Mordfall Jakob von Metzler:Fall Gäfgen vor europäischem Gericht

Der wegen Mordes an Bankierssohn von Metzler verurteilte Magnus Gäfgen kämpft gegen seine Verurteilung. Jetzt geht der Fall vor den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Die Justiz wird Magnus Gäfgen nicht los. Mit allen Finessen kämpft der Entführer und Mörder des Frankfurter Bankierssohns Jakob von Metzler gegen seine Verurteilung zu lebenslanger Haft.

Magnus Gäfgen

Magnus Gäfgen kämpft mit allen Mitteln gegen seine Verurteilung zu lebenslanger Haft.

(Foto: Foto: dpa)

Am kommenden Montag könnten der 33 Jahre alte Gäfgen und sein Anwalt Michael Heuchemer vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (EGMR) einen wichtigen Etappenerfolg erzielen. Ansatzpunkt der Beschwerde Gäfgens ist die umstrittene Folterdrohung der Frankfurter Polizei.

Am Morgen des 1. Oktober 2002 hatte der damalige Vizepräsident der Frankfurter Polizei, Wolfgang Daschner, zu einem verzweifelten Mittel gegriffen, um das Leben des elf Jahre alten Jakob vielleicht noch zu retten. Auf seine Weisung drohte ein Vernehmungsbeamter dem ständig leugnenden Gäfgen Schmerzen an, wie er sie noch nie gespürt habe.

Der Jura-Student packte endlich aus und führte die Beamten zum Leichenversteck in einem kleinen See in Osthessen. Die Ermittler vergaßen dabei nicht, Beweise zu sichern. Sie nahmen Faser- und Gen-Spuren an dem Leichenknäuel, sicherten Reifenspuren seines Wagens und filmten Gäfgens Reaktionen. Natürlich wurde später auch die Leiche des Elfjährigen obduziert.

Höchststrafe verhängt

Alle diese Beweise wurden im Prozess gegen Gäfgen verwendet, der zudem mehrfach Geständnisse ablegte. Die deutsche Justiz, so viel ist sicher, würde das rechtskräftig abgeschlossene Strafverfahren von allein nicht wieder aufrollen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die vom Landgericht Frankfurt verhängte Höchststrafe zu lebenslanger Haft mit besonders schwerer Schuld bestätigt.

Das Bundesverfassungsgericht sah keinen Anlass, sich mit der Verfassungsbeschwerde Gäfgens näher zu beschäftigen, der damals noch mit dem Frankfurter Rechtsanwalt Ulrich Endres zusammenarbeitete. Der nationale Rechtsweg war für Gäfgen, den Kindsmörder mit dem ersten juristischen Staatsexamen, erschöpft.

Hessische Gerichte wollten zudem verhindern, dass Gäfgen nach seinem Offenbarungseid in der Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt für seine zivilrechtliche Klage gegen das Land Hessen Prozesskostenbeihilfe erhält - und wurden in dieser Frage vom Bundesverfassungsgericht zurückgepfiffen.

Solch grundsätzliche Fragen nach den Folgen polizeilichen Fehlverhaltens, so die Verfassungsrichter, sollten besser im öffentlichen Prozess und nicht im Vorverfahren geklärt werden. Inzwischen hat Gäfgen vom Oberlandesgericht Frankfurt die Beihilfe bewilligt bekommen - der Zivilprozess mit seinen unbequemen Erörterungen steht noch aus.

Wiederaufnahme möglich

Gegen die möglichen Folgen von Straßburg ist der Streit ums Schmerzensgeld aber ohnehin nur ein Randaspekt, denn es droht ein neuer Strafprozess gegen Gäfgen mit ungewissem Ausgang. Zwar kann Straßburg die Urteile deutscher Gerichte nicht aufheben, die Richterkollegen aber dennoch in Bedrängnis bringen. Eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens wird ausdrücklich als Möglichkeit der Heilung eines festgestellten Menschenrechtsverstoßes genannt.

Zuständig wäre das Landgericht Darmstadt, das über die Eröffnung eines neuen Prozesses befinden und ihn dann auch führen müsste. Gäfgens Anwalt Heuchemer hat diesen Schritt längst für den Fall angekündigt, dass die Europarichter die Beweiserhebung im Fall Gäfgen als in großen Teilen illegal einschätzen sollten. Wenn die nach der erzwungenen Aussage Gäfgens gewonnenen Sachbeweise als verdorbene Früchte des verbotenen Baumes bewertet würden, könnte der Mordnachweis schwer werden. Ein neues Geständnis Gäfgens dürfte es nämlich kaum geben. In einem neuen Prozess werde er seinen Mandanten "optimal verteidigen", hat Anwalt Heuchemer angekündigt.

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