Mosel:Wenn sich keine Weinkönigin findet ...

... dann macht es halt ein Mann: Sven Finke repräsentiert die Weine aus Kesten an der Mosel. Als Weingott "Bacchus" geht es ihm auch um Gleichberechtigung.

Von Esther Widmann

Im Dirndl fesch aussehen und Walzer tanzen können - das waren lange Zeit entscheidende Kriterien für die Wahl zur Deutschen Weinkönigin, und auf der darunterliegenden Stufe der Gebietsweinkönigin dürfte es bei den ersten der seit 1950 stattfindenden Wahlen ähnlich gewesen sein. Im Laufe der Zeit wandelte sich mit dem Bild der Frau auch das der Weinkönigin. Begeisterung für und Wissen über Wein sind inzwischen ausschlaggebend. Auch verheiratet dürfen die Kandidatinnen sein. Nur eines nicht: männlich.

Auch Kesten an der Mosel wählt, wie viele in Weinanbaugebieten liegende Orte, regelmäßig eine Weinkönigin, die die lokalen Erzeugnisse repräsentieren soll. Allerdings wohnen in Kesten, das zur rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues gehört, nur 340 Seelen. Statistisch gesehen sollten etwa 170 davon weiblich sein. Doch auch ohne die früher geltende Altersbeschränkung für Weinköniginnen - nicht älter als 25! - findet sich schon seit ein paar Jahren keine Frau, die das Ehrenamt übernehmen möchte. Stattdessen fand sich: Sven Finke. Am Freitag, den 12. August, wird er gekrönt. Nicht zur Weinkönigin, und nicht zum Weinkönig. Er nennt sich: Bacchus - nach dem römischen Gott des Weines, denn der Ort Kesten habe römische Wurzeln, sagt Finke.

"Primär ging es darum, dass es jemand macht", gibt er am Telefon freimütig zu. Im Ort wohnten immer weniger junge Frauen, und die seien dann oft "mit Studium oder Auslandssemester beschäftigt". Dann habe er sich bereit erklärt, es zu machen. "Aber unter der Bedingung, dass ich dann auch ein paar Ideen einbringen kann." Eine Idee: "Ich will zeigen, dass Männer in Frauendomänen gut sein können." In einem Beitrag des SWR nennt er das "Emanzipation rückwärts, also, auch Männer können Frauensachen machen".

Finke macht keinen Hehl daraus, dass ihm das entstandene Medien-Echo gelegen kommt. Der Bacchus hat eine eigene Facebook-Seite und eine Unterseite auf der Internetpräsenz der Gemeinde, die Finke ebenfalls betreut. "Ich will Kesten groß rausbringen", sagt er. Finke kommt zwar von der Mosel, aber nicht aus dem Dorf, sondern ist erst vor ein paar Jahren dorthin gezogen.

Das für eine "Weinmajestät" nötige Wissen über den Wein muss er sich aber gerade noch antrainieren, bei Nachbarn, von denen viele Weingüter haben, oder auch im Vorbereitungsseminar für Weinköniginnen. Als wöchentlichen Termin auf der Schulbank darf man sich das allerdings nicht vorstellen, lediglich einen Sonntag lang ging es um Gesteinssorten, Sensorik und Auftreten. "Das war 'ne lustige Runde, bei der Sekt und Wein geflossen sind", erzählt Finke. Denn seine Kolleginnen seien alle begeistert gewesen von ihm als Bacchus.

Ob er seine "Emanzipation rückwärts" bis in höhere Ebenen der Weinhierarchie bringen kann, weiß er selber noch nicht. Aber auch hier könnte ihm helfen, dass es seit Jahren in vielen Gegenden nicht mehr viele Kandidatinnen gibt. Zu zeitaufwendig ist die ehrenamtliche Tätigkeit.

Die Figur des Bacchus ist an der Mosel schon etabliert

"Bei der Wahl zur Mosel-Weinkönigin treten in diesem Jahr nur drei Frauen an. Gesucht werden eine Königin und zwei Prinzessinnen - die bekommen also auf jeden Fall alle drei ein Amt", sagt Finke. Könnte er also allein aus Personalmangel auch bei der sehr viel prestigeträchtigeren Wahl der Gebietsweinkönigin eine Chance haben? "Ich werde aktiv werden", kündigt Finke an. Um dann hinzuzufügen: "Im Zweifel klagen. Artikel 3 Grundgesetz. Da findet sich was. Ich bin Jura-Student."

Komplett neu ist die Idee mit dem Bacchus in der Region nicht: "Es gibt an der Mosel immer eine Weinkönigin und zwei Prinzessinnen, oder eine Königin, eine Prinzessin und einen Bacchus." In Absprache mit dem Gemeinderat habe man die Position Kesten übernommen. So wird Sven Finke nun also als Weingott die Funktion der Weinkönigin übernehmen. Und eine Prinzessin gibt es auch.

Die Krone wird er allerdings nicht tragen, stattdessen ziert ein Lorbeerkranz sein Haupt. Das mache natürlich bei der Krönung am Freitag einige Anpassungen in der Zeremonie nötig: Normalerweise gebe die alte Königin die Krone an die neue weiter. Wie genau das nun bei ihm ablaufe, stehe aber noch nicht fest. Möglicherweise werde das spontan entschieden. "Das ist ja alles für das ganze Dorf neu", sagt Finke.

Neu ist auch sein Kostüm: Weinköniginnen aus anderen Orten treten meist im Dirndl oder Abendkleid auf. Finkes Gewand dagegen ist eine Art römischer Toga mit rotem Umhang. Das Kostüm hat ihm die Tante seines Lebensgefährten, die Schneidermeisterin ist, genäht. Es erinnert allerdings wenn überhaupt eher an einen siegreichen römischen Feldherrn denn an den römischen Weingott Bacchus: Der wurde nämlich in der Regel nackt dargestellt.

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