Nach den Tornados in den USA:Land unter am Mississippi

Nur die Ältesten erinnern sich noch an die Flutkatastrophe 1927, als 250 Menschen in dem Wasser des Mississippi umkamen. Nun drohen weit schlimmere Überschwemmungen - wieder einmal trifft eine Naturkatastrophe die armen US-Bundesstaaten.

Jeanne Rubner

Die Riverboat Casinos, die schwimmenden Spielhallen am Ufer des Mississippis, haben bereits geschlossen. Das ist ein schlechtes Zeichen. Schließlich wird hier mit Automaten, Roulette und Blackjack viel Geld verdient, das Spielen ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor entlang von Amerikas größtem Fluss. Doch dessen Pegel steigt und steigt. Nach der verheerenden Serie von Tornados, die Mitte vergangener Woche über den Südosten der USA hinwegfegten und fast 350 Todesopfer forderten, fürchten die vom Sturm gebeutelten Menschen nun eine Jahrhundertflut. "Jahrhundertflut?", fragt der Hydrologe Gene Rench vom Nationalen Amt für Wasserwirtschaft, um gleich darauf zu antworten: "Nein, das hier ist ein episches Ereignis, es könnte eine Fünfhundertjahresflut werden."

Nach den Tornados in den USA: Dramatische Folgen der Unwetter in den USA: Der Ohio River und der Mississippi treten über die Ufer.

Dramatische Folgen der Unwetter in den USA: Der Ohio River und der Mississippi treten über die Ufer.

(Foto: AP)

Die Bundesstaaten Mississippi und Louisiana haben bereits Katastrophenalarm ausgerufen. Die Zeitungen drucken Bilder von den bisher schlimmsten Überschwemmungen, der "Großen Flut", an die sich die Älteren noch erinnern. Das war im Jahr 1927, damals kamen etwa 250 Menschen um, die wirtschaftlichen Schäden waren enorm. Viele fürchten, dass sich die Wassermassen, die sich nun ihren Weg von Nord nach Süd bahnen, ebenso schlimm auswirken könnten. Zumindest ist die Region besser vorbereitet: Nach dem Jahrhunderthochwasser bauten die Techniker des US Army Corps of Engineers zahlreiche Deiche, Dämme und Reservoirs.

Manche dieser Schutzeinrichtungen könnten jetzt erstmals zum Einsatz kommen, sagte A. C. Wharton, der Bürgermeister von Memphis, Tennessee. Dort sind bereits 50000 Sandsäcke gestapelt, städtische Busse stehen bereit, um Menschen aus der Metropole zu bringen. Schon jetzt hat der Pegel wegen der Schneeschmelze und des Regens, den die Tornados mitbrachten, Rekordniveau erreicht: In Natchez, der ältesten Siedlung am Mississippi und beliebter Touristenort, wurden 45,5 Fuß (13,87 Meter) gemessen. Binnen zwei Wochen könnte, so die Vorhersagen, der Wasserstand auf 60 Fuß steigen - das wären mehr als 18 Meter und zwei Fuß mehr als der höchste gemessene Pegel im Jahr 1937, zehn Jahre nach der Großen Flut.

In der Stadt Cairo im Südzipfel von Illinois, wo der Fluss Ohio in den Mississippi mündet, waren am Sonntag bereits 53,5 Fuß erreicht. Am Dienstag sollen es 60 Fuß sein, bereits ein Pegel von 40 gilt als Hochwasser. Der bedrohte Ort ist zum Schauplatz eines erbitterten Streites zwischen den zwei benachbarten Bundesstaaten Illinois und Missouri geworden. Um die größtenteils von Schwarzen bewohnte und inzwischen evakuierte Stadt zu schützen, will das Army Corps of Engineers ein zwei Meilen großes Loch in einen Deich sprengen, um das Wasser des Mississippi abfließen zu lassen. Damit aber würde fruchtbares Ackerland in Missouri überschwemmt und, so fürchtet man dort, auf Jahre hin unfruchtbar gemacht. Missouris Generalanwalt wollte die Sprengung des Deichs verhindern und hat den Obersten Gerichtshof angerufen. Vergeblich. Am Sonntag lehnten die Richter in Washington eine Klage ab. Illinois darf sprengen.

Auch in Louisiana zittern die Anwohner des Mississippi. Die Flut wird zwar den Nordteil des Bundesstaates erst Mitte Mai und die Hauptstadt Baton Rouge in drei Wochen erreichen. Doch Louisiana leidet noch am Katrina-Schock. Noch immer wird daran gearbeitet, die Folgeschäden des verheerenden Hurrikans von 2005 zu beseitigen. Das Army Corps hat Milliarden Dollar ausgegeben, um den Hochwasserschutz von New Orleans zu verbessern - allerdings hat man vor allem die Deiche des Lake Pontchartrain im Norden der Stadt erneuert, nicht jene des Mississippis im Süden. 2005 hatten sie standgehalten, nun hofft man, dass wieder nichts passiert.

Louisiana, Mississippi, Alabama - wieder einmal trifft eine Naturkatastrophe die armen Bundesstaaten der USA. Dort leben besonders viele Schwarze, und die meisten Bewohner können sich als Häuser nur "Mobile Homes", also bessere Wohnwagen, leisten. Das ist auch ein Grund dafür, warum im Bundesstaat Alabama das Arbeiterviertel Pratt City in Birmingham oder die Stadt Tuscaloosa nach der Tornado-Serie wie Trümmerfelder aussehen: Viele Mobile Homes sind wie Kartenhäuser in sich zusammengefallen. Allein in Tuscaloosa kamen 50Menschen ums Leben, der Bundesstaat hat inzwischen 254 Opfer zu beklagen und viele Menschen werden noch vermisst. Doch auch andere Orte haben die Stürme dem Erdboden gleich gemacht. Die 900-Einwohner-Gemeinde Smithville (Mississippi) etwa existiert praktisch nicht mehr.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: