Moshammer-Prozess:Der Kini der Herzen

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Während das Volk am Grab trauert, hat die Schickeria Rudolph Moshammer vergessen - nun steht sein mutmaßlicher Mörder vor Gericht.

Wolfgang Görl

Die Nachmittagssonne erleuchtet das sattgelbe Laub des Ahornbaums, dessen mächtige Äste das Mausoleum wie ein Baldachin krönen. Mit jedem Windhauch schweben Blätter zu Boden, was angesichts der zahllosen Grabsteine hier Anlass genug wäre, in Andacht zu versinken. Aber da ist noch Manfred Weiers mit seinen Fotos. Ihm entkommt keiner, der in diesen Stunden auf dem Münchner Ostfriedhof vor dem säulenbestückten Monument innehält, in dessen Zentrum ein Engel zwei steinerne Medaillons hält. Auf einer der Tafeln steht: "Rudolph Moshammer *27.9.1940 †14.1.2005."

Weiers, ein Mann um die fünfzig, ist gerade dabei, einem älteren Herrn die Bedeutung seiner Fotos nahe zu bringen: "Das hier ist der Kranz, den der Mörder gestiftet hat." Tatsächlich, man sieht ein Blumengebinde, das auf der Treppe des Mausoleums liegt. Hat er, Weiers, selbst geschossen, genau wie die Bilder von Moshammers Chauffeur Andreas Kaplan, mal mit Rolls Royce, mal mit Daisy, der hinterbliebenen Hündin des großen Toten. "Für mich war er wie ein Märchenkönig", schwärmt Weiers. Fast jeden Tag besucht er das Mausoleum. Sein Gesprächspartner ist teils beeindruckt, teils auch nicht. "Schuld ist er selber", sagt er grantig. "Mit so einem Typen geb' ich mich doch nicht ab."

Der Mann, von dem die Rede ist, steht von heute an vor dem Schwurgericht München I. Der 25-jährige Iraker Ali Abdullah Herisch ist angeklagt, den Modehändler Rudolph Moshammer "heimtückisch und aus Habgier" getötet zu haben. "Mord in Tateinheit mit Raub" lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Moshammer, das wusste in München jeder, der es wissen wollte, hatte eine Vorliebe für schöne junge Männer. Um deren Dienste zu erwerben, sondierte er, nicht sonderlich um Diskretion bemüht, im Rolls Royce gelegentlich das Angebot, das im Bahnhofsmilieu zu haben war.

In der Nacht zum 14.Januar nahm er Ali Abdullah Herisch mit nach Hause. Dort soll es, so die Anklage, zu sexuellen Handlungen gekommen sein, die aber nicht das erfüllten, was Moshammer erhofft hatte. Es sei zum Streit ums Honorar gekommen, in dessen Verlauf Herisch den 64-jährigen Boutiquenbesitzer mit einem Stromkabel erdrosselt habe.

Das erste, zweite und dritte Buch Mosi

Man wird, das lässt sich leicht vorhersagen, am ersten Prozesstag harte Bandagen benötigen, um die Phalanx aus Kameraleuten, Reportern und Schaulustigen zu durchbrechen. Die Mordsache Moshammer hat alles, was die Öffentlichkeit erregt: Angefangen bei der Legende, die Figur des so genannten Modezaren verkörpere gleichsam den Ortsgeist der Schickeria-Metropole München, bis hin zu den intimen Aspekten des Falls, die mit ihrer Melange aus Glamour und Strichersex auch Voyeuren und Moralaposteln einiges zu bieten haben.

Dazu das herzzerreißende Schicksal der Schoßhündin Daisy, das Moshammers Chauffeur Andreas Kaplan gerade in der Bild-Zeitung beklagt, wobei ihren Verdauungsproblemen und der mangelhaften Stubenreinheit eine halbe Seite gewidmet ist.

