Moskau:Raketen gegen schlechtes Wetter

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Moskaus Oberbürgermeister möchte künftig den Winterdienst entlasten - indem er mit Wetterraketen Wolken abschießen lässt.

Frank Nienhuysen, Moskau

Die Böden im Moskauer Umland warten schon lange auf mildernde Umstände. Der kaiserliche Gesandte Sigmund von Herberstein hat bereits in seinem Reisebericht aus dem 16. Jahrhundert festgestellt, im Fürstentum Moskau kämen die Saaten nicht zur Reife, wenn die Winterstrenge die Wärme der Sonne besiegt.

Schneeschippen ist auch auf dem Roten Platz einfach nur lästig. (Foto: Foto: dpa)

Sollte aber nun endlich der Moskauer Oberbürgermeister die Macht und die Kraft haben, die jährlich wiederkehrende Naturgewalt zu besiegen? Jurij Luschkow hat einen tollkühnen Vorschlag gemacht, der den Feldern rings um die Stadt mehr Wasser brächte, "und das würde reichere Ernte bedeuten", sagte er. Doch das ist nur ein Hilfsargument für sein eigentliches Ziel: Luschkow will Moskau zur schneefreien Zone machen.

Der Eingriff in den Lauf der Natur ist an wichtigen Feiertagen wie der Siegesparade im Mai bereits zur russischen Tradition geworden. Flugzeuge schießen rechtzeitig vor Moskau das dunkle Gewölk mit Chemikalien ab, damit die Panzer und Raketen auf dem Roten Platz im angeordneten Sonnenschein glänzen.

Warum sich nicht auf diese Weise auch den dichten Schnee vom Leibe halten? Luschkow rechnete vor, dass der Abschuss von Schneewolken nur ein Drittel jener Summe kosten würde wie jene, die für den Winterdienst anfallen würde. "Finanziell wäre das vorteilhaft", sagte er, "lasst es uns ausprobieren."

Hoch türmt sich im Moskauer Winter der Schnee, der festgetreten später für die Fußgänger zur gefährlichen Eisfalle wird. Und der Autoverkehr erstarrt beim Flockenfall noch mehr als ohnehin schon.

Wie sehr den Moskauer Bürgermeister das heftige Schneetreiben stört, bewies er vor zwei Jahren, als er den Bürgersteig vor seinem Amtssitz mit einer Bodenheizung ausstattete.

Der Leiter des Hydro-Meterologischen Zentrums, Roman Wilfand, wiegelt allerdings ab. "Soweit ich weiß, hat sich bisher noch niemand mit diesem Gedanken befasst. Man müsste experimentieren". Seine Skepsis goss er lieber in eine Frage: "Lohnt es sich, Wolken zu zerreißen, wenn schon nach 20,30 Minuten die Bedingungen für neue Niederschläge bestehen?", sagte er der Zeitung Iswestija.

Und was wäre mit den Moskauer Vororten? Ihnen würden für den Winterdienst um so höhere Kosten entstehen, wenn die Wolken systematisch 60 Kilometer vor der Hauptstadt künstlich zerstäubt würden. Und allein das zweimalige gezielte Abregnen an den Sommerfeiertagen hat Probleme aufgeworfen, weil sich einem Bericht zufolge in den betroffenen Gebieten die Gurken gelb verfärbten.

Folgen hätte der massive Eingriff gegen den Schnee auch für Millionen von Kindern, für die das Material zum Bau von Schneemännern dann mit Lastwagen aus dem Moskauer Umland herangekarrt werden müsste. Schwieriger wäre es noch, das berühmteste Moskauer Wintermotiv zu erhalten und die fotogene Basilius-Kathedrale mit weißem Puder zu bestreuen.

© SZ vom 07.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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