Moskau:Eine Stadt löst sich in Rauch auf

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Moskau schwitzt, Moskau keucht: Der Asphalt wird weich, die Menschen ringen nach Luft, die Krematorien sind ausgebucht - Eindrücke aus der überhitzten russischen Hauptstadt.

F. Nienhuysen, Moskau

Sogar die Busfahrerin trägt einen Mundschutz. Sie fährt am Amtssitz von Wladimir Putin vorbei, aber der Amtssitz ist nur zu ahnen. Sie fährt über die Brücke der Moskwa, aber das Wasser ist nicht zu sehen. Es sind 40 Grad, aber wo nur ist die Sonne, die Moskau seit Wochen erhitzt? Den Donnerstag über hatte der Smog der Stadt eine kleine Pause gegönnt - am Freitag war er wieder da, dichter denn je. Moskau schwitzt, Moskau keucht.

Es sind 40 Grad, aber wo nur ist die Sonne, die Moskau seit Wochen erhitzt? Den Donnerstag über hatte der Smog Moskau eine kleine Pause gegönnt - am Freitag war er wieder da, dichter denn je. (Foto: AP)

Schon vor dem Atemzug war die Luft in Moskau verbraucht. Die Konzentration giftiger Stoffe in der Luft lag am Freitag 20 Mal höher als normal, und Moskau ist, was die Normalbelastung betrifft, nicht Freiburg. "Es wird immer schlimmer", sagte Alexej Popikow vom Moskauer Umweltkontrolldienst. Die meisten Menschen versuchten mit einem Tuch oder einer Maske vor dem Gesicht, die Schadstoffe fernzuhalten, aber das gelingt nur bei den Rußpartikeln.

Der Brandgeruch aus den umliegenden Waldzonen und Torfgebieten drang bis in das tief gelegene Röhrensystem der Metro ein, in die Stationen, in die Waggons. An einigen Haltestellen war es nicht einmal mehr möglich, den einfahrenden Zug zu sehen. Und am Freitag begann der Dunst, allmählich auch die Moskauer Flughäfen zu lähmen. Einige Maschinen wurden umgeleitet, andere mussten am Boden bleiben.

Der Asphalt weicht auf und wird mit Wasser besprüht, Fußballspiele werden auf den Abend verschoben. Manche Firmen lassen Mitarbeiter tagsüber zu Hause und bitten sie dann spätabends ins Büro. In vielen Reisebüros sind die Wochenend-Angebote ausgebucht. Moskau leert sich. Die einen flüchten, andere werden nicht kommen. Was ist das auch schon für eine Städtereise, wenn die Veranstalter empfehlen, in den Hotels zu bleiben?

Gesunde werden zu gefühlten Kettenrauchern, Kranken droht Schlimmeres. Die Krematorien sind ausgelastet. Nach Angaben des Einwohnermeldeamtes starben im Juli in Moskau 5000 Menschen mehr als im gleichen Monat des vergangenen Jahres. Die Ärzte raten, möglichst gar nicht auf die Straßen zu gehen, die Fenster geschlossen zu halten. Also bleiben die Malls: Moskaus großdimensionierte Einkaufszentren sind zu Oasen der Kühle geworden, klimatisierte Refugien, geöffnet bis spät in den Abend.

Moskau hat sich ja noch nicht einmal richtig daran gewöhnt, im Winter wie das Klischee von Moskau zu sein: eine Stadt der Kälte. Schon der schneereiche Winter lähmt die Hauptstadt jedes Mal aufs Neue. Aber jetzt muss sich Moskau im Sommer auch noch wie Mexiko-City fühlen. Gegen die wochenlangen Temperaturen jenseits der 30 Grad ist die Stadt allerdings nicht gewappnet.

Der größte Wunsch der Menschen ist eine U-Bahn mit Klimaanlage. "So macht es einfach keinen Spaß mehr", sagt einer, "es ist so klebrig, als würde ich den ganzen Tag mit Cola übergossen." Und ein Blogger im Internet schrieb: "Jetzt haben wir es endgültig verstanden - wir Russen sind doch eine Nation für den Winter." Er wird noch länger leiden müssen. Bis in die nächste Woche steht das Sonnensymbol fest auf den Internetseiten der Wetterdienste. Während Tropfen, die Regen anzeigen, noch immer fehlen.

Auch für den mächtigen Oberbürgermeister Jurij Luschkow ist die außergewöhnliche Hitze eine schwere Prüfung. Schon der angekündigte Abschuss der Schneewolken im Winter hat nicht funktioniert. Aber spätestens in diesem Sommer spürt selbst er die Grenzen seiner Macht.

© SZ vom 07.08.2010/segi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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