Nach Amoklauf in Florida:17 Minuten für 17 Opfer

National School Walkout in Washington DC, USA - 14 Mar 2018

Einen Monat nach dem Amoklauf in Parkland, Florida, protestieren Jugendliche vor dem Weißen Haus.

(Foto: Michael Reynolds/EPA/Rex/Shutterstock)
  • In den USA haben Schüler in einer landesweiten Aktion der Opfer des Amoklaufs an einer Highschool in Florida gedacht und strengere Waffengesetze gefordert.
  • Am 14. Februar hat ein 19-Jähriger an der Schule in Parkland 14 Schüler und drei Erwachsene erschossen.
  • Seitdem ist in den USA eine neue Debatte über die Waffengesetze entbrannt, die vor allem von Schülern angeführt wird.

Von Thorsten Denkler, New York, und Friederike Zoe Grasshoff

Es reicht ihnen. Vor genau einem Monat hat ein Täter an der High School von Parkland 17 Menschen - 14 Schüler und drei Erwachsene - mit einem Gewehr der Bauart AR-15 erschossen. Und noch immer wird in Washington debattiert, ob wirklich Schusswaffen das Problem sind. An diesem Mittwoch haben die Schüler ein weiteres Zeichen gesetzt. Schüler aus Parkland. Schüler aus den ganzen USA. An tausenden Schulen im ganzen Land haben sie protestiert. 17 Minuten lang. Eine Minute für jedes der Opfer von Parkland. Das ist die Idee. Das hat es so in der jüngeren Geschichte der USA noch nicht gegeben.

Sie haben sich über die sozialen Medien organisiert. Haben gezeigt, dass das Internet nicht nur aus dem Twitter-Kanal von US-Präsident Donald Trump besteht. Sondern, dass etwas Großes und Mächtiges entstehen kann, wenn die Wut nur groß genug ist.

Die Wut dieser jungen Menschen richtet sich gegen die mächtige US-Waffenlobby und ihre vielen Verbündeten in der Politik. Gegen alle jene, die sich immer noch querstellen, wenn es darum geht, Waffen wie die AR-15 zu verbieten. In den meisten Bundestaaten kann so eine Waffe zu Schleuderpreisen von etwa 500 Dollar selbst von unter 18-jährigen Jugendlichen gekauft werden.

In Washington haben sich Hunderte Schüler von High Schools aus der Umgebung vor dem Weißen Haus versammelt. Um kurz vor zehn Uhr am Vormittag wird es still. Alle setzen sich, Hand in Hand, mit dem Rücken zum Weißen Haus. Sie schweigen, 17 Minuten lang. In dem Moment, als die 17 Minuten vorüber sind, springen die Schüler auf und rufen: "We want Change!" - wir wollen eine Veränderung. Dann ziehen sie weiter zum Kapitol. Ähnliche Bilder gibt es auch aus Columbine, wo 1999 zwei Schüler zwölf Mitschüler erschossen und 24 verwundet haben. Und aus Charlottesville, wo im vergangenen Jahr Rechtsradikale demonstriert haben und auf einer Gegendemo eine Teilnehmerin von einem der Neonazis getötet wurde. Und natürlich aus Parkland, von wo aus eine nie dagewesene Protestwelle über das Land rollt.

Die Schüler haben Schilder dabei mit klaren Botschaften: "Sind Eure Waffen unsere Leben wert?", "Genug ist genug" oder einfach nur "Enough", es reicht. Auf einem Plakat steht "Eure Gedanken und Gebete sind nicht genug." Die Formel "Thoughts and Prayers" ist über die Jahre zu einem Synonym für den beständigen Unwillen vieler, in Ereignissen wie in Parkland - oder jüngst dem Massaker von Las Vegas mit 59 Toten - mehr zu sein, als ein tragisches Unglück. Und nicht möglicherweise das Ergebnis zu lascher Waffengesetze.

In der Regel dauern nach solchen Massakern die Debatten über ein schärferes Waffenrecht ein paar Tage an, eine Woche vielleicht. Dann ebben sie ab. Und beginnen von Neuem, wenn wieder etwas passiert. Diesmal ist es anders. Diesmal, davon sind die Schüler überzeugt, werden sie nicht ruhen, bis sich etwas verändert.

Bereits am Dienstag standen vor dem Kapitol in Washington 7000 Paar Schuhe auf der Wiese vor dem Kapitol, also quasi zu Füßen des Kongresses, zu Füßen der Erwachsenen. Ordentlich aufgereiht von Aktivisten der Gruppe Avaaz, die all der Kinder gedenken wollen, die seit dem Schulattentat an der Sandy Hook Grundschule in Newton, Connecticut, im Jahr 2012 erschossen wurden. 7000 Paar herrenlose Schuhe - für 7000 Kinder, die Berechnungen von Avaaz zufolge seit dem 2012 Opfer von Waffengewalt geworden sind in den USA. Die Organisation beruft sich auf Zahlen des US-Kinderärzteverbandes.

Vor dem Kapitol, vor dem Weißen Haus, vor den Schulen und Universitäten wird nun das fortgeführt, was unmittelbar nach dem Amoklauf in Parkland begonnen hatte. Die "Never Again"-Bewegung ist präsent, und das schon seit Wochen. Die Schüler, die auch aus Parkland kommen, haben Reden gehalten, die sich online so verbreiten wie sonst nur bescheuerte Katzenvideos, sie haben sich im Fernsehen mit dem republikanischen Senator Marco Rubio angelegt und sich ganz analog vor das Kapitol gelegt und totgestellt. Die ersten Firmen haben bereits ihre Geschäftspartnerschaften mit der Schusswaffenlobby National Rifle Association (NRA) aufgekündigt.

In zehn Tagen will die "Never Again"-Bewegung wieder auf die Straße gehen, landesweit. Zum "Marsch für unsere Leben". Zehntausende werden dazu in Washington erwartet. Diese Bewegung wird so schnell nicht verschwinden.

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