Nach Mord an Ägypterin in Dresden:"Wir wollen Vergeltung"

"Nieder mit Deutschland": Der Mord an einer schwangeren Ägypterin in einem Dresdner Gerichtssaal sorgt in ihren Heimat für Empörung. Ihre Beerdigung geriet zur Demonstration.

Tomas Avenarius

Der Mord an einer schwangeren Ägypterin in einem Dresdner Gerichtssaal erregt in der ägyptischen Öffentlichkeit zunehmend Aufsehen. Mehr als tausend Menschen nahmen bei einem Trauerzug am Montag in der Hafenstadt Alexandria Abschied von der Getöteten, auch der deutsche Botschafter zählte zu den Teilnehmern.

Nach Mord an Ägypterin in Dresden: Tausende Ägypter begleiteten in Alexandria den Sarg der 32-jährigen Frau, die im Gericht in Dresden erstochen wurde.

Tausende Ägypter begleiteten in Alexandria den Sarg der 32-jährigen Frau, die im Gericht in Dresden erstochen wurde.

(Foto: Foto: AP)

Die Beerdigung geriet zur Demonstration. Einige der Trauergäste riefen "Nieder mit Deutschland" und "Wir wollen Vergeltung". Es waren aber auch nachdenklichere Stimmen zu hören: "Warum wurde Marwa getötet?", stand auf einem Transparent. Die Leiche der 32-jährigen Apothekerin war zuvor von Berlin nach Kairo geflogen worden.

Da das Opfer als gläubige Muslima einen Schleier getragen hatte, wird die Tat nun in einzelnen Medien als Beweis für Hass auf Muslime in Deutschland gewertet. Die Details bleiben dabei meist außen vor: Marwa Al-Sherbini war während eines Gerichtsverfahrens von einem Russlanddeutschen erstochen worden, den sie selbst zuvor erfolgreich wegen einer islamfeindlichen Beleidigung angezeigt hatte.

Die mörderische Tat des erst 2003 nach Deutschland gekommenen Mannes sagt daher mindestens so viel über die in Russland vorherrschende Islamphobie aus wie über Fremdenfeindlichkeit in Deutschland.

Die Frau war am vergangenen Mittwoch von dem 28-jährigen Russlanddeutschen im Gerichtssaal mit 18 Messerstichen getötet worden. Ihr dreijähriger Sohn wurde Zeuge der Tat.

Der Ehemann, ebenfalls Ägypter, wurde schwer verletzt, als er ihr zu Hilfe eilte. Von Stichen bereits schwer verletzt, wurde er nach Angaben der Dresdner Staatsanwaltschaft von einem deutschen Polizisten gezielt ins Bein geschossen. Der Beamte sei zu Hilfe geeilt, habe die Situation verkannt und im Angesicht des Handgemenges Opfer und Täter verwechselt.

Die ägyptische Regierung bemühte sich weiter, den Fall sachlich zu behandeln. In einigen Medien wird die Tragödie dagegen sehr einseitig dargestellt. So fehlt in der Berichterstattung, dass die Ägypterin vor einem deutschen Gericht eben wegen der Beleidigung als Muslima recht bekommen hatte - auch das Berufungsverfahren des Täters wäre nach Auskunft von Fachleuten wohl zugunsten der Frau ausgegangen.

Der Angeklagte hatte die 32-Jährige, die stets ein Kopftuch trug, auf einem Dresdner Spielplatz als "Islamistin", "Terroristin" und "Schlampe" beschimpft. Er war zu 780 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Der Mord geschah während des von ihm angestrebten Berufungsverfahrens.

Die Zeitung Masr Aljoum zitierte einen Politologen der Kairo-Universität. Abdel Moneim el-Moshat sagte: "Wäre die Opferfamilie jüdisch oder israelisch gewesen, hätte Deutschland auf dem Kopf gestanden." Auch Fernsehkommentatoren und zugeschaltete Zuschauer sahen den Beweis, dass Deutschland islamfeindlich sei und Muslime verfolgt würden. Einzelne Kommentare sprachen sogar von "Terrorismus".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: