmerzhaftesten Fälle wie den von Chantal Sébire berücksichtigen", betonte Regierungssprecher Luc Chatel. Seit einer Reform vor drei Jahren dürfen unheilbar kranke Patienten lebenserhaltende Maßnahmen verweigern. Die Verabreichung tödlicher Dosen von Schlaf- oder Schmerzmitteln ist aber weiter strafbar.

Der Präsident des nationalen Ethik-Ausschusses sprach sich gegen eine Gesetzesänderung aus: "Frankreich ist nicht Belgien oder die Niederlande (wo Sterbehilfe erlaubt ist)", sagte Didier Sicard. Das Schlimmste wäre eine überstürzte Parlamentsdebatte. Der Präsident der Nationalversammlung, Bernard Accoyer, warnte zugleich davor, sich von allzu heftigen Gefühlen leiten zu lassen, auch wenn Sébires Schicksal "besonders bewegend" sei.

Ein Gericht in Dijon hatte den Antrag der 52-Jährigen auf aktive Sterbehilfe am Montag abgelehnt. Sie wollte sich im Beisein ihrer Ärzte und Familie mit zehn Gramm des Hypnotikums Pentothal das Leben nehmen. Sébires Anwalt Gilles Antonowicz kritisierte die Entscheidung des Gerichts und sagte: "Das Gesetz ist unmenschlich."

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