Das alles ist natürlich höchst wissenswert, zumal es ja sonst wenig Neues gibt in Sachen Moshammer, nach dessen Ableben bereits drei einschlägige Bücher - das erste, zweite und dritte Buch Mosi, wie Scherzkekse sagen - erschienen sind. Wer seinerzeit die Nachrufe las, musste den Eindruck haben, mit dem schwergewichtigen Paradiesvogel werde gleichzeitig die Münchner Society zu Grabe getragen.

Inzwischen darf man feststellen, dass noch immer Gala-Abende zu Ehren von Wundercremes oder Frisören gefeiert werden, wobei sich an der ortsüblichen Mischung aus Charity-Ladies, Fußballern, TV-Serienhelden und der einen oder anderen Stil-Ikone nichts geändert hat. "Anfangs hat man noch über den Moshammer geredet, aber das ist jetzt vorbei", sagt Peter Pongratz, der als Wirt der Paulaner-Gaststätte am Nockherberg über eine der Anlaufstationen der Münchner Prominenz verfügt.

Das Schweigen ist schon deshalb kein Wunder, weil Moshammer zu Lebzeiten nur insofern zur Münchner Society zählte, als er ein Event nach dem anderen mit seiner Gegenwart beehrte. Keineswegs aber war er der Gesellschaftslöwe jenes Typs, der unentwegt Bussis verteilt und mit Prosecco-Geplauder brilliert. Einer, der nicht namentlich zitiert werden möchte, lässt wissen: "Es gab viele, die haben gesagt: Ich kann den Deppen nicht mehr sehen."

Gerecht wird man Moshammer damit nicht. Denn bei aller Penetranz wohnte seinen Auftritten etwas kunstvoll Theatralisches inne, um nicht zu sagen: Moshammers Selbstinszenierung war wie eine Parodie der in München verbreiteten Vorliebe für Kostümierung und leeren Schein. Mit seinem Hang zur Maskerade verkörperte er womöglich doch eine Eigenschaft des Ortsgeists, ähnlich den Prachtbauten König Ludwigs I., die den Anschein erwecken, als wären sie das Werk griechisch-antiker oder florentinischer Baumeister.

Passend dazu trug Moshammers Boutique den Namen "Carnaval de Venise". Dort, in der Maximilianstraße, wo einst die Touristenbusse hielten, sind heute Bauarbeiter zugange, um den Laden für einen schweizerischen Uhren-Hersteller einzurichten. Nichts mehr erinnert an Moshammer. Man muss schon auf den Ostfriedhof gehen, um zu erfahren, dass es immer noch Leute gibt, die ihm nachtrauern. Sie schreiben auf Postkarten Mosi-Gedichte und legen sie unters Ewige Licht am Mausoleum; sie bringen Blumen ans Grab oder reden mit ihm, so als würde er sie hören dort unten in der Gruft, wo er neben seiner Mutter Else liegt.

Einer, der aus der Reihe tanzt

Oft sind es Menschen, die wie Manfred Weiers einen Märchenkönig in ihm sehen - den guten Monarchen, der Glanz und Gloria verkörpert; den Kini der Herzen, der sich nicht zu schade ist, gelegentlich unters Volk zu gehen. Einmal im Jahr, sagt Peter Pongratz, ist er zur Starkbierzeit auf den Nockherberg gekommen, um mit Chauffeur und Bodyguard seinen Einzug zu zelebrieren.

"Die Musik hat gespielt, und er ist durch den Gang gezogen, hat huldvoll sein Volk gegrüßt, und das ganze Festzelt, 6000, 7000 Leute, ist aufgestanden und hat ihn gefeiert." Man weiß eigentlich nicht, wofür. Weil er Obdachlose unterstützt hat? Das tun andere auch. Aber vielleicht hat es den Leuten gefallen, dass wenigstens einer, wenn auch in bizarrer Weise, aus der Reihe tanzt. Ein charmanter Spinner, der die Illusion eines anderen Lebens verkörpert.

In einem der vielen Plastikblumensträuße am Mausoleum steckt eine echte Pfauenfeder. Kein schlechtes Symbol für einen bunten Vogel. Dass dies die Rolle war, in der er seine Haut zu Markte trug, ist eine andere Geschichte.

© SZ vom 2.11.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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