Nach Brand im Flüchtlingsheim:"Es stimmt nicht, dass hier nur Nazis rumlaufen"

Was ist los in dieser Stadt, in der NPD und AfD bei der Landtagswahl 2014 ein Viertel aller Stimmen holten? Eveline Günther, engagiert im Bündnis "Bautzen bleibt bunt", spricht über den Brand im geplanten Flüchtlingsheim und erklärt, warum Sachsen-Bashing jetzt der falsche Weg ist.

Interview von Julian Dörr

In Bautzen brennt eine geplante Flüchtlingsunterkunft. Und Schaulustige jubeln und hetzen auf der Straße. Eveline Günther ist Dramaturgin des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters und engagiert sich im Bündnis "Bautzen bleibt bunt".

SZ.de: Ende Januar fand in den Räumen Ihres Theaters eine Einwohnerversammlung zur geplanten Flüchtlingsunterkunft im "Husarenhof" statt. Wie haben Sie die Stimmung an diesem Tag erlebt?

Eveline Günther: Aufgrund des großen Interesses mussten wir damals in den Theatersaal umziehen. Und auch der war mit seinen 420 Plätzen krachvoll. Die Stimmung an diesem Tag war zwar emotional, aber doch sachlich. Die Leute konnten Fragen stellen, denn im Vorfeld gab es einige Irritationen. Im Nebengebäude des "Husarenhofs" befinden sich eine Arztpraxis und ein Kosmetikstudio. Und denen wurde vom Inhaber der Immobilie gekündigt. Das hat eine negative Stimmung erzeugt: Arbeitsplätze fallen weg, Asylanten kommen. Obwohl Oberbürgermeister Alexander Ahrens auf der Versammlung versprach, sich um neue Räumlichkeiten für die betroffenen Läden zu bemühen.

Kamen zu dieser Einwohnerversammlung dieselben Menschen, die vergangene Nacht vor dem brennenden Haus standen und jubelten?

Bei der Versammlung war eine große Zahl Anwohner, die einfach wissen wollte, wie das jetzt organisiert wird. Die Mehrheit war zwar besorgt und hatte Ängste, aber man hatte nicht das Gefühl, dass die jetzt losziehen und den "Husarenhof" anzünden. Aber es gab einen kleinen Block ganz hinten, der sich in der Fragerunde auch nicht persönlich vorgestellt hat. Die sind aufgefallen durch unqualifizierte und teilweise hasserfüllte Zwischenrufe.

In Clausnitz bedrängte solch ein Mob einen Bus voller Flüchtlinge und skandierte "Wir sind das Volk".

Das macht mich fassungslos. Die sind "ein" Volk, ja, aber ein komisches. Aber auf keinen Fall "das" Volk. Ich bin 1989 mit auf die Straße gegangen. Diesen Slogan zu missbrauchen, das ist wirklich eine Schande. Das Volk ist gerade noch die schweigende Mehrheit. Aber der rechte Rand wird größer. Man trifft mittlerweile Leute, von denen man nie gedacht hätte, dass sie solche Sätze sagen. Aber nein, die sind nicht das Volk. Auch nicht in Ostsachsen.

Warum kommt es gerade in Sachsen immer wieder zu solchen Vorfällen?

Die Heime brennen ja überall. Aber hier gibt es eine besondere soziale Unsicherheit, wenig Arbeitsplätze. Deshalb wandert die Jugend ab, wir haben einen Männerüberschuss und Grenzkriminalität bei mangelnder Polizeipräsenz, die sich eben auch bei der Absicherung der Flüchtlingsunterkünfte bemerkbar macht. Trotzdem ist latente Fremdenfeindlichkeit kein sächsisches Problem. Was oft untergeht: Hier gibt es auch viele Menschen, die sich in Bürgerbündnissen engagieren, die Patenschaften für Flüchtlinge übernehmen, die sich bemühen, die Integration voranzutreiben. Und die sich wehren gegen die hetzenden Hasserfüllten, die hier das Klima versauen.

Wie sollte man mit diesen Menschen umgehen?

Kommunikation ist wichtig. Das haben wir auf der Bürgerversammlung gemerkt. Die Bautzener sind keine kriminellen Rassisten, viele sind verunsichert. Mit denen muss man sprechen.

Aber hören die Leute überhaupt noch zu?

Mit Fanatikern kann man nicht diskutieren - egal ob links oder rechts. Fanatismus macht taub. Aber es gibt diese schweigende Masse, und mit der kann man noch sprechen. Gegen jede Flüchtlingsunterkunft gab es hier eine Bürgerbewegung: Bei uns nicht! Aber meist hat sich die Lage dann wieder beruhigt, weil die Menschen gemerkt haben: Es passiert ja gar nichts.

Wie soll es jetzt weitergehen in Bautzen, in Sachsen, in Deutschland?

Die Politik muss sich endlich auf den Weg machen und für Sicherheit garantieren. Nicht nur für die der Einwohner, sondern für die der Flüchtlinge. Ein allgemeines Sachsen-Bashing ist genau der falsche Weg. Es stimmt nicht, dass hier nur Nazis rumlaufen. Es gibt viele engagierte Menschen. Und die muss man jetzt stärken - mit allen Mitteln. Was soll sonst werden aus diesem Land?

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