Nach Havarie des Kreuzfahrtschiffs "Costa Concordia":Opfer identifiziert - Kapitän verhaftet

Nach dem Schiffsunglück vor der Westküste Italiens erheben die Behörden schwere Vorwürfe gegen die Besatzung: Kapitän und erster Offizier hätten die Brücke verlassen, bevor alle Passagiere gerettet worden seien. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung und hat den Kapitän in Haft genommen. Noch immer suchen Rettungskräfte nach Dutzenden Vermissten. Die drei Todesopfer sind mittlerweile identifiziert, auch deutsche Urlauber wurden verletzt.

Es sollte eine einwöchige Mittelmeerkreuzfahrt werden, doch kurz nach dem Start läuft die Costa Concordia mit über 4200 Menschen vor der toskanischen Küste auf Grund. Mindestens drei Menschen sterben - und Dutzende werden vermisst.

Nun ist die Identität der Toten geklärt: Zwei französische Touristen und ein peruanisches Besatzungsmitglied sind bei dem Schiffbruch ums Leben gekommen. Die drei Leichen seien in der Zwischenzeit identifiziert, die Männer wahrscheinlich ertrunken, berichtete die italienische Nachrichtenagentur Ansa. Kontrollen der an Land gebrachten mehr als 4000 Menschen ergaben, dass 67 von ihnen verletzt sind oder zumindest medizinisch beobachtet werden müssen.

Nach Informationen des Reiseveranstalters sind zehn bis zwölf der mehr als 500 deutschen Passagiere verletzt worden. Der Pressesprecher von Costa Kreuzfahrten erklärte am Samstagabend, dass die Urlauber bereits wieder nach deutschland zurückgekehrt seien. Man habe sie mit Linienmaschinen nach Deutschland geflogen. Das Auswärtige Amt bestätigte, dass man von mehreren deutschen Verletzten ausgehe.

Am Abend wurden noch Dutzende Passagiere und Besatzungsmitglieder des Kreuzfahrtschiffes vermisst. Bisher wisse man nicht, was mit knapp 70 Passagieren oder Besatzungsmitgliedern passiert sei, teilte der Präfekt der Provinz Grossetto, Giuseppe Linardi, bereits am Mittag mit. Inzwischen wurde die Zahl der Vermissten nach italienischen Medienberichten auf etwa 40 korrigiert.

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Kapitän wegen fahrlässiger Tötung

Unterdessen berichten die Mailänder Zeitung Corriere della Sera und der staatliche Rundfunk Rai übereinstimmend, dass Francesco Schettino, der Kapitän der Costa Concordia, in Haft genommen wurde. Das habe die Staatsanwaltschaft in Grosseto bestätigt, nachdem der Kapitän mehrere Stunden verhört worden sei. Schettino hatte zuvor in einem italienischen Fernsehsender gesagt, sein Schiff habe einen Felsvorsprung gerammt. Laut seinen Seekarten hätte aber genug Wasser zwischen dem Luxusliner und dem Felsen sein müssen.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und Herbeiführung eines Schiffbruchs. Auch gegen den ersten Offizier der Costa Concordia sei Untersuchungshaft angeordnet worden. Genau wie dem Kapitän werde ihm vorgeworfen, das Schiff verlassen zu haben, bevor alle Passagiere gerettet worden seien.

Der Staatsanwalt von Grosseto, Francesco Verusio, erklärte vor Journalisten, der Kapitän habe sich zudem mit dem Luxusliner "sehr ungeschickt" der Insel Giglio genähert und einen Felsen gerammt, der sich in die linke Seite des Schiffs gebohrt habe. Dadurch sei das Schiff auf die Seite gekippt, innerhalb von "zwei, drei Minuten" sei eine riesige Menge Wasser durch den 70 bis 100 Meter langen Riss eingedrungen.

Über die Ursache des Unglücks gibt es indes noch keine genauen Erkenntnisse: Nach ersten Ermittlungen hatte die Crew einen Stromausfall gemeldet, bevor das Schiff vom Kurs abkam. Der Kapitän habe dann entschieden, das Schiff evakuieren zu lassen.

Das 290 Meter lange Kreuzfahrtschiff hatte am Freitagabend unmittelbar vor der Küste der Insel Giglio einen Felsen gerammt und war leck geschlagen. Das Schiff hatte sich daraufhin stark zur Seite geneigt. Einige Passagiere seien daraufhin in Panik in das eiskalte Wasser gesprungen, berichten italienische Medien. Drei Menschen waren nach dem Unglück tot aus dem Meer geborgen worden.

Notfall-Hotline eingerichtet

Nach Informationen der Küstenwache waren etwa 3200 Passagiere und etwas mehr als 1000 Besatzungsmitglieder an Bord. An Bord waren dabei neben 1000 italienischen und 160 französischen auch etwa mehr als 500 deutsche Passagiere. Laut einer Sprecherin des Auswärtigen Amtes gibt es keine Hinweise auf Deutsche unter den Opfern.

Für Informationen hat das Kreuzfahrtunternehmen Costa eine Hotline mit der Rufnummer 040/570121314 eingerichtet. Auf seiner Webseite sprach das Unternehmen von einer "Tragödie", die ersten Gedanken seien den Opfern gewidmet.

Szenen wie im Film "Titanic"

Francesco Paolillo von der Küstenwache berichtete, das Schiff habe "ein Hindernis getroffen, das ein 50 Meter langes Loch in den Rumpf gerissen hat." Wasser sei eingedrungen, das Schiff habe sich daraufhin zur rechten Seite geneigt. Zwölf Stunden nach dem Unfall lag es fast waagerecht auf der Seite im Wasser. Paolillo sagte, der erste Alarm sei am Freitag gegen 22.30 Uhr eingegangen, etwa drei Stunden nach dem Ablegen des Schiffs von Civitavecchia.

Ein Großteil der Passagiere und Besatzungsmitglieder an Bord wurde mit Rettungsbooten vom Schiff gebracht, nachdem die Costa Concordia auf Grund gelaufen war. Als das Kreuzfahrtschiff immer mehr Schlagseite bekommen habe, hätten fünf Hubschrauber der Küstenwache, der Marine und der Luftwaffe die noch etwa 50 an Bord verbliebenen Menschen geborgen, sagte Paolillo. Sie hatten sich nicht mehr in Sicherheit bringen können, weil das Schiff so stark Schlagseite bekommen hatte, dass keine Rettungsboote mehr zu Wasser gelassen werden konnten.

Eine Reihe von Passagieren klagte, die Besatzung habe für die Rettungsaktionen nicht richtig ausgebildet gewirkt. Die Evakuierung sei viel zu spät eingeleitet worden und chaotisch gewesen.

Der Deutsche Peter Honvehlmann aus Nordrhein-Westfalen gehört zu denjenigen, die das schwere Schiffsunglück vor der toskanischen Küste erlebten. In einem Telefonat mit der Nachrichtenagentur dpa schilderte er seine Eindrücke. Es sei seine erste Kreuzfahrt gewesen - "und sicherlich auch die letzte". Unversehrt war der 38-jährige Geschäftsmann zusammen mit seiner Frau gleich zu Beginn der Evakuierung von Bord gebracht worden. "Es ging ein Ruck durch das Schiff", erzählt der Deutsche, über den Unglücksmoment. "Innerhalb kürzester Zeit bekam es eine Schräglage, so dass die Vasen von den Tischen fielen, von den Tresen fiel alles runter, (...) einige Leute stolperten von den Treppen runter." Es sei ähnlich wie im Film Titanic gewesen.

Zunächst seien die Passagiere von einem technischen Defekt unterrichtet worden, sagte Honvehlmann. Die Mannschaft habe versucht, die Leute zu beruhigen. "Dann trieb das Schiff immer mehr auf die Küste zu." Die Lage sei anfangs chaotisch gewesen, in den Booten aber hätten die Leute relativ ruhig gesessen. Nach dem Abseilen sei das Boot innerhalb von fünf Minuten im nahe gelegenen Hafen gewesen, wo die Passagiere unter anderem mit Decken und warmer Kleidung versorgt worden seien.

Das Schiff gehörte zu den größten seiner Art

Nach Angaben italienischer Reporter ereignete sich der Aufprall während des Abendessens. "Wir saßen zu Tisch, als die Lichter ausgingen. Plötzlich hörten wir ein lautes Geräusch, also ob der Kiel über etwas hinwegschleift," zitierte der staatliche Rundfunk den Journalisten Luciano Castro. Das Licht sei ausgegangen, "und es gab Panikszenen, Gläser fielen zu Boden".

Eine Frau, die als Tänzerin auf dem Schiff gearbeitet hatte, musste besonders lang ausharren - und setzte in der Nacht zum Samstag eine Botschaft bei Twitter ab: "Ich bin eine der letzten Überlebenden an Bord. Beten Sie für uns, das wir gerettet werden."

Die Costa Concordia befand sich nach Angaben der Reederei Costa Cruises auf einer achttägigen Kreuzfahrt vom italienischen Civitavecchia über Savona, Marseille, Barcelona, Palma de Mallorca, nach Cagliari und Palermo.

Nach Angaben der Agentur dpa wurde das Schiff bereits 2008 beschädigt, als es bei schwerem Sturm in den Hafen von Palermo einfuhr und die Hafenbefestigung rammte und war beschädigt worden.

Nach Angaben des Eigners gehörte das Schiff zu den neuesten und größten Kreuzfahrtschiffen, die derzeit auf den Meeren unterwegs sind. Es wurde 2006 gebaut und bietet in 1500 Kabinen Platz für 3780 Passagiere. Betreiber ist das italienische Kreuzfahrtunternehmen Costa Crociere mit Sitz in Genua. Das Schiff misst 290 Meter und ist gut 35 Meter breit. An Bord befinden sich auf 17 Decks neben fünf Restaurants auch ein Theater, ein Kino sowie Clubs und Diskotheken.

